Zwischen Mitte März und Mitte Mai ist die ideale Pflanzzeit. Anders als viele glauben, müssen sie nicht schattig stehen
Barmstedt. Wenn ein kleiner Goldprinz allererste, fadendünne Wurzeln ins Erdreich treibt, so tut der Rhododendron-Sämling das unter wirklich königlichen Bedingungen. Feucht-warm ist das Klima in den Treibhäusern der Barmstedter Baumschule Hachmann, in der der Goldprinz gemeinsam mit Tausenden frisch aus den reifen Kapseln geernteten Rhododendron-Geschwistern sein Dasein beginnt.
Angesichts dieser gemütlichen Kinderstube fällt es schwer zu glauben, dass der junge Goldprinz in wenigen Jahren Winterfröste von bis zu minus 26 Grad Celsius locker meistern wird. Aber genau das ist der Anspruch von Baumschulchef Holger Hachmann, 56, und seinem Team. „Was wir hier züchten, ist den widrigen Bedingungen der Gartenwirklichkeit im Holsteiner Geestboden und in den Böden Nord- und Osteuropas garantiert gewachsen“, sagt der Gärtnermeister, der den knapp 20 Hektar großen Betrieb in Barmstedt in dritter Generation leitet.
Pflanzeneigenschaften wie diese Widerstandsfähigkeit sind es, die die Baumschule zu einem der weltweit führenden Rhododendron-Produzenten machen. Hachmanns Sorten zieren Parks und Gärten von Norwegen bis Neuseeland, sie blühen in den USA und Russland ebenso wie im Botanischen Garten und auf dem Ohlsdorfer Friedhof der benachbarten Hansestadt. Die deutsche Rhododendron-Wiege steht genau hier, an der Brunnenstraße 68. Mehr als 2000 Sorten blühen im Schaugarten auf dem Gelände. Jetzt im April läuft die Hochsaison auf vollen Touren. Denn zwischen Mitte März und Mitte Mai ist die ideale Pflanzzeit.
Schritt für Schritt gewöhnen die Gärtner das Goldprinz-Baby an die norddeutsche Klimarealität. Aus dem Treibhaus geht es zunächst ins Kalthaus. Im zweiten Jahr dürfen die Bäumchen zum ersten Mal Freilandluft schnuppern – allerdings noch geschützt unter Netzen. Drei weitere Jahre lang durchläuft der Pflanzennachwuchs den Kreislauf aus mehrfachem Umtopfen, Düngen und Zurückschneiden. Verantwortlich für all diese Kulturfragen ist Gärtnermeister Thomas Drewitz. Dessen Kollege Jürgen Lohse kümmert sich mit seinem Team um die Gesundheit der grünen Truppe. Nach 30 Jahren im Job erkennt der Gärtnermeister die ersten Anzeichen für Pilzbefall oder Blattläuse sofort. Mindestens fünf Jahre dieser Pflege stecken in einem Rhododendron, wenn er dann für 20 bis 35 Euro über den Ladentisch geht.
Damit späte Nachtfröste den jungen Pflanzen nicht kurz vor der Blüte noch schaden, schaltet die Frostwarnanlage bei Temperaturen um den Gefrierpunkt automatisch eine Beregnungsanlage ein. Die umhüllt Knospen und Neuaustriebe ähnlich wie im Obstanbau mit einer schützenden Eisschicht. „So richtig ruhig schläft man aber trotz aller Maßnahmen erst Ende Mai, nach den Eisheiligen“, sagt Holger Hachmann. Wie sein 2004 verstorbener Vater Hans züchtet und pflegt er Rhododendren mit einer Leidenschaft, die an Perfektionismus grenzt.
Es war Hans Hachmann, der die 1929 von seinem Vater Johannes gegründete Forstbaumschule in die erste Adresse für Rhododendron-Liebhaber verwandelte. Aus seinem Lehrbetrieb im Ammerland, das als Mutterland der europäischen Rhododendron-Zucht gilt, brachte er Anfang der 1950er-Jahre knapp 40 Rhododendren nach Barmstedt mit. „Die überstanden aber das rauhere Klima in Schleswig-Holstein nicht“, sagt Holger Hachmann. Hans Hachmann begann deshalb damit, selbst zu züchten. Und er erreichte sein Ziel. Seine ersten Züchtungen nannte er „Hachmanns Feuerschein“ und „Hachmanns Kokardia“.
Ihnen sollten im Laufe eines halben Jahrhunderts mehr als 400 neue Sorten folgen. Seit 1989 züchteten Vater und Sohn gemeinsam. Heute bringt Holger Hachmann, unterstützt von Gärtner Bernd Wickhorst, Jahr für Jahr bis zu drei neue Sorten auf den Markt, die sich in der Auswahl bewährt haben. Immer auf der Suche nach neuen Einflüssen auf die Zucht durch wildwachsende Sorten bereist Hachmann die Welt.
So leidenschaftlich Hachmann neue Sorten züchtet, so engagiert kämpft er gegen Irrtümer, wenn es um die Pflege der Pflanzen geht. „Manche alten Zöpfe scheinen sich nicht ausrotten zu lassen“, sagt er. Zum Beispiel der Irrglaube, dass Rhododendren schattig stehen müssten. „Das gilt zwar für trockeneres Klima, aber hier in Norddeutschland sollten die Rhododendren ruhig vollsonnig stehen.“ Und angemessen gedüngt werden. Und zwar nicht erst nach der Blüte, sondern etwa vier Wochen davor, also Mitte April. „Sonst ist es so, als würden Sie einem Marathonläufer erst nach der Ziellinie etwas zu trinken anbieten. Und sich wundern, wenn er schon vorher schlappmacht.“