Netzwerk lädt ein zur Diskussion in Elmshorn über das Geschäft mit dem Sex. Auch im Kreis Pinneberg suchen Prostituierte Hilfe bei Beratungsstellen. Am Frauentag gibt es weitere Veranstaltungen in der Region.
Kreis Pinneberg. Die Polin hatte sich auf eine Annonce als Babysitterin beworben. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben kam sie nach Deutschland. Doch statt Kinder zu hüten, sollte sie für einen Zuhälter anschaffen gehen. Er nahm ihr Papiere und Handy weg und sperrte sie in der Wohnung ein, um sie gefügig zu machen. Gegen eine Ablöse von 10.000 Euro würde er sie gehen lassen, sagte er, wohl wissend, dass sie das Geld nicht aufbringen konnte.
Von Fällen wie diesem, weiß Karina Sahling, Beraterin im Frauentreff Elmshorn, zu berichten. „Es kommt vor, dass Frauen in unserer Beratungsstelle Hilfe suchen, deren Partner sie zum Beispiel zur Prostitution zwingen wollen oder die schon in dem Gewerbe arbeiten“, sagt sie. Prostitution wird schnell mit Menschenhandel, Sucht und übertragbaren Krankheiten in Verbindung gebracht. Doch es gebe viele Formen der Prostitution, so Sahling. Zwangsprostitution sei nur ein Aspekt. Andere Frauen verkaufen ihren Körper aus freien Stücken. „Aber auch hier stellt sich die Frage, wie freiwillig ist freiwillig“, sagt sie. Die Grenzen sind fließend.
Zum Frauenhandel zählen Fälle, bei denen Migrantinnen oder deutsche Frauen mit falschen Versprechungen in die Prostitution gebracht und ausgebeutet werden. Auch wenn Migrantinnen zwecks Eheschließung nach Deutschland eingeladen werden, um dann vor oder in der Ehe sexuell oder als billige Arbeitskraft ausgebeutet zu werden, sei das Frauenhandel, erklärt Surya Stülpe von „Contra“, einer evangelischen Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein. Im Jahr 2012 wurden dort 52 Frauen unterstützt. Die meisten waren von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution betroffen. Frauenhandel beschränkt sich laut „Contra“ nicht auf Ballungszentren wie Kiel, sondern betreffe auch ländliche Regionen. Der Kreis Pinneberg bildet keine Ausnahme.
Die Tatsache, dass es in ganz Schleswig-Holstein keinen Straßenstrich gibt, schließt nicht die Möglichkeit aus, dass Frauen in Bordellen (rund 100 in Schleswig-Holstein), Clubs, Massagesalons oder sogenannten Modellwohnungen – im Land gibt es etwa 300 – ausgebeutet werden. Nicht immer werden Frauen mit Gewalt gezwungen anzuschaffen. Häufig ist der ausgeübte Druck subtiler: Sie werden überwacht, ihre Familien bedroht, der Verdienst einbehalten. Anhand der Beratungsfälle bei „Contra“ zeigt sich aber, dass Frauen in Schleswig-Holstein nach wie vor von Menschenhandel betroffen sind.
Daran hat auch das Prostitutionsgesetz nichts geändert, das die rot-grüne Bundesregierung vor zwölf Jahren eingeführt hat, mit dem Ziel, die rechtliche und soziale Lage von Prostituierten zu verbessern. Davor galt Prostitution als sittenwidrig. Kritiker bemängeln jedoch, dass das Gesetz Zuhältern Schutz vor Kontrollen biete.
Razzien in Bordellen seien schon immer besonders schwierig gewesen, sagt Stefan Junge, Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) Schleswig-Holstein. „Wir haben nur eine rechtliche Handhabe, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt.“ Ansonsten sei eine Überprüfung nur auf freiwilliger Basis möglich. Das heißt, der Bordellbetreiber entscheidet, ob er die Polizei rein lässt oder nicht. Zuverlässige Zahlen zum Menschenhandel gibt es nicht. „Die Dunkelziffer ist in dem Bereich sehr hoch“, sagt Jung. Im Jahr 2012 konnte das LKA Schleswig-Holstein jedoch 13 Verfahren gegen 17 Tatverdächtige, die im Verdacht des Menschenhandels zum Zweck sexueller Ausbeutung stehen, abschließen. Für den Kreis Pinneberg liegen keine Zahlen vor.
Hat die Legalisierung den Frauen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit gebracht? Ist Prostitution ein Beruf wie jeder andere? Ist es nicht völlig normal, dass jeder fünfte Mann hin und wieder zu Prostituierten geht? Das Frauennetzwerk Elmshorn, dem außer Vertreterinnen verschiedener Institutionen der Stadt auch der Frauentreff angehört, und die Gleichstellungsbeauftragte Maren Schmidt, möchten den Internationalen Frauentag zum Anlass nehmen, in großer Runde über diese Fragen zu diskutieren. „Die Pole, zwischen denen über Prostitution diskutiert wird, bewegen sich zwischen grundsätzlicher Ablehnung und Akzeptanz freiwilliger Prostitution“, so Schmidt. Oft werde diese Diskussion stark emotional geführt. Doch es gehe am Freitag, 7. März, im Elmshorner Rathaus nicht um richtig und falsch. „Alle Teilnehmenden sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Position zu erläutern und anderen zuhören zu können.“
„Prostitution war lange kein Thema, wird es aber wieder“, sagt Yvette Karo, vom Wendepunkt Elmshorn und KiK-Koordinatorin. Sie wird die Diskussionsrunde moderieren. Kampagnen wie der Appell gegen Prostitution der Zeitschrift EMMA unter Frauenrechtlerin und Chefredakteurin Alice Schwarzer sorgen dafür. In einer Petition wird die Bundesregierung aufgefordert, das Prostitutionsgesetz zu ändern, um Freier ächten und bestrafen zu können. Auch präventive Maßnahmen und Aufklärungsarbeit sollen gefördert und den Frauen der Ausstieg aus der Prostitution erleichtert werden. Zirka 11.500 Menschen haben den Appell bereits unterzeichnet. Die Chancen, dass sich etwas ändert, stehen nicht schlecht. Union und SPD denken darüber nach, zum Beispiel „Flatrate-Sex“ zu verbieten und härter gegen Zwangsprostitution vorzugehen.
„Mit der Legalisierung von Prostitution 2002 hat Deutschland einen Sonderweg in Europa eingeschlagen“, sagt Karo. In den skandinavischen Ländern werden Freier geächtet und bestraft. Frankreich und Irland folgen. „Einige sind der Meinung, weil Prostitution legal ist, ist es auch in Ordnung, sich Sex zu kaufen.“ Trotz der Legalisierung verstoße Prostitution in vielen Fällen aber gegen Menschenrechte.
Die Frauen werden häufig abkassiert und arbeiten unter schlechten Bedingungen. Wer nicht spurt, an dem wird ein Exempel statuiert. „Eine Klientin berichtete davon, wie eine Prostituierte von Zuhältern zusammengeschlagen wurde“, sagt Sahling. Die anderen Frauen mussten zusehen. Oft blieben die Frauen nur ein paar Wochen an einem Ort und würden dann woanders hingebracht. Um ein neues Angebot für Freier zu schaffen. Außerdem wird es den Frauen so schwer gemacht, Kontakte zu knüpfen und gegebenenfalls Hilfe zu suchen.