Sibylle Hallbergs Herz gehört dem geschriebenen Wort. Beim Literaturcafé am Totensonntag präsentiert sie im Wechsel mit Autorin Katharina Fast eigene Lyrik und Prosa zum Thema „Der Tod und das Leben“.

Pinneberg. „Ich habe einfach eine Affinität zur Literatur“, sagt die Pinnebergerin Sibylle Hallberg, 59. Mit dieser vergleichsweise nüchternen Aussage beweist die Chefin der Drostei-Förderer vor allem eins: Sie ist eine Meisterin der eleganten Untertreibung. Denn „Affinität“ beschreibt nicht einmal annähernd die Leidenschaft, mit dem die studierte Übersetzerin und Sprachlehrerin sich für das geschriebene Wort einsetzt. Dass sie viel liest – geschenkt. Ungewöhnlicher ist da schon die Tatsache, dass sie seit einigen Jahren erfolgreich eigene Kurzgeschichten und Gedichte veröffentlicht. Doch am deutlichsten wird ihre Begeisterung für alles, was sich mit Buchstaben darstellen lässt, in ihrer Rolle als aktive Förderin von Autoren und Organisatorin von Literaturveranstaltungen. „Wir wollen mit diesen Reihen noch mehr Leben ins Haus holen und dazu beitragen, ein möglichst breites Kulturangebot zu entwickeln“, sagt Sibylle Hallberg über ihre Motivation. „Die Drostei ist ein Haus für alle Bürger sein und soll nicht elitär daherkommen.“

Tragende Säule des Literaturprogramms, das der Förderverein zusätzlich zu den Veranstaltungen der Stiftung im Kreiskulturzentrum anbietet und damit auch Spenden für die Arbeit der Stiftung sammelt, ist das sonntägliche Literaturcafé, das bereits unter der Ägide der ehemaligen Drostei-Chefin Erle Bessert entstand. Sechs Mal pro Jahr lesen Autoren eigene Texte, dazu gibt’s Torte und Kaffee im barocken Ambiente der Gartensäle. Anfang 2012 übernahm Hallberg die Leitung dieser Reihe von ihrer langjährigen Vorgängerin Margot Drews. 2011 hatten die beiden Literaturfans das Café gemeinsam geführt.

„Die Stiftung lässt mir viel Freiraum bei der Programmgestaltung, und das Team um die Künstlerische Leiterin Stefanie Fricke hilft mir, wo es kann. Das ist ein sehr schönes, gemeinsames Arbeiten“, sagt die Fördervereinschefin. Praktische Unterstützung bei Kaffeeausschank und Tortenverkauf in den Pausen bekommt sie von Mitgliedern des Vereins. Doch den Löwenanteil der Organisation, vom ersten Kontakt mit einem Autor bis zur Bestellung der Torten, stemmt sie selbst.

Jetzt, am Sonntag, 24. November, liest sie im Wechsel mit der Autorin und Sängerin Katharina Fast, 56, eigene Texte. Unter dem Motto „Der Tod und das Leben“ wollen sie – passend zum Totensonntag – das heikle Thema von einer humorvollen, lebensbejahenden Seite anpacken. „Wir wollen mit unseren Kurzgeschichten, Gedichten und Liedern am gesellschaftlichen Tabuthema Tod kratzen. Das wird absolut kein tragischer, sondern ein durchaus fröhlicher, abwechslungsreicher Nachmittag“, sagt Sibylle Hallberg. „Wir nennen die Dinge beim Namen. Das Thema Sterben wird so oft ausgeblendet oder beschönigend umschrieben. Diese Euphemismen ärgern mich.“

Fast und Hallberg wollen mit ihrer Lesung eine andere Haltung fördern: „Wir sollten jeden Augenblick genießen, das Leben bewusst auskosten, damit wir am Ende leichter loslassen können.“ Die Pinneberger Fotosofin Gagel steuert als Gast eine provokante Installation bei, einen Kneipentisch mit einem leuchtenden Schriftzug zum Thema Tod, der polarisieren und die Zuhörer zum Gespräch anregen soll.

Katharina Fast gab ihre ersten Texte vorsichtshalber als Übersetzungen aus

Neben der Arbeit fürs Literaturcafé hat Hallberg seit ihrem Antritt als Chefin des Fördervereins im Oktober 2010 zwei weitere neue Reihen ins Leben gerufen. Der jährliche Poetry Slam, der 2013 als gut besuchter „Wettstreit der Dichterkinder“ begabte Grundschülerin den Fokus rückte, bietet vor allem dem Nachwuchs eine Bühne.

In den „Lunch Lesungen“ begleitet sie in der familiären Atmosphäre eines klassischen, bürgerlichen Salons laufende Ausstellungen mit literarischen Akzenten. Die Premiere, fünf Lesungen aus Thomas Manns „Tod in Venedig“ im Zuge der Schau „Verbeugungsbilder“, in denen Künstler Jens Kraglund Ansichten der Lagunenstadt fotografisch verfremdet hatte, kam so gut an, dass sie über eine Fortsetzung nachdenkt.

Die Leidenschaft für das geschriebene Wort begleitet Sibylle Hallberg, seit sie denken kann. „Ich habe immer schon viel gelesen. Das unterhält, entspannt und man kann den Alltag ein bisschen wegschieben“, sagt sie. Besonders gern liest sie Biografien. „Ich erfahre, wie andere Menschen schwierige Lebenssituationen aushalten und finde Antworten auf Fragen, die mich bewegen. Das macht Mut, eigene Wege zu gehen.“

Am Schreiben genieße sie vor allem die künstlerische Freiheit. „Man gibt zwar viel von sich preis, aber dazu kommt die Fantasie. Das ist eine große, wunderbare Erfahrung.“ Zum Glück für den Autor wisse der Leser ja nie, was an einer Geschichte tatsächlich passiert und was reine Fiktion sei.

Für die Bürokauffrau Katharina Fast, aufgewachsen als Spross strenggläubiger Mennoniten in einem sibirischen Dorf und 1992 nach Deutschland übergesiedelt, gehören das Schreiben und das Singen schon seit ihrer Kindheit zum Alltag. In ihrer Muttersprache, einem ursprünglich im Weichseldelta entstandenen Plattdeutsch ihrer Vorfahren, außerdem in Hochdeutsch und Russisch verfasste sie als Jugendliche und später als Leiterin des örtlichen Kulturhauses kleine Theaterstücke , Lieder und Geschichten, übersetzte aus dem Russischen ins Plattdeutsche, trat damit auf. „Meine ersten eigenen Sachen habe ich vorsichtshalber als Übersetzungen ausgegeben“, sagt sie. In ihrem kleinen Heimatdorf seien Mädchen mit so viel literarischer Fantasie vielen Erwachsenen nicht geheuer gewesen. Bis heute spielt sie außerdem gern beim Kabarett mit. „Man kann mal richtig verrückt sein, je verrückter, desto besser.“

Das Literaturcafé „Der Tod und das Leben“ beginnt am Sonntag, 24. November, um 15 Uhr in der Drostei, Dingstätte 23. Einlass ist ab 14.30 Uhr, in der Pause gibt es Kaffee und Kuchen. Der Eintritt ist frei.