Die Fristen für den Bau der Kreisstraße 22 bei Tornesch rücken näher. Der Kreis ist unzufrieden mit dem Arbeitstempo der Bahn. Nun will der Kreis im äußersten Fall das Bundesverkehrministerium einschalten.
Pinneberg/Uetersen/Tornesch. Das Ende der unendlichen Geschichte „Ausbau der Kreisstraße 22 zwischen Uetersen und Tornesch“ schien bereits in Sicht. Zum Jahresende sollte das Planfeststellungsverfahren beendet sein, 2014 könnte die Ausschreibung laufen und 2015 bereits die ersten Bagger rollen.
Ein aktueller Sachstandsbericht im Kreiswirtschaftsausschuss zum derzeitigen Planungsstand lässt nun allerdings Zweifel an der ursprünglichen Aussage des Landesbetriebs Straßenbau aufkommen.
Grund: Der ständige Disput zwischen der Deutschen Bahn und dem Kreis. Das nicht alles rund läuft, bestätigt auch Kreissprecher Marc Trampe. „Wir hoffen zwar, dass es zu einer guten und schnellen Einigung mit der Bahn kommt. Aber sicher ist leider nichts“, so der Kreissprecher.
Ein Rückblick: In den 1980er Jahren wurde zwischen dem Kreis und den Kommunen Tornesch und Uetersen ein Vertrag unterzeichnet, der den Kreis zum Bau der K22 verpflichtet. Nach vielen Querelen und Planungen wurde jedoch erst 2007 der formale Antrag für das notwendige Planfeststellungsverfahren gestellt. Seitdem gab es Gespräche mit den zuständigen Verwaltungen und mit Bürgern, die Vorbehalte gegen das Projekt haben.
Trassenverlauf wurde zwischenzeitlich leicht verändert
Der Trassenverlauf wurde bei Tornesch-Esingen nach Überprüfungen und neu erstellten Lärmgutachten zwischen der Bahnunterführung und der Landesstraße 107 leicht verändert. Dennoch waren und sind mehrere Bürger im Stadtteil Esingen nicht zufrieden, fürchten sich vor einem starken Verkehrs- und Lärmaufkommen und einem Wertverlust ihrer Grundstücke.
Laut Michael Zisack, Leiter des Fachdienstes Straßenbau und Verkehrssicherheit beim Kreis Pinneberg, liegen die Unterlagen für die K22 derzeit noch beim Land in der Planfeststellungsbehörde. Eigentlich hätte bereits Ende 2011 ein Beschluss vorliegen sollen. Weil aber laut der Kreisverwaltung das hierfür notwendige Personal in dem zuständigen Planungsamt gefehlt habe, wurde nichts daraus. Die Unterlagen verstaubten in der Schublade, obgleich, wie Trampe betont, vom Kreis Druck gemacht worden sei.
Begründet wurde die Nichtbearbeitung der Unterlagen von der Behörde und dem Verkehrsministerium in Kiel damals damit, dass die Küstenautobahn A20 und der Ausbau der 300 Kilovolt-Hochspannungstrassen Vorrang gehabt hätten. Die K22 müsse warten. Erst nach mehrmaligem Drängen des Kreises wurde eine Entscheidung für Herbst 2013 in Aussicht gestellt. Das sorgte für Aufatmen im Kreis – bis jetzt.
Personalwechsel bei der Bahn verzögerten Projekt
„Das schlimmste sind die ständigen Personalwechsel gewesen“, sagt Torneschs Bürgermeister Roland Krügel, der das Projekt praktisch seit Anbeginn begleitet. Die Personalwechsel hätten allen Beteiligten im Kreis Pinneberg unnötige Mehrarbeit beschert. Mehrere Detailfragen, die schon längst als abgearbeitet galten, hätten laut der Kreisverwaltung wieder aufgerollt und geklärt werden müssen, weil die neuen Ansprechpartner sich erst einmal in die Materie einarbeiten mussten.
Hinzu kamen Querelen mit der Deutschen Bahn. Damit die Kreisstraße22 gebaut werden kann, muss der Kreis eine Einigung mit der Deutschen Bahn dahingehend erzielen, wie die Kreuzung der Bahntrasse, die von Hamburg nach Kiel führt, künftig gestaltet werden kann. Zwei Optionen gab es: eine zweigleisige oder eine drei- oder viergleisige Bahnunterführung – und das war bislang der Knackpunkt.
„Obwohl die Gespräche mit der Bahn stets sehr zäh und langwierig waren, hatten wir im Jahre 2011 einen relativ guten Verhandlungsstand erreicht. Beide Seiten strebten den alsbaldigen Abschluss der Eisenbahnkreuzungsvereinbarung an“, so Zisack. Die Bahn sei von Anfang an, obgleich es immer wieder neue Bahn-Ansprechpartner gab, in die Planungen des Kreises eingebunden gewesen. Und sie hätte signalisiert, dass sie die Maßnahme mittragen werde.
2012 wurde Projekt grundsätzlich infrage gestellt
Das änderte sich mit einem weiteren Mitarbeiterwechsel bei der Deutschen Bahn Mitte 2012 nochmals grundlegend. „Das Projekt wurde nunmehr vom Grundsatz her in Frage gestellt“, erklärt Zisack.
„Wir hatten von der Bahn die verbindliche Aussage, dass für den Trog viergleisig geplant werden soll, auch wenn vorerst nur zwei Gleise drüber führen würden“, sagt Krügel. Die Bahntrasse sei ohnehin überlastet, und es sei sinnvoll, sich Optionen im Schienennetz für ein drittes oder viertes Gleis nach Kiel offen zu halten. „Das sah die Bahn eine Zeitlang anders, und wollte dann nur einen Tunnel für eine zweigleisige Strecke bauen. Wenn dann doch einmal vier Gleise kommen sollten, müsste der Tunnel aber wieder komplett überarbeitet werden. Das kostet Unmengen“, sagt Krügel.
Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis kontert: „Es gibt derzeit keine Planungen für ein drittes oder viertes Gleis in den Unterlagen des Bundesverkehrswegeplanes. Daher sehen wir auch keine Notwendigkeit für ein drei- oder mehrgleisiges Brückenbauwerk“, sagt Meyer-Lovis. Das bedeutet, dass eine Einigung und damit ein Baubeginn nur dann greifbar nah ist, wenn der Kreis mit den derzeit bestehenden zwei Bahngleisen auf der Trasse plant und die größere Tunnelvariante aufgibt. Die Verhandlungen laufen.
„Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird der Kreis gemäß Eisenbahnkreuzungsgesetz beim Bundesverkehrsministerium eine Anordnung im Kreuzungsrechtsverfahren beantragen“, kündigt Zisack an. Das bedeute im Klartext, so Kreissprecher Marc Trampe, dass das Bundesministerium als oberster Dienstherr der Bahn befehlen könne, das Tunnelbauwerk zu errichten. Wenn die Bahn sich dann weigere, könne der Kreis den Tunnel auf eigene Faust bauen und der Bahn die anteiligen Kosten in Rechnung stellen. Dies immer unter dem Vorbehalt, dass keine gütliche Einigung zwischen Kreis und Bahn erreicht wird.
Fristen könnten verstreichen, damit gehen Mittel verloren
„Das Problem hierbei wäre, dass die Bahn dagegen klagen könnte“, sagt Trampe. Das würde dann weitere Verzögerungen nach sich ziehen. Dann könnte der Kreis den angesetzten Bautermin nicht einhalten und damit auch nicht den Fertigstellungstermin 2019. Das könnte wiederum zur Folge haben, dass der Kreis für die K22 dann einen Großteil der Kosten von 30,3 Millionen Euro tragen müsste, weil die zeitlichen Kriterien für die Förderung des Projektes nicht mehr eingehalten würden.
Das Problem für den Kreis: Er kann ohne eine Einwilligung der Stadt Tornesch nicht aus dem Vertrag aussteigen. Und die beharrt auf der K22. Kreissprecher Trampe: „Wenn das Projekt scheitert, dann ist die Bahn daran schuld, es liegt nicht am Kreis. Das muss so deutlich gesagt werden. Wir haben unser Möglichstes getan.“
Die Tornescher Interessengemeinschaft Südtangente geht angesichts dieser Sachlage davon aus, dass der Kreis selbst nicht mehr damit rechnet, dass noch rechtzeitig eine Einigung mit der Bahn erzielt wird. Sollte sie kommen, dann wohl mit enormer Zeitverzögerung. Die Interessengemeinschaft, die seit Jahren gegen die mitten durch den Tornescher Stadtteil Esingen führende Trasse kämpft, geht davon aus, dass das Projekt womöglich gescheitert ist.
Dass es soweit kommen wird, das glaubt Torneschs Bürgermeister Roland Krügel aber nicht. „Ich bin sicher, dass wir das alles ordentlich zu Ende bringen werden und schon bald eine Einigung mit der Bahn erzielt wird.“
Auch die Förderungsspanne sieht Krügel nicht als Problem an. Die Mittel stünden bereit, und wenn nötig, würde die Förderperiode bestimmt auch verlängert werden, glaubt der Bürgermeister, „damit das Projekt endlich zu Ende gebracht wird“.