Ein Rellinger Bestatter bietet eine ganz neue Form der Feuerbestattung an. Aus der Asche des Toten wächst ein Baum. Mit dem „Tree of Life“ gibt es nun eine Möglichkeit, den Friedhof legal zu umgehen.
Rellingen. Nach dem Tod in den ewigen Kreislauf des Lebens eingehen, und zwar in Form eines Baumes. Das ist die Idee von „Tree of Life“, einer neuen Form der Naturbestattung. Die Asche des Toten geht über die Wurzeln in die Kraft eines Baumes über. Für viele scheint dies eine tröstliche Vorstellung zu sein. Das Rellinger Bestattungsunternehmen Vieweg bietet seit einem Monat diese Form der Beisetzung exklusiv in den Kreisen Pinneberg, Steinburg, Dithmarschen und in Hamburg an. „Wir sind Partner der Feuerbestattungen Perleberg in Brandenburg, von denen die Idee stammt“, sagt Jörg Vieweg, der seit zehn Jahren das Familienunternehmen führt.
In der Branche geht man von jährlich 10.000 bis 12.000 Menschen aus, welche die Asche ihrer Liebsten mit nach Hause nehmen möchten. Das verstößt in Deutschland gegen den Friedhofszwang. „Also bringen einige die Urne über die Grenze nach Holland oder in die Schweiz und anschließend wieder zurück, um die Vorschrift zu umgehen“, sagt Vieweg. „Das ist illegal und für die Angehörigen emotional belastend, da sie niemanden erzählen dürfen, dass sie in Besitz der Urne sind.“ Wer erwischt wird, dem drohen ein Bußgeld und die Zwangsbestattung der Urne. Mit dem „Tree of Life“, dem Baum des Lebens, gibt es nun eine Möglichkeit, den Friedhof legal zu umgehen.
Der Hinterbliebene wählt zwischen Ahorn, Birke, serbischer Fichte und Douglasie. Auf Wunsch kann es auch eine andere Baumart sein. Nach der Einäscherung wird die Urne einer zertifizierten Baumschule in Holland oder der Schweiz übergeben. Dort wird die Urne unter notarieller Aufsicht geöffnet. Was in Deutschland unter die Störung der Totenruhe fällt, ist in diesen Ländern gesetzeskonform. Die Asche des Verstorbenen wird dann schrittweise in eine speziell entwickelte Vitalerde mit einem Substratgemisch eingebracht. Hinzu kommt ein wasserbindendes Granulat. Die Angehörigen können einen persönlichen Gegenstand wie etwa einen Engel oder ein Herz zum Baum mitgeben. Mit einem hitzebeständigen Schamottstein in der Aschekapsel werden Verwechslungen ausgeschlossen.
In der Obhut der Baumschulgärtner kann der Setzling durchwurzeln und anwachsen. Nach einem halben Jahr ist der Baum anderthalb bis zwei Meter groß und wird an den Bestatter ausgeliefert und inklusive einer beglaubigten Beisetzungsbestättigung den Angehörigen übergeben. Im Frühjahr oder Herbst kann der Baum, in dem der Verstorbene „weiterlebt“, an dessen Lieblingsplatz, im eigenen Garten oder der freien Natur einpflanzt werden. Die Kosten liegen bei 1400 Euro. Wer keinen Platz hat, kann künftig den Baum auch im „Garten der Erinnerung“ einpflanzen lassen, was inklusive Pflege und Namensband noch einmal 600 Euro kostet. „Friedhöfe sind kulturhistorisch gewachsen und wichtig“, sagt Vieweg. Doch nicht jeder möchte dort auch seine letzte Ruhestätte finden. Einigen gefällt der Gedanke, umgeben von Natur zu sein, befreit von allen Regeln und Vorschriften der Grabpflege. Und immerhin 65 Prozent wählen aus religiösen, finanziellen oder zeitlichen Gründen eine Urnenbestattung. Tendenz steigend.
Das zeigt auch der Trend hin zu Friedwäldern, Ruheforsten, Baumbestattungen und ähnlichem. Vieweg versteht „Tree of Life“ als Zusatzangebot. „Jeder Mensch ist auch in seiner Trauer individuell“, sagt Vieweg. „Wir haben den Anspruch, ihnen verschiedene Möglichkeiten der Beerdigung aufzuzeigen, traditionelle und moderne.“ Und manchem Angehörigen spendet die Ruhe eines Waldes oder einer Wiese Trost und Kraft.