In Uetersen bricht am Sonnabend, 19. Oktober, das Clubfieber aus. Bei der sechsten Hafennacht spielen neun Bands live an sechs unterschiedlichen Locations. Die Veranstalter rechnen mit etwa 1000 Besuchern.

Uetersen. Die Wände verschwinden hinter Festivalplakaten. Eine Handvoll Kabel, eine Bierkiste, ein paar gut gekühlte Flaschen Fritzz-Cola, Scheinwerfer und das für die meisten Rockmusiker unverzichtbare Probenraum-Requisit, ein stabil gepolstertes Ecksofa, führen eine friedliche Koexistenz auf der mausgrauen Auslegeware. Ein schmaler Radiator vertreibt erfolgreich die Herbstkälte. Über allem thront ein leistungsstarkes Mischpult. Und jenseits der massiven Glasscheibe grüßen aus dem bandeigenen Tonstudio die lässigen Insignien einer erfolgreichen Formation: Drumset, Mikrofone, Bässe und E-Gitarren.

In diesem coolen Biotop entsteht Heavy Metal. Unter dem Namen Jackbox haben sich Andreas Pelzer, Jörg „Josh“ Holstein, Stefan Kirch, Rainer Holstein und Ingo Kahland mit eigenen Titeln und lebendigen Livekonzerten ein solides Renommée in der Region erspielt. Seit ihrer Gründung 1986 sind sie – in wechselnden Besetzungen – ihrem Stil treu geblieben. Sie komponieren, texten und spielen melodiösen Hardrock. „Wir passen in keine Schublade. Jackbox klingt einfach wie Jackbox“, sagt Lead-Gitarrist Andreas Pelzer.

Wie gut der erdige Sound ankommt, belegt die wachsende Zahl von Einladungen zu Festivals. 2013 rockte Jackbox, abgeleitet von „Jack in the box“, unter anderem bei der Kieler Woche, beim Bulltown Festival, Glam’n’Sleaze, Langeln Open Air, Rock dat Moor und dem Hafenfest Wedel.

Jetzt stehen die Fünf an vorderster Front, um ein Festival wiederzubeleben, das in Uetersen zu Beginn des Jahrtausends Kultstatus hatte und bis zu 1000 Zuschauer anlockte: Am Sonnabend, 19. Oktober, spielt die Formation als eine von neun Bands bei der sechsten Uetersener Hafennacht. Wie bei der Erstauflage können die Besucher mit dem „Klabauterbus“ nach Lust und Laune zwischen sechs Locations wechseln, an denen sehr unterschiedlich ausgerichtete Formationen zwischen Jazz, Folk und härtestem Metal auftreten. Gemeinsam ist allen Bands nur eins: Sie spielen live. Ursprünglich hatten Rüdiger Tarp, Chef des Uetersener Live-Clubs Taps und Jörg Zydziak vom örtlichen Gitarrenhaus Stage Guitar, die Hafennacht. Damit wollten sie die Aufmerksamkeit auf alternative Entwicklungsmöglichkeiten für ein Areal am Stichhafen lenken. Tarp ist diesmal nicht mit im Boot, dafür steht Jackbox-Leadsänger Josh Holstein Zydziak zur Seite. „Es wird Zeit, dass Uetersen wieder Rock City wird. Nur das Taps macht hier noch Livemusik“, sagt Zydziak. Zwar blühe die Open-Air-Festivalszene auf. Doch Läden, die Bands regelmäßig Bühnen böten, gebe es in der gesamten Region kaum noch. „Pinneberg und Wedel sind tot, Elmshorn stirbt auch aus.“

„Die Hafennächte waren super gut besucht“, sagt Zydziak. „Viele Leute haben uns angesprochen, ob wir das nicht wiederholen könnten.“ Tarp spendierte die Rechte am Veranstaltungsnamen, Zydziak und Holstein mobilisierten ihr Netzwerk, buchten Bands, Bühnen, Sponsoren. „Das ist echt viel Arbeit, aber eben auch Kult.“

Selbst die teilnehmenden Musiker schätzen den breiten Stilmix und die Clubatmosphäre des Festivals. „Man kann mal reinhören und einfach weiterziehen, wenn’s nicht so passt“, sagt Jackbox-Bassist und –Sänger Stefan Kirch. „Außerdem trifft man Leute, die man seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat.“

Zu den großen Zielen der Band gehört ein Auftritt im Metal-Mekka Wacken. „Das wäre eine ziemlich große Kerbe im Coltgriff“, sagt Josh Holstein. Schlagzeuger Ingo Kahland ist vor vielen Jahren bereits dort aufgetreten, allerdings nicht mit Jackbox, sondern mit anderen Bands. Da überrascht Bassist Kirch mit einem eher bürgerlichen Bekenntnis. Als Zuschauer sei er kein großer Fan von Open-Air-Festivals: „Zu viel Gewusel, zu schlechtes Wetter“, sagt der IT-Kommunikationstechniker. Wie bitte – wo bleibt denn da die Begeisterung für das wilde Leben? Sex, Drugs and Rock’n’Roll? Pelzer lacht. „Ja, Rocker sind auch nur Spießer. Die sind ziemlich konservativ“, sagt er. „Wir haben fast alle Frau, Kinder und bürgerliche Berufe.“

Aber zweimal pro Woche wird geprobt, unter professionellen Studiobedingungen – also mit Kopfhörern. „Die Musik ist uns wichtig, wir wollen nicht nur laut sein“, sagt Pelzer. Er gibt den meisten Stücken den letzten Schliff. Entwickelt werden sie aber gemeinsam. Noten brauchen die Musiker, die sich ihr Handwerk im wesentlichen selbst beigebracht haben, nicht. „Nach so vielen Jahren wissen wir einfach, was der andere gerade denkt. Man entwickelt ein Gespür für die richtigen Töne.“ Gespielt wird auswendig.

Gerade haben sie ihre erste Filmmusik „Alien Invasion“ als Titelsong eines Science-Fiction-Streifen des jungen Münchner Filmemachers Thomas Zeug eingespielt. Und wenn es gut läuft, bringen sie in absehbarer Zeit ihre erste Rockoper „TV – A Rock Opera“ auf die Bühne. Das Plakat hängt jedenfalls schon im Probenraum. „Das Konzept und der Großteil der Musik ist fertig“, sagt Pelzer. „Ein Song, die Dialoge und ein paar Musikpassagen müssen noch aufgenommen werden.“