Meine Firma: Der Abwasserzweckverband betreibt in Hetlingen ein Klärwerk und reinigt das Abwasser von 480.000 Menschen.
An der Einfahrt zum Betriebsgelände des Abwasserzweckverbandes Südholstein (AZV) empfängt Volker Wilstermann in einem kleinen Schrankenhäuschen die Mitarbeiter, Lieferanten und Besucher des Unternehmens in Hetlingen. Mehr als 500 Mal am Tag lässt er die Schranke hoch- und die Autos einfahren. Ein Tanklaster rollt heran, beladen mit industriellem Abwasser. Der Fahrer gibt eine kleine Flasche ab: Eine Probe der Ladung. "Muss ja alles seine Ordnung haben", sagt Wilstermann, nimmt die Probe in Empfang, kontrolliert die Papiere und lässt den Tanklaster passieren. Mit der Ordnung gibt es für gewöhnlich keine Probleme. "Wir müssen natürlich kontrollieren, wer rein und raus fährt. Ist aber alles nicht so abenteuerlich, wie es vielleicht aussieht", sagt Wilstermann. "Schließlich sind wir ein Klärwerk und keine geheime Einrichtung."
253 Mitarbeiter kümmern sich beim AZV um saubere Gewässer und eine sichere Abwasserentsorgung. Und natürlich um die Reinigung des Abwassers von 480 000 Menschen im Kreis Pinneberg, in Teilen der Kreise Segeberg und Steinburg sowie in den nordwestlichen Stadtteilen Hamburgs. Außerdem kontrollieren die Mitarbeiter die Abwasseranlagen von Gewerbe- und Industriebetrieben in der Region. 1000 Liter Wasser kommen pro Sekunde im Klärwerk an. Im Jahr sind das mehr als 30 Millionen Liter Abwasser. Circa zwei Tage dauert es, bis das Wasser durch alle Reinigungsstufen im Klärwerk geflossen ist. Anschließend kann man es zwar noch nicht trinken, das Wasser ist dann aber so sauber, dass es der Umwelt nicht mehr schadet. Logisch, dass der Umweltschutz für das Unternehmen sehr wichtig ist. Dabei geht es um die gesetzlichen Vorgaben, die Reinheit des Wassers und um Energiesparen. Schließlich braucht das Klärwerk im Jahr in etwa so viel Strom wie eine Kleinstadt. 70 Prozent des benötigten Stroms erzeugt der AZV aber selbst. Im betriebseigenen Blockheizkraftwerk wird Faulgas in Wärme und Strom verwandelt. Auf dem Gelände gibt es zwei Solaranlagen.
Das Klärwerk ist rund um die Uhr besetzt, die Mitarbeiter arbeiten in drei Schichten. Verantwortlich für den Klärwerksbetrieb ist Julia Weilbeer. Die Geschäftsbereichsleiterin der Produktion ist seit 2004 im Unternehmen. Jeden Morgen kontrolliert sie als erstes die aktuellen Reinigungswerte. "Wir nehmen Wasserproben in allen Reinigungsstufen. Ich schaue mir die Laborwerte an und analysiere mögliche Schwankungen in der Reinigungsqualität. Je nach Sachlage müssen wir dann gegensteuern", sagt die Wasserbauingenieurin. "Alle Prozesse in einem Klärwerk müssen ständig an die tatsächliche Nutzung angepasst werden." Das gilt auch für die künftige Entwicklung des Klärwerks: Bei allen Planungen müssen die Auswirkungen des demografischen Wandels, des sich verändernden Klimas und die neuesten technischen Entwicklungen mit berücksichtigt werden. Auch privat achtet sie darauf, dass mit dem Wasser sorgsam umgegangen wird. Speise- oder Medikamentenreste landen bei ihr niemals in der Toilette. Schadstoffe, die so ins Wasser kommen, lassen sich nur schwer wieder herauslösen. "Sauberes Wasser ist nicht so selbstverständlich, wie alle immer glauben." Manchmal wünscht sie sich etwas mehr Wertschätzung für ihre Branche. "Viele Menschen finden Abwasser eben eklig. Die möchten auch nicht genau wissen, was damit passiert", sagt sie. Dabei leisteten Unternehmen wie der AZV einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz.
Der AZV engagiert sich auch in der Umweltbildung und wurde dafür 2009 und 2012 von der Unesco ausgezeichnet. Zuständig für die pädagogische Arbeit ist Ute Hagmaier, Referentin für Umwelt und Bildung. Seit acht Jahren ist sie bereits beim AZV. Vor allem Kindern und Jugendlichen will sie einen Zugang zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit vermitteln. "Bei uns kann man Umweltschutz hautnah erleben und selbst aktiv werden." Bis zu 50 Führungen organisiert sie jedes Jahr für Schulklassen, Kindergartengruppen, Studenten und Erwachsene.
Auch Katja Oesterling hat häufig Besuchergruppen zu Gast. Sie arbeitet im Labor. Gemeinsam mit ihren fünf Kolleginnen kontrolliert die Chemielaborantin die Schlamm- und Wasserproben aus dem laufenden Reinigungsprozess. Auch die Probe vom Tanklaster am Eingang ist im Labor gelandet. Nun ist Oesterling an der Reihe und homogenisiert, destilliert, titriert und pipettiert - um sicherzustellen, dass die Proben nur enthalten, was angegeben wurde. Die Stimmung im Labor ist gut, auch wenn man sehr unter sich ist. Wer ins Labor will, muss ziemlich weit über das Gelände laufen. Deswegen trifft man Oesterling und ihre Kolleginnen mittags selten in der Kantine. Dort schmiert Susanne Phillipp-Jensen morgens bis zu 70 Brötchen und kocht 100 Liter Kaffee. "Das Essen ist sehr gut", sagt Volker Wilstermann. Mittags wird er abgelöst, damit er in die Kantine gehen kann. "Muss ja alles seine Ordnung haben."