Fünf der acht Familienmitglieder stehen vor der Ausweisung in den Libanon. Eine Welle der Hilfsbereitschaft ist angelaufen.
Elmshorn. Die Familie Chafi steht vor einer Zerreißprobe. Fünf der acht Familienmitglieder sollen in den Libanon ausgewiesen werden, die drei ältesten Kinder dürfen dagegen bleiben. "Die Stimmung in der Familie ist sehr schlecht", sagt Abdul Kader Chafi. Sein jüngster, sechs Jahre alter Sohn sei zuletzt um zwei Uhr nachts aufgewacht, habe zwei Stunden geweint und gesagt, dass er Angst vor einer Abholung durch die Polizei habe. "Wir haben versucht, die Sache vor den Kindern zu verbergen. Aber das hat nicht geklappt."
Bereits am 13. September sollten sich die Chafis bei der Ausländerbehörde des Kreises melden, um die Ausreisemodalitäten zu besprechen. Nach 18 Jahren in Deutschland sollten Nadia und Abdul Kader Chafi sowie die drei minderjährigen Kinder im Alter von sechs, zehn und zwölf Jahren in ein Land ausreisen, das vom Bürgerkrieg erschüttert wird und für das eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. In ein Land, aus dem die Familie 1994 geflüchtet war.
Die Chafis sind Sunniten und waren vor den Übergriffen der syrischen Armee, die bis 2005 Teile des Libanons besetzt hielt, nach Deutschland geflohen. "Ich habe in Syrien keine berufliche Perspektive und kann meiner Familie keine Bildungschancen bieten. Auch deshalb habe ich alles getan, damit meine Kinder hier aufwachsen können", sagt Chafi. Seine Kinder seien hier erfolgreich und in Schule und Sportverein gut integriert. "Niemand kann dort nachvollziehen, weshalb sie nach so langer Zeit nicht bleiben dürfen."
Die Familie stellte in Deutschland mehrere Asylanträge. Alle wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. "Mein Name stand auf einer Liste. Wäre ich zu der Zeit nach Syrien eingereist, wäre ich festgenommen worden", sagt der Familienvater. Trotz der abgelehnten Anträge konnte die Familie in Deutschland bleiben, weil sie keine Ausweispapiere besaß und daher nicht abgeschoben werden konnte. Erst voriges Jahr gelang es der Familie, entsprechende Dokumente bei der libanesischen Botschaft zu beschaffen.
Inzwischen hat sich die Familie in Deutschland integriert. So gut sogar, dass die Härtefallkommission im vorigen Jahr den drei älteren Kinder der Familie - zwei Söhne sind 22 und 24 Jahre, eine Tochter 18 Jahre alt - ein Bleiberecht bewilligt hat. Die beiden Söhne haben in Deutschland Abitur gemacht und studieren hier. Die Tochter besucht derzeit den Abiturjahrgang der Bismarckschule. Ihnen soll jetzt zugemutet werden, künftig ohne Eltern und ohne ihre kleinen Geschwister zu leben.
Einen Antrag, auch für die übrigen fünf Familienmitglieder ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren, lehnte die Härtefallkommission ab. Abdul Kader Chafi kann das nicht verstehen. Er arbeitet inzwischen als Buchbinder, nachdem er vor einem Jahr eine Arbeitserlaubnis erhielt. Zuvor war sieben Jahre lang ehrenamtlich für die "Frischlinge" tätig, um etwas zu tun zu haben. Seine Firma wolle ihn unbefristet einstellen, sagt Chafi weiter. Seine Frau besuche weiterhin einen eigenfinanzierten Sprachkursus und stehe kurz vor der Zertifikatsprüfung Deutsch. Zudem leide seine zwölfjährige Tochter an Epilepsie, ihre erfolgreiche Behandlung könne im Libanon nicht fortgesetzt werden. "Dort gibt es keine Krankenversicherung. Ohne Einkommen wird es unmöglich sein, die Medikamente zu bekommen, um sie behandeln zu können", sagt Abdul Chafi.
Ludger Fischer vom Diakonieverein Migration unterstützt die Familie und hat jetzt einen auf Ausländerrecht spezialisierten Anwalt eingeschaltet. "Wir werden einen neuen Antrag stellen, damit die Chafis bleiben können." Er findet es "völlig inhuman, eine Familie auseinander zu reißen". Fischer argumentiert, dass sich die Situation im Bürgerkriegsland Libanon im vergangenen Jahr wieder erheblich verschlimmert habe. Zudem sei das Ausmaß der Erkrankung der zwölfjährigen Tochter erst seit Sommer bekannt. Beide Faktoren müssten bei einer erneuten Entscheidung miteinbezogen werden.
Der Fall Chafi hat inzwischen die politische Ebene erreicht. Politiker mehrerer Parteien haben für die Familie Partei ergriffen. Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek hat sogar Innenminister Andreas Breitner eingeschaltet.
Das Bundesamt für Migration argumentiert, die Familie habe es jahrelang unterlassen, sich um Pässe zu bemühen und sich so den Aufenthalt in Deutschland gesichert. Daher könne die Familie nicht mit der vorbildlichen Integration in diesem Land argumentieren.