Der “Deutsche Lernatlas 2011“ sieht Pinneberg nur auf Platz 110 - junge Menschen sind perspektivlos, die Bürger engagieren sich zu wenig

Kreis Pinneberg. Zumindest bei den Investitionen in Schulen lassen sich die Städte und Gemeinden im Kreis nicht lumpen: Halstenbek klotzte für 13,8 Millionen Euro eine neue Grund- und Gemeinschaftsschule hin, Elmshorn steckt in sein neues Schulzentrum sogar 36 Millionen Euro und Quickborn investiert ganze 40 Millionen Euro in ein neues Gymnasium, zwei Sporthallen und in die Erweiterung des Schulzentrums. Dass sich mit Geld für prachtvolle Bauprojekte nicht automatisch die Qualität von Bildung verbessert, müssen Bürger im Kreis nun schmerzlich erfahren. In einer neuen aufwendigen Studie der Bertelsmannstiftung, dem "Deutschen Lernatlas 2011" die untersuchte, wie es ums Lernen in ganz Deutschland bestellt ist, rangiert Pinneberg nur auf Platz 110 von 144 vergleichbaren Kreisen und zieht damit sogar die schleswig-holsteinische Landeswertung nach unten.

Es kommt noch schmerzlicher: In der Hamburger Metropolregion landete der Kreis sogar auf dem zweitletzten Platz. Nur in Stade sind die Bildungsbedingungen noch schlechter. Die Stiftung untersuchte nicht die Ausstattung von Schulen, von Sporthalle bis Physikraum, sondern 38 Indikatoren - von der Zahl junger Leute ohne Hauptschulabschluss bis zum Besuch von Bibliotheken - die laut Wissenschaftler alle Einfluss auf die individuellen Lern- und Bildungsbedingungen haben.

Das wenig schmeichelhafte Ergebnis für den Kreis resultiert aus vier Dimensionen (schulisches, berufliches, soziales und persönliches Lernen), die im jeweiligen Anteil unterschiedlich stark in die Gesamtwertung fließen. Deutschlandweit gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Während der Norden, aber vor allem der Osten schwach abschneidet, strotzt der Süden der Republik mit guten Daten. Und so liegt Pinnebergs Vorbild ganz im Süden der Republik- es ist der Landkreis Würzburg, der ebenfalls im "verdichteten Umland" liegt.

Dort stimmt scheinbar alles: niedrige Arbeitslosigkeit, ein Drittel der Menschen von 25 bis 34 Jahren haben eine Hochschulabschluss und sogar die Wahlbeteiligung liegt bei fast 80 Prozent. Zumindest bei der Wahlbeteiligung schneidet der Kreis Pinneberg mit 75,6 Prozent Wahlbeteiligung gut ab - in der Masse ist er aber weit vom Würzburger Vorbild entfernt - meilenweit.

Beispiel "Soziales Lernen": Mit einem Indexwert von 45,70 rutscht der Kreis in dieser Einzeldimension noch einmal 4 Plätze ab, erreicht nur Platz 114. Nur 1,7 Prozent der Menschen setzen sich hier beispielsweise für Senioren ein, deutschlandweit sind es 3,76 Prozent. In der Kinder- und Jugendarbeit sind lediglich 6,8 Prozent der Menschen im Kreis engagiert - landesweit sind es 10,1 Prozent.

Ein wenig besser werden die Bildungsleistungen im klassischen Schulbereich bewertet. Überraschend positiv ist hier der Anteil der Klassenwiederholer. Im Kreis sind es nur 1,64 Prozent der Schüler, auf Bundesebene sind es fast doppelt so viele. Allerdings können Schüler im Land gar nicht offiziell sitzen bleiben. Wiederholen ist stets freiwillig. Da dieser Indikator aber prozentuell ein großes Gewicht in der Dimension "Schulisches Lernen" hat, gleicht er schlechte Leistungen wie bei der Lesekompetenz in Deutsch und Englisch wieder aus.

Im guten Mittelfeld steht der Kreis bei der Quote von Schulabbrechern, die die Schulbank sogar ohne Hauptschulabschluss verlassen: Es sind hier 5,9 Prozent. Insgesamt rangiert der Kreis in dieser zentralen Kategorie auf Rang 97. Obgleich dies besser ist, als in der Gesamtbewertung, ist für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Grund genug, auf die Bildungsprobleme hinzuweisen. "Für mich sind die Zahlen ein Ergebnis der verfehlten Personalpolitik des Landes", sagt GEW-Kreisvorsitzende Birgit Pausmer dem Abendblatt. In Grund- und Regionalschulen sei Personal gekürzt worden. Programme, die Schwächen wie Mathematik und Lesen zu stärken machen sollten, seien zusammengestrichen worden. "Wir sehen, dass das Land bei Bildung erheblichen Verbesserungsbedarf hat, wenn wir niemanden zurücklassen wollen", so Pausmer.

Der Landeselternbeirat sieht in den Ergebnisse der Studie ein Grund zur Sorge: "Auch wenn es offiziell gebetsmühlenartig wiederholt wird, die Lage an den Schulen ist schlecht", heißt es in einer Pressemitteilung. Doch auch im Kreis Pinneberg ist nicht alles schlecht: In der Kategorie "Persönliches Lernen", die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten vor allem im kulturellen Bereich beschreibt, kann Pinneberg bei Indikatoren wie dem Besuch von Theater- und Konzerten punkten. Mit 1,68 Besuchen je Haushalt erreicht der Kreis einen hervorragenden vierten Platz. Auch bei der "Neigung zum Bücherlesen" und der "Nutzung von Bibliotheken" kommt der Kreis auf gute Werte. In der letzten und einer zentralen Kategorie, das "Berufliche Lernen", schneidet der Kreis ebenfalls nur mittelmäßig ab: So gibt es überdurchschnittlich viele junge Menschen ohne Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, die Eingliederungszeit nach beruflicher Weiterbildung ist ebenfalls überdurchschnittlich lang. Mit Platz 12 unter den vergleichbaren Kreisen bei "Erfolg beim Abschluss der Berufsausbildung" holt der Kreis auf.

"Natürlich freut es nicht, dass der Kreis insgesamt so schlecht abschneidet. Aber wir sind permanent bemüht, die Bedingungen von Bildung zu verbessern", sagte Marc Trampe, Sprecher des Kreises Pinneberg. Um die Lernbedingungen in der Berufsschule zu verbessern, steht nun eine Sanierung der Schule an. Um gesellschaftliches Engagement zu fördern, ist der Kreispräsident und der Landrat auf Ehrenamtsmessen unterwegs", sagt Trampe.