Der Chef hatte aus Angst vor Spionage gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Kiel entschied jetzt: Der Rausschmiss ist sittenwidrig.
Kiel. Die Kündigung des Hamburger Diplom-Ingenieurs Maik B., der wegen seiner Hochzeit mit einer Chinesin entlassen worden war, ist sittenwidrig. Der Arbeitgeber, die Rellinger Firma Autoflug, hatte B. nach der Hochzeit gefeuert, weil die Firma wegen der familiären Beziehungen nach China Angst vor Industriespionage hatte. Dies ist nach einem jetzt veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Kiel nicht zulässig, auch weil der Arbeitgeber von der Beziehung jahrelang gewusst und sie nicht als sicherheitsrelevant eingeordnet hatte (3 Sa 95/11).
Die Kündigung verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, hieß es. Das LAG hob damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Elmshorn auf, dass die Klage von Maik B. abgewiesen hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Allerdings wurde das Arbeitsverhältnis inzwischen offenbar auf Antrag des Klägers gegen eine Abfindung aufgelöst.
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Nach der Hochzeit kam die Kündigung
Hat die Rellinger Firma Autoflug einem Mitarbeiter gekündigt, weil dieser eine chinesische Ehefrau hat? Auf diese Frage spitzt sich eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Hamburger Maik B., 47, und seinem bisherigen Arbeitgeber Autoflug GmbH zu. Der Ingenieur wurde am 5. März auf Anordnung der Geschäftsleitung mit sofortiger Wirkung beurlaubt, weil er wegen seiner familiären Situation ein Sicherheitsrisiko darstelle. Dem faktischen Rauswurf folgte am 21. Juni eine fristgerechte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des Monats September.
Gütetermin findet am 3. August vor dem Elmshorner Arbeitsgericht statt
"Man will mich wohl geräuschlos entsorgen. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen", sagt Maik B., der den Verlust seines Arbeitsplatzes nicht hinnehmen will. Auch der Betriebsrat legte Widerspruch gegen den Rausschmiss ein. Über seinen Anwalt strengte der geschasste Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage an. Ein Gütetermin soll am 3. August vor dem Elmshorner Arbeitsgericht stattfinden.
Zur Vorgeschichte: Maik B. ist bereits seit vier Jahren - zunächst als Leiharbeitskraft - für Autoflug tätig gewesen. Das Unternehmen mit Sitz an der Industriestraße in Rellingen ist unter anderem mit der Herstellung von Schleudersitzen und Rettungssystemen auch im militärischen Sicherheitsbereich tätig. Auftraggeber sind die Bundeswehr und die Streitkräfte anderer Nationen.
Deshalb fragte B. 2007 auch nach, ob es Bedenken gebe, wenn er seine Freundin, die ein minderjähriges Kind hat, in China besuche. Die Sicherheitsbeauftragte von Autoflug hatte wie auch bei späteren Reisen keine Bedenken, wünschte dem Kollegen sogar noch einen schönen Urlaub.
Umso mehr freut sich B., dass ihm Ende vergangenen Jahres zum 1. Februar 2010 eine Übernahme ins Angestelltenverhältnis von Autoflug angeboten wird. Am 28. Dezember heiratet B. seine Freundin Aiwu, die mit ihrer Tochter noch in einer kleinen Stadt bei Hongkong wohnt, später aber nach Deutschland übersiedeln will.
Einen Monat nach der Festanstellung folgt dann der für den Ingenieur völlig unverständliche Kurswechsel. Der Autoflug-Personalchef spricht von einer "schrecklichen Mitteilung", als er B. lediglich mündlich über die Sicherheitsbedenken der Geschäftsleitung informiert. "Durch ihre familiären Kontakte zur Volksrepublik China unterliegen Sie einer besonderen Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche chinesischer Nachrichtendienste", zitiert der Ingenieur den Gesprächsverlauf. Sogar erpressbar könne B. sein, falls man seine Frau und deren Tochter entführe. Die Konsequenz solcher Szenarien wie aus Agentenfilmen der B-Klasse ist die sofortige Beurlaubung. Maik B. kriegt weiterhin Gehalt, muss aber seinen Arbeitsplatz sofort räumen und das Firmengelände verlassen. Erst im Juni wird die formelle Kündigung nachgeschoben.
Arbeitnehmer-Anwalt sieht sogar die Grundrechte verletzt
Aus Sicht seines Anwalts werde mit der Kündigung B.s gegen Grundrechte verstoßen. So seien Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft nach dem Gleichbehandlungsgesetz verboten. IG-Metall-Bevollmächtigter Uwe Zabel sieht im Vorgehen von Autoflug einen Verfassungsbruch.
Von Autoflug wird mit Hinweis auf das laufende Verfahren der "betriebsbedingten Kündigung" eine Stellungnahme abgelehnt.