Die Reaktionen am Tag nach dem plötzlichen Rücktritt von Christian von Boetticher - war es ein “Königsmörder“ aus den eigenen Reihen?
Kreis Pinneberg. Die politischen Schockwellen nach dem plötzlichen Rücktritt des CDU-Hoffnungsträgers und designierten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai 2012 waren am Montag auch in Christian von Boettichers Heimatwahlkreis Pinneberg heftig zu spüren. Betroffenheit, Ernüchterung, Sprachlosigkeit, aber auch Solidarität mit von Boetticher sowie Unverständnis und eine gute Portion Zorn über diesen erzwungenen Abgang - die Spanne der Reaktionen ist breit. Manche zweifeln, ob er nun den Fraktionsvorsitz im Landtag behält.
"Ich finde, er hätte nicht zurücktreten müssen. Ich hätte es an seiner Stelle jedenfalls nicht getan", sagt die Landtagsabgeordnete und Hetlinger Bürgermeisterin Barbara Ostmeier. Er habe nicht gegen Gesetze verstoßen, die Eltern seiner minderjährigen Ex-Freundin seien ja wohl einverstanden gewesen, das sei seine Privatsache. Die Juristin wirft die Frage auf, welche Beziehungen man denn als CDU-Kandidat eingehen dürfe, um als Kandidat nicht fallen gelassen zu werden. "Darüber werden wir sprechen müssen und auch darüber, wie wir in einer solchen Situation miteinander umgehen."
Ähnlich äußert sich Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl. Der CDU-Mann sagt: "Der Rücktritt war zu diesem Zeitpunkt und mit dieser Begründung für mich nicht notwendig." Er sei überzeugt davon: "Das ist nicht der wahre Grund des Rücktritts. Da steckt mehr dahinter." Darüber, warum einige in der CDU offenbar von Boetticher nicht mehr als Kandidaten haben wollten, hätte "offen und ehrlich diskutiert" werden müssen, statt jetzt "diese bigotte Diskussion" zu führen. Auch CDU-Kreistagsabgeordnete Kerstin Seyfert kann es "nicht nachvollziehen, warum er jetzt zurücktreten musste. Das ist seine Privatsache." Und ein anderes Kreistagsmitglied, das seinen Namen lieber nicht nennen möchte, sagt: "So ist das politische Geschäft: schmutzig." Es sei "erbärmlich und heuchlerisch", was aus CDU-Kreisen jetzt zu hören sei über ein Liebesverhältnis, das schon lange bekannt war und seit mehr als einem Jahr beendet ist. Landtagskollege Michael von Abercron, der den CDU-Stadtverband in Elmshorn leitet, warnt davor, "dass die CDU jetzt nicht zum Intriganten-Stadl" verkommt. Der Verdacht liege nahe, dass ein unliebsamer Konkurrent aus den eigenen Reihen abgeschossen werden sollte. "Ich hätte nichts dagegen, wenn von Boetticher Fraktionsvorsitzender bleibt."
Aber es gibt auch andere Meinungen. Ein CDU-Funktionsträger sagt: "Ich habe auch eine minderjährige Tochter und würde es nicht gut finden, wenn die mit einem 40-Jährigen ankommt." Haslohs CDU-Vorsitzende Dagmar Steiner sagt, dass sich ein CDU-Spitzenkandidat "intensiver Kritik" ausgesetzt hätte, auch wenn sein Liebesleben eigentlich "Privatsache" sei.
Wilfried Hans, CDU-Bürgermeister in Prisdorf, findet den Rücktritt von Boettichers "nur konsequent". Das decke sich mit seinem eigenen Anspruch an die moralische Integrität eines Politikers. Wedels CDU-Stadtverbandschef Ulrich Kloevekorn: "Ich bin enttäuscht. Wer sich zu Höherem berufen fühlt, muss sich nicht nur politisch messen lassen. Der Kreis Pinneberg wird in Kiel an Gewicht und Einfluss verlieren."
Rolf Herrmann, CDU-Vorsitzender aus Haselau: "Ich finde so eine Verbindung auch etwas merkwürdig. Aber wer von Boetticher jetzt vorwirft, sich in elitären Hamburger Clubs aufzuhalten, der ist nur sauer darüber, nicht selbst eingeladen worden zu sein."
"Das Privatleben will ich nicht beurteilen. Seine Konsequenzen sind richtig", sagte Michael Reibe, Vorsitzender des Stadtverbandes Uetersen. Manfred Irgens, Chef der Tornescher Christdemokraten ergänzte: "Ein politisches Amt stellt Anforderungen auch ans Wertegefühl. Sein Rückzug ist erschütternd, aber richtig."
Kreispräsident Burkhard E. Tiemann: "Ich bin sicher, dass Christian von Boetticher wiederkommen wird. Aus heutiger Sicht war seine Entscheidung aber ohne Alternative. Sonderbar ist, dass kritikwürdiges Verhalten immer nur von CDU-Politikern unmittelbar vor Wahlen publik wird."
JU-Kreisvorsitzender Nicolas Sölter sagt: "Jeder Mensch hat seine Makel und wir sollten uns nicht dazu erheben, vorschnell über das Privatleben von von Boetticher zu urteilen. Leider ist der Zug wohl schon abgefahren, und es klingt idealistisch, aber ich würde mich freuen, wenn der Wähler und die Partei in Zukunft keinen Heiligen mehr als Spitzenkandidaten verlangen."
Ein ehemaliger Funktionsträger ahnt dagegen: "Das ist ein politisches Desaster mit Barschel-Dimension. Die CDU wird jetzt wieder 16 Jahre außen vor bleiben."