Nicht alle Kunden sind durch EHEC-Berichte verunsichert. Bisher 163 Fälle im Kreis Pinneberg. Der Handel stoppt den Sprossen-Verkauf.

Kreis Pinneberg. Seit Ausbruch der EHEC-Epidemie sind beim Kreisgesundheitsamt 163 bestätigte Fälle gemeldet. Bei 15 Patienten aus dem Kreisgebiet hat sich der Darmkeim zum Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) weiterentwickelt, das zu einem Nierenversagen führt. Diese Zahlen hat am Montagnachmittag der Kreis bekanntgegeben. Landesweit wurden 588 EHEC- und 167 HUS-Fälle registriert.

Während die schweren Fälle in Spezialkliniken außerhalb des Kreises versorgt werden, kümmern sich Ärzte und Schwestern in den Regio-Kliniken aktuell um 70 EHEC-Patienten. In Pinneberg werden 42 Menschen stationär versorgt, in Elmshorn 28. Bei 36 handelt es sich noch um Verdachtsfälle. "Die Zahl der Neuaufnahmen ist rückläufig", erläutert Sebastian Kimstädt, der Sprecher der Klinikgruppe. Es seien ausreichend Kapazitäten vorhanden, die Kranken zu versorgen.

Die Verwirrung um Ursache, Folgen und mögliche Vorbeugung vor der Ansteckung mit dem EHEC-Bakterium verunsichert die Menschen im Kreis Pinneberg. Jetzt werden nicht mehr Gurken, Tomaten und Salat gemieden. Stattdessen dreht sich alles um Sprossen, die der Biohandel sofort aus dem Angebot nahm, auch der herkömmliche Einzelhandel stellt sich um.

"Täglich gibt es Nachfragen. Es herrscht eine regelrechte Panik", sagt Ute Majuntke vom Reformhaus Wulf in Pinneberg. Normalerweise kommt dort zwei Mal pro Woche eine Warenlieferung. Manchmal sind auch Sprossen dabei. Diese sind nun aber nicht mehr im Programm. "Wir werden wegen des EHEC-Problems erst einmal keine Sprossen mehr bestellen", erklärt die Verkäuferin. Auch bei Meyer's Frischemarkt in der Kreisstadt hat sich das Angebot verändert. "Wir bekommen zwar laborgeprüfte Ware, merken aber trotzdem, dass die Kunden weniger kaufen", bestätigt Manuela Krause, die für die Gemüseabteilung zuständig ist. "In unser Salatbar gibt es schon seit einigen Tagen keine Tomaten oder Gurken mehr. Nun haben wir auch die Sprossen gestrichen", ergänzt die Mitarbeiterin. Im Edeka-Markt werde die Sorge bei den Kunden ernst genommen. Man rät zu Tiefkühlgemüse oder dazu, frisches Gemüse zu dünsten.

Es gibt aber auch Kunden, die sich keine Sorgen machen wie Jörg Ganschow und Yvonne Kleeblatt. "Wir essen weiterhin alles", sagen die beiden. Ihrer Meinung nach haben die Betroffenen sich bestimmt nicht alle über ein bestimmtes Gemüse infiziert, sondern eher gegenseitig angesteckt.

Im Pinneberger Chinarestaurant "Asia Pham" wird ohnehin alles gekocht und in heißem Fett gebraten. Deswegen macht sich Betreiber Said Siavoush auch wenig Sorgen. "Ich glaube nicht, dass da noch etwas übrig bleibt. Außerdem ist ja noch nicht klar, ob jetzt wirklich die Sprossen Schuld sind."

Also werden die beliebten Bratnudeln weiterhin mit Sprossen zubereitet. Bei den Kunden merke man die Panik auch kaum. "Weiterhin wird gerne gekauft und gegessen. Sollte sich der Verdacht aber erhärten, werden aber auch wir die Sprossen weglassen. Der Kunde steht schließlich im Mittelpunkt."

Auf dem Demeter-Hof von Wilfried Schümann in Brande-Hörnerkirchen gibt es vorwiegend im Winter die vitaminreichen Sprossen, die jedoch auch seit langem als Krankheitserreger berüchtigt sind. Jetzt steht die frische Ware vom Feld im Blickpunkt. "Wir haben sofort nach dem Bekanntwerden der Probleme unsere Produkte von einem Lebensmittellabor prüfen lassen", sagt Biobauer Schümann. Alles war einwandfrei. "Unsere Kunden fragen natürlich viel, und wir erzählen alles, was wir wissen", sagt Schümann. Er bewirtschaftet seit 1981 mit Familie und Mitarbeitern den Hof nach biologisch-dynamischen Grundsätzen - und zwar ohne Gülle.

Auch beim Ökoservice in Holm, den Marita Laugsch und Sigrid Nagel seit 1995 betreiben, gehören Sprossen nur im Winter zu ihrem Regel-Angebot. "Damit wird der Vitaminbedarf in der dunklen Jahreszeit gut gedeckt. Jetzt gibt es genügend anderes frisches Gemüse", sagt Sigrid Nagel. Alle Händler und Gemüsebauern liefern Zertifikate über einwandfreie Produktion. Das hatte auch der Gemüsebauer und Sprossenproduzent im niedersächsischen Bienenbüttel, der als mögliche Verbreitungsquelle ins Visier der Kontrolleure geraten ist. Ökohändlerin Sigrid Nagel kann es gut nachvollziehen, dass die Sprossen als mögliche Keimquellen infrage kommen. "Sie werden auch über den Großmarkt verkauft - auch die aus Bienenbüttel."

Unterdessen untersucht das Gesundheitsamt, ob auch im Kreis Pinneberg Lieferungen aus dem verdächtigen Betrieb in Bienenbüttel auf dem Markt verkauft worden sind. "Wir gucken, ob es Großhandelsbetriebe gibt, die als Zwischenhändler fungiert haben", erläutert Kreis-Sprecher Marc Trampe. Dafür gebe es derzeit noch keine Anhaltspunkte. Der Kreis habe bisher auch keine Hinweise darauf, dass von Restaurants oder anderen gastronomischen Betrieben im Kreis die verdächtigen Sprossen bezogen und verarbeitet worden sind. "Sollten wir Hinweise darauf bekommen, werden wir sofort tätig", betont Trampe. Allerdings gestalte sich die Recherche als sehr schwierig. Trampe: "Das ist fast so wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen." So würden sich die Sprossen nur selten auf den Speisekarten finden - und die Lieferketten in der Gastronomie seien kaum zu durchschauen.