Insolvenzverwalter Heiko Fialski muss bis Ende April einen Käufer für die Uetersener Harles und Jentzsch GmbH finden. Ansonsten droht dem Unternehmen, das den bundesweiten Dioxin-Skandal auslöste, das Aus
Uetersen. Drei Monate nach dem bundesweiten Dioxin-Skandal wird sich bis Ende April die Zukunft der Uetersener Harles und Jentzsch GmbH entscheiden. Das Unternehmen, das mit Dioxinen verunreinigte Futtermittel verkaufte und damit als Auslöser des Skandals gilt, hatte in dessen Folge Mitte Januar Insolvenz beantragt. Seitdem hat dort der Hamburger Rechtsanwalt Heiko Fialski das Sagen. Er sucht nun einen Investor, der den Betrieb übernimmt. Wird er bis Ende des Monats nicht fündig, gehen vermutlich bei Harles und Jentzsch die Lichter aus.
Ende 2010 hatten Laborproben ergeben, dass Futterfette des Uetersener Unternehmens sowie seines Tochterbetriebes in Bösel (Niedersachsen), die für die Nahrungsmittelproduktion bestimmt waren, zum Teil erheblich mit Dioxin verunreinigt waren. Daraufhin mussten landwirtschaftliche Betriebe in mehreren Bundesländern gesperrt werden, es folgten mit einem Riesenaufwand Untersuchungen. Hunderte von Rückstellproben des Unternehmens wurden auf ihren Dioxingehalt hin begutachtet, bereits ausgelieferte Futtermittel gesperrt und vernichtet. In Einzelfällen konnte der Tierbestand von Betrieben nicht mehr für die Nahrungsmittelindustrie verwendet werden. Der Schaden beläuft sich auf mehrere Millionen Euro - genauer kann er bisher nicht beziffert werden.
Für alle diese Kosten muss Harles und Jentzsch aufkommen. Das Unternehmen, dem der Handel mit Futterfetten für die Nahrungsmittelindustrie weiterhin untersagt ist, hatte daraufhin am 12. Januar vorsorglich Insolvenz angemeldet. Seit Februar ist die Agentur für Arbeit eingesprungen und zahlt die Löhne der 17 Mitarbeiter - elf bei Harles und Jentzsch, sechs bei einer Tochterfirma. Die Drei-Monats-Frist läuft Ende April aus. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass zum 1. Mai das Insolvenzverfahren auch offiziell eröffnet wird. Ab diesem Zeitpunkt müsste das Unternehmen wieder auf eigenen Füßen stehen. Das funktioniert jedoch nur, wenn ein Käufer für die Firma gefunden wird.
Laut Auskunft von Frank Plümer, der als Sprecher des Insolvenzverwalters fungiert, läuft derzeit die Suche nach einem möglichen Investor auf Hochtouren. Bis Ende des Monats gilt die Betriebsfortführung für Harles und Jentzsch als gesichert. Das zweite Standbein des Betriebes, der Verkauf von Fetten und -säuren für die technische Verwendung sowie die Produktion von Natronseife, soll angeblich auch in der Insolvenzphase gewinnbringend weiterlaufen. Dies könnte den Skandal-Betrieb für potenzielle Investoren interessant erscheinen lassen.
Ein Verkauf würde nicht nur eine dauerhafte Fortführung des Betriebs sichern, sondern auch die Insolvenzmasse deutlich erhöhen. Seit Januar haben sich mehrere dutzend Geschädigte bei Insolvenzverwalter Fialski gemeldet und Schadenersatzansprüche angemeldet. Genaue Summen wurden nicht festgelegt, die Ansprüche wurden lediglich dem Grunde nach geltend gemacht. Sobald das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet wird, müssen die Geschädigten Farbe bekennen. Sie werden dann von Fialski schriftlich zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert. Die angemeldeten Forderungen werden in die Insolvenztabelle aufgenommen, geprüft und berechtigte Forderungen anerkannt. Nur die zur Insolvenztabelle anerkannten Forderungen nehmen an einer späteren Verteilung der Insolvenzmasse teil.
Den Gläubigern der Harles und Jentzsch GmbH stehen sämtliche Vermögenswerte der Gesellschaft als Haftungsmasse zur Verfügung. Hierzu gehören auch etwaige Ansprüche der Gesellschaft gegenüber ihrer Geschäftsführung und ihren Gesellschaftern. Sie könnten haftbar gemacht werden, falls ihnen nachgewiesen werden kann, dass sie die verseuchten Futtermittel wissentlich und willentlich zum Verkauf angeboten haben.
Zu diesem Punkt läuft nach wie vor ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Itzehoe. Sie ermittelt gegen den ehemaligen Geschäftsführer Siegfried Sievert sowie weitere Personen wegen des Verdachts des Betruges, der Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz. Am 5. Januar waren mehrere Staatsanwälte sowie Ermittler vom Landeskriminalamt und der Kripo zur Groß-Razzia bei Harles und Jentzsch angerückt. Dabei wurden die Geschäftsunterlagen gleich kartonweise beschlagnahmt. "Die Auswertung läuft nach wie vor", sagt Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. Er weist darauf hin, dass sämtliche Geschäftsunterlagen der vergangenen fünf Jahre sichergestellt worden sind. Sie alle zu überprüfen, wird noch Wochen in Anspruch nehmen. Mit einem Zwischenbericht sei frühestens Ende April zu rechnen. Sollte den Verantwortlichen ein Straftatbestand vorgeworfen werden können, droht ihnen eine Geld- oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.
Eine Entschädigung kann auch aus den Versicherungsleistungen erfolgen. Die Firma Harles und Jentzsch GmbH hat sowohl bei ihrer Betriebshaftpflichtversicherung als auch bei dem Deutschen Verband Tiernahrung einen Schadensfall angezeigt. Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt Personen- und Sachschäden von bis zu zwei Millionen Euro und Vermögensschäden bis zu 100 000 Euro ab. Über die Mitgliedschaft im Deutschen Verband Tiernahrung besteht eine Zusatzversicherung, die die unternehmensindividuelle Haftpflichtversicherung ergänzt und auf Großschäden zugeschnitten ist. Das Volumen dieser Versicherung beläuft sich maximal auf 25 Millionen Euro.