Vor 155 Jahren gründete der Forscher Ludwig Meyn am Klosterdeich in Uetersen eine Fabrik. Viele Eigentümer und Produktionen folgten in der Firmengeschichte
Uetersen. Mit dem Standort des Unternehmens Harles und Jentzsch an der Deichstraße in Uetersen ist eine wechselvolle Geschichte verbunden. Die Produktion von Kunstdüngern sowie Ölen und Fetten für die Tierernährung zieht sich seit mehr als 100 Jahren wie ein roter Faden durch die unterschiedlichen Firmen, die sich dort auf dem Areal direkt an der Pinnau ansiedelten.
Anfang 1854 übernahm der Naturwissenschaftler, Forscher und Kaufmann Ludwig Meyn eine alte Sägemühle am Klosterdeich in Uetersen und gründete dort auch eine Fabrik für Bau- und Düngemittel. Nach einem Brand infolge einer Explosion Ende 1860 wurden die Sägemühle und die Kalkproduktion aufgegeben. Meyn gründete später auf dem Gelände eine Fabrik für Kunstdünger. Er lebte hauptsächlich in Uetersen, setzte sich dort für die sozial schwachen Mitbürger ein und war Mitbegründer und Finanzgeber des Krankenhauses in Uetersen (Bleeker-Stift). Nach ihm wurde auch das örtliche Gymnasium benannt. Im Jahr 1878 erlag Ludwig Meyn im Alter von 58 Jahren einem Schlaganfall.
Nach Ludwig Meyn wechselte die Fabrik viele Male und oft nur über kurze Zeiträume den Eigentümer und die Art der Produktion, heißt es in einem Beitrag von Marlen Sönnichsen vom Verein Historisches Uetersen im Jahr 2004 in einem Beitrag über die Geschichte des Flusses Pinnau.
1880 wurden Eduard Meyn und Bruno Kruckenberg mit der Firma "Gemischte Produktion und Sägephosphatfabrik" Eigentümer, und blieben dies bis 1884. Im Jahr 1900 folgten Johann Peter Baas & Col. und nannten ihren Betrieb "Chemische Produkten und Superphosphatfabrik". 1907 kaufte M. Röpcke die Düngerfabrik mit dem Ziel, dort eine Dampfmühle zu errichten. 1910 schließlich richtete Friedrich Hofmann dort eine Fabrik für Öle und Fette ein und betrieb diese bis 1943 "sehr zum Leidwesen der Anwohner und der Stadt Uetersen", zitiert die Autorin das Uetersener Tageblatt am 27. Januar 1912: "Über penetrante Gerüche in unserer Stadt, besonders im oberen Stadtteil, wird in letzter Zeit häufig geklagt."
Nach Hofmann übernahm 1943 H. Wilhelm Schaumann das "Extraktionswerk für Tierernährung" und musste im Auftrage der Reichsstelle in Uetersen "Trockenvoll Ei" für die Kriegsmarine herstellen. Am 16. Dezember 1946 war auch damit Schluss, und der Betrieb wurde stillgelegt. Doch 1947 erfolgte Schaumanns Neuanfang mit einem Extraktionswerk für Tierernährung. Zunächst stellte er aus vakuumgetrockneten Dorschlebern die ersten handelsfähigen Ergänzungsfuttermittel speziell für die Schweinemast her. Im Jahr 1962 kaufte Schaumann, inzwischen zum größten europäischen Futterphosphatverarbeiter avanciert, die Hamburger Fettsäureproduktionsfirma Schmidt & Hagen, verlagerte deren Produktion nach Uetersen und die Futtermittelproduktion nach Hamburg. Unter dem neuen Namen wurden jährlich etwa 40 000 Tonnen tierische und pflanzliche Fette zu 20 verschiedenen Futterzusatzmitteln mit dem Markennamen "ESHA" verarbeitet.
Aus Schlachtereien in ganz Schleswig Holstein und Niedersachsen brachten Lastkraftwagen täglich Abfälle, Knochen, Speck und Talg von toten Tieren zur Schaumann-Fabrik, wo sie weiterverarbeitet und verwertet wurden. Für die unmittelbaren Nachbarn bedeutete dies nicht nur eine oft unerträgliche Geruchsbelästigung, sondern die Verwertungsanlage auf dem Betriebsgelände an der Pinnau zog auch Ungeziefer magisch an. "Fahrer von Lkw, die voll beladen mit Schlachtabfällen auf den Hof fuhren, hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ein paar Mal laut zu hupen, bevor sie anhielten, und Hunderte von Ratten stoben auseinander", schrieb Marlen Sönnichsen.
Im Jahre 1980 verkaufte Schaumann die "Chemische Fabrik Schmidt & Hagen" an die Henkel Gruppe, Düsseldorf, die größte Fett verarbeitende Firma Europas. Lange war offen, ob in Uetersen überhaupt weiterproduziert werden würde, als die Henkel Gruppe das überwiegend veraltete Werk am Pinnaudeich übernahm. Es waren große Anstrengungen erforderlich, um den Betrieb auf Vordermann zu bringen. Es wurden weiter unter dem Namen ESHA sowohl Futterfette als auch destillierte Fettsäuren produziert.
Ende der 80er-Jahre wurde eine neue Produktionsanlage für die Herstellung von Natriumseife für die Reinigung von Altpapier sowie von "Lipicafett", einem Fett für Wiederkäuer, installiert. Im Schichtbetrieb sorgten Mitarbeiter von Schmidt & Hagen nun dafür, dass dem Futter von Schweinen, Rindern, Legehennen, Masthähnchen, Hunden und Katzen Erzeugnisse des Betriebes an der Deichstraße beigemischt werden konnten.
"Mit großen Lastzügen wurden die flüssigen Futterfette aus Uetersen weit über die deutschen Grenzen hinaus transportiert: nach Skandinavien, in die Benelux Staaten, in den Nahen Osten, nach Israel und nach Saudi Arabien", so die Autorin. 1993 trennte sich die Firma Henkel wieder von "Futterfette Schmidt & Hagen" und verkaufte die Firma an die aktuellen zwei Geschäftsführer Harles und Jentzsch. Fette für die Tierernährung, Spezialseifen und andere Produkte wurden weiter produziert - bis zum heutigen Tag.