Die Stadt soll Modellregion für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit werden. “Umstellung größte Herausforderung für die Zukunft“.
Elmshorn. Kein Zweifel: Björn Hansen hat sich viel vorgenommen. Der 32-jährige Projektentwickler will in den Köpfen der Menschen den imaginären Schalter umlegen, damit deren Umgang mit den weltweit immer knapper werdenden Energievorräten sich grundlegend ändert. "Was passiert, wenn das Öl alle ist?", fragt Hansen und ergänzt: "Die Umstellung der Energieversorgung ist die größte Herausforderung für die Zukunft." Trotzdem kann der gelernte Werbefachmann und Filmproduzent nicht gleich die ganze Welt retten. Doch ein Stück davon, nämlich eine ganze Stadt, darf es schon sein. Elmshorn passt ihm als schleswig-holsteinische Mittelstadt mit 50 000 Einwohnern bestens ins Konzept: "Elmshorn soll Modellregion für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit werden."
Björn Hansen ist kein versponnener Umweltaktivist, sondern Realist genug, um so ein visionäres Großprojekt, das es in dieser Dimension noch nicht gegeben hat, professionell anzugehen. Und in Elmshorn ist er kein Unbekannter. Zehn Jahre lang betreute er das Streuobstwiesenfest. Dann gründete Hansen mit seinem Geschäftspartner Matthias Kirketerp die Morgenwelt GmbH. Als Unterstützer holte er die Umweltorganisationen Robin Wood und BUND mit ins Boot. Mit dabei sind als ideelle Förderer die Stadtverwaltung und als Kooperationspartner die Stadtwerke Elmshorn.
Seit dem vergangenen Jahr wurde am Konzept gearbeitet, um möglichst viele von 50 000 Elmshornern zum ebenso sparsamen wie alternativen Umgang mit Energie zu veranlassen. "Das schafft man nicht mit einem Infostand und einer Broschüre, die dann mit Besserwisser-Blick den Bürgern in die Hand gedrückt wird", sagt der Werbeprofi Hansen. Doch wenn, wie beim Projekt "Morgenwelt rocks", im Elmshorner Steindammpark mit vier Energie-Fahrrädern über einen Generator Strom erzeugt wird, damit die Verstärker und Mikrofone einer Rockband betrieben werden können, begreift jeder der Treter, wie anstrengend die Erzeugung kostbarer Energie sein kann. "Wer da mitgestrampelt hat, der lässt zu Hause im Flur das Licht nicht mehr unnötig brennen", ist Hansen überzeugt.
Das Rockspektakel war im vergangenen Sommer Teil der "Morgenwelt Nachhaltika", einer originellen Mischung aus Umweltmesse und Volksfest, die Mitte Mai 2011 erneut an einem Wochenende im Steindammpark veranstaltet werden wird. "Da gibt es dann eben unter den Ausstellern nicht nur die Energieberatung der Hersteller, sondern nebenan gleich einen Mäusezirkus, damit die Kinder auch ihren Spaß haben", umreißt der Morgenwelt-Chef das Angebot. Und gerockt wird natürlich auch wieder. Wahrscheinlich sogar mit fünf oder sechs Energie-Fahrrädern als Kraftwerk und noch mehr sich abwechselnden Tretern, die am Pedalometer genau verfolgen können, wie viel E-Power sie auf die Bühne bringen.
Doch der Einsatz für alternative Energien, der Versuch, den Anstieg der umweltschädlichen Kohlendioxid-Emissionen zu verringern und damit den Klimawandel vielleicht ein wenig zu bremsen, ist auch im regionalen Großprojekt ein ständiger Prozess. "Das wird sich viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehen", sagt Björn Hansen.
In der Morgenwelt-Denkfabrik werden dafür von einem hochkarätig besetzten Team aus ehrenamtlichen und professionell tätigen Experten immer wieder neue Ideen ausgebrütet, um die Elmshorner in Sachen Nachhaltigkeit und alternativer Energieerzeugung auf Trab zu halten oder zu bringen.
Die nächsten Projekte sind schon in Sicht. Im Frühjahr werden 50 E-Bikes zur Vermietung für einen günstigen Tarif angeboten. Die strombetriebenen Fahrräder verfügen über einen Beiwagen, auf dem auch größere Einkaufslasten transportiert werden können. Hansen und Co. setzen darauf, dass die Gefährte so manche Zweitwagenfahrt überflüssig machen werden, auch wenn die genauen Mietkonditionen noch nicht fest stehen.
Als Rundum-sorglos-Paket werden Energieberatungen ins Haus stehen. Entweder kommt das Angebot per Post oder die Bürger können sich an wöchentlichen Infoständen in der Innenstadt darüber schlau machen, wie ihre Behausungen umweltfreundlicher im Verbrauch und effizienter in der Wärmedämmung werden können.
Ganz groß werden die Morgenweltherrscher 2012 in das Energie-Effizienzprogramm einsteigen. Dann sollen Fachleute eines Instituts für Bauphysik möglichst sämtliche der etwa 8000 Häuser Elmshorns begutachten und deren Zustand protokollieren. Das funktioniert ohne Zutun der Bewohner per Betrachtung von außen. Die Experten können nach Hansens Worten einschätzen, ob Isolierverglasung eingebaut ist oder wie es sich mit der Wärmedämmung der Fassade verhält. Vor allem im Winter lässt sich feststellen, ob die Dächer gut isoliert sind. "Liegt kein Schnee auf dem Dach, wird wegen schlechter Isolierung zu viel Heizwärme verfeuert", sagt Hansen.
Bis auf jedem Hausdach Solarzellen Sonnenkraft einfangen, bis zur Verwirklichung der Vision, Elmhorn zu einer Stadt zu machen, die sich zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt, ist es noch ein weiter Weg. Doch Hansen und seine Mitstreiter haben das Ziel fest im Blick. Schließlich geht es um die Welt von morgen.