Ein Jahr nach dem Dioxin-Skandal bei Harles & Jentzsch in Uetersen stehen die Verantwortlichen noch immer nicht vor Gericht.
Uetersen. Heute vor einem Jahr schlug die Staatsanwaltschaft zu: Mit einer Großrazzia beim Uetersener Betrieb Harles & Jentzsch begann der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter. Schnell stellte sich heraus, dass Futterfette mit billigen Industriefetten, die eigentlich nur zum Schmieren von Maschinen bestimmt waren, vermischt worden waren. Was hat sich ein Jahr nach Bekanntwerden des bundesweiten Skandals getan? Die Verantwortlichen der Firma sind bisher nicht bestraft worden. Insolvenzverwalter Heiko Fialski sucht noch immer einen Käufer für den Betrieb. Und Politiker beklagen, dass Konsequenzen ausgeblieben sind.
"Wir hoffen, die Ermittlungen in diesem Monat abschließen zu können", sagt Friedrich Wieduwilt, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe. Die Ermittler mussten sich durch ein Zahlendickicht auf Computerfestplatten, durch Berge von Papier und zahllose Quittungen arbeiten. Es besteht der Verdacht, das Unternehmen könnte belastete Vorprodukte möglicherweise systematisch so lange verdünnt haben, bis der Dioxin-Grenzwert von 0,75 Nanogramm erreicht war. Dies würde einen Verstoß gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz darstellen.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft trat Medienberichten entgegen, wonach die Firmenchefs möglicherweise nicht zur Verantwortung gezogen werden können. So besagt Paragraf 44 Absatz 6 des Lebens- und Futtermittelgesetzes, dass Unternehmer, die sich selbst bei Behörden anzeigen oder Grenzwertüberschreitungen öffentlich machen, straffrei ausgehen.
Wieduwilt: "Die Firma hat zwar eine Selbstanzeige gemacht, so dass für uns ein Verwertungsverbot für diese Informationen besteht. Das erschwert zwar die Beweisführung, schließt jedoch eine Bestrafung nicht automatisch aus." Wieduwilt erinnerte zudem daran, dass es weitere Verdachtsmomente gibt. So ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Firmenchefs auch wegen des Verdachts des Betruges und der Steuerhinterziehung.
Der Betrieb bei Harles & Jentzsch läuft auch ein Jahr nach dem Skandal, nach dessen Aufdeckung die Firma in die Insolvenz gegangen war, weiter. Und zwar unter der Führung des Insolvenzverwalters, des Hamburger Rechtsanwalts Heiko Fialski. Dessen Sprecher Frank Plümer sagt: "Mehrere Kaufinteressenten sind kurz vor Abschluss abgesprungen." Derzeit verhandele Fialski mit einem verbliebenen Interessenten. "Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten, das Ergebnis ist offen." Der mögliche Käufer sei an den Produktionsanlagen und dem Grundstück interessiert. "Wir hoffen, die zehn Arbeitsplätze erhalten zu können."
Für die Nahrungsmittelindustrie darf Harles & Jentzsch nicht mehr produzieren, wohl aber für technische Betriebe. Beim Insolvenzverwalter sind 600 Anträge auf Schadenersatz eingegangen, zumeist von betroffenen Landwirten sowie Weiterverarbeitungsbetrieben. "Die geforderte Summe liegt bei 20 Millionen Euro", erläutert Plümer. Die Prüfung der Forderungen werde noch längere Zeit andauern. Nach Abendblatt-Informationen hat auch die Haftpflichtversicherung der Firma noch keine Zahlung veranlasst - und zwar mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren.
Laut Ernst Dieter Rossmann, dem SPD-Bundestagsabgeordneten aus Elmshorn, hat sich die Sicherheit für die Kunden nicht wesentlich verbessert. "Es gibt noch keine einheitlichen Vorgaben für Eigenkontrollen der Betriebe, wir haben immer noch zu wenig Kontrolleure, und die Positivliste, die schon voriges Jahr greifen sollte, ist offenbar auf der langen Bank gelandet.".
Vom 14-Punkte-Plan, den Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) damals mit den Ländern ausgehandelt hatte, seien acht Punkte noch offen. Kiels Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf (CDU) hält dagegen, dass wesentliche Punkte bereits umgesetzt seien. Bund und Länder, so bekräftigt Rumpf, hätten aus dem Skandal gelernt und die Lebensmittelsicherheit verbessert. Rumpf: "Kriminelle Machenschaften wird man allerdings nie ganz ausschließen können."