Norderstedt. Die Special Olympics in Berlin sind für die Norderstedterin ihre dritten Weltspiele. Das Ziel ist klar. Und die Radstrecke spektakulär.
Valentina Beck tritt für das Team Norderstedt und Deutschland bei den im Juni stattfindenden Special Olympics World Summer Games in Berlin, der größten globalen Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung, in die Pedale. Es sind bereits ihre dritten Weltspiele: Nach erfolgreichen Teilnahmen als Leichtathletin und Schneeschuh-Läuferin will sie diesmal auf dem Rad überzeugen.
Beck (31) arbeitet seit zwölf Jahren bei den Norderstedter Werkstätten im Hauswirtschaftsbereich. Während dieser Zeit ist sie mit vielen Disziplinen in Berührung gekommen, gefördert durch das Sportangebot der Werkstätten. Regelmäßig werden Weltspiele-Teilnehmer hervorgebracht.
Weltspiele in Berlin: Für Valentina Beck liegt Gold auf der Straße des 17. Juni
Sport gehört für viele Beschäftigte während der Arbeitszeit zum Alltag. Federführend ist Trainerin Maike Rotermund, die ihren Athleten unermüdlich Trainingsoptionen eröffnet. Valentina sprüht vor Ehrgeiz und hat viel Spaß an der Bewegung. „Ich liebe Sport, dadurch finde ich viele Freunde“, sagt sie. Doch Sport ist nicht ihr einziges Hobby: Sie spielt Keyboard in einer Band und wirkt in einer Theatergruppe mit – alles inklusiv.
Valentina Beck trainiert einmal in der Woche Leichtathletik, spielt dazu am Dienstagabend immer Floorball, gemeinsam mit ihrem Vater Thomas Beck im Inklusiven Sportverein Norderstedt (ISN). Im Winter läuft sie Schneeschuh, in den wärmeren Monaten fährt sie Fahrrad. Und auf dem Dreirad steuert Valentina Beck nun den Special Olympics World Summer Games entgegen. Für Deutschland, erstmals Ausrichter der Weltspiele, ist es das größte Sportereignis seit den Olympischen Spielen 1972 in München.
Das Sportgerät von Valentina Beck ist eine Spezialanfertigung
Valentina schwört dabei auf ihr pinkfarbenes Dreirad, das sie „Schmetterling“ nennt. Das Sportgerät ist eine Spezialanfertigung, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Die Rahmenhöhe war zu hoch, der Sattel kann jetzt weiter an den Lenker herangezogen werden.
Eine Sieben-Gang-Schaltung sorgt für den nötigen Schwung. „Damit bin ich so schnell wie die Feuerwehr“, ordnet Valentina ihr neues Renngefährt ein. „In den Kurven ist das Rad besser zu händeln. Sie fährt damit schon sehr geschickt“, bestätigt Trainerin Maike Rotermund.
Zum Radsport kam sie durch die Teilnahme an den Cyclassics in Hamburg
Die Zeit, die Valentina Beck mittlerweile auf ihrem „Schmetterling“ verbringt, ist beträchtlich. Sie trainiert einmal pro Woche mit der Fahrradgruppe der Norderstedter Werkstätten. Dazu kommen zwei bis drei wöchentliche Rad-Einheiten mit Vater Thomas, zum Beispiel auf dem Sportplatz oder der Schleswig-Holstein-Straße. Addiert man ihre Aktivitäten im Floorball und in der Leichtathletik hinzu, steht unter dem Strich eine beachtliche wöchentliche Zeitinvestition.
Valentina Beck betreibt seit sieben Jahren Radsport. Angefangen hat alles auf dem Tandem, als sie gemeinsam mit Radtrainer Oliver Zöbisch rund um die Binnenalster gefahren ist – ein Special-Olympics-Wettbewerb, der im Rahmen der Hamburger Cyclassics zur Austragung kam. Seitdem sind Radrennen ihr Ding.
Valentina Beck: In Dubai war sie als Leichtathletin erfolgreich
Die vielseitige Sportlerin hat bereits Weltspiele-Erfahrung: Sie war 2019 in Dubai/Abu Dhabi als Leichtathletin am Start. 100-Meter-Sprint, Weitsprung und die 4×100-Meter-Staffel waren damals ihre Disziplinen. Seitdem begleitet sie ein Stoffkamel als Talisman, das auf den Namen „Kamel“ hört und auch in den kommenden Wettkämpfen das nötige Glück bringen soll.
„Für die Spiele in Berlin wollten wir Valentina das noch einmal ermöglichen. In der Leichtathletik darf sie kein zweites Mal starten, das verbieten die World-Games-Statuten. Da es nicht so viele Frauen im Special-Olympics-Radsport gibt, war die Chance groß, sie noch einmal zu nominieren“, sagt Maike Rotermund.
Sie startet im Zeitfahren über 500 und 1000 Meter
Qualifiziert hat sich die Norderstedterin mit einem ersten und einem dritten Platz im Einzelzeitfahren bei den Nationalen Spielen 2022 in Berlin. „Gold und Bronze waren die erforderlichen Medaillen, um an den Weltspielen teilzunehmen. Das ist ihre Eintrittskarte“, so ihre Trainerin. In Berlin startet Valentina Beck im Einzelzeitfahren über 500 und 1000 Meter. Geübt werden in den Trainingseinheiten Rad-Ausdauer, Sprints und vor allem das Schalten.
„Die Schaltung reibungslos zu bedienen, ist für manche Special-Olympics-Fahrerinnen und -fahrer knifflig“, weiß Maike Rotermund. „Wir üben das Anfahren im ersten Gang. Nach dem Ampelsignal muss sie sofort Vollgas geben.“ Im Medaillenrennen werden die Aktiven direkt hintereinander weg auf die Strecke geschickt. Der Zeitschnellste gewinnt. Da muss alles perfekt klappen, jede Sekunde zählt. „Einmal verschalten kann sich auf der Kurzdistanz rächen und einen Podiumsplatz kosten.“
Gefahren wird in Berlin auf einer spektakulären Strecke
Die gewählte Strecke in Berlin ist sensationell. Gefahren wird auf der Straße des 17. Juni zwischen der Siegessäule und dem Brandenburger Tor – eine bessere Kulisse kann man sich kaum wünschen. Wie bei allen Special-Olympics-Sportarten gibt es vorab eine Klassifizierung; Radfahrer gleicher Schnelligkeit werden gemeinsam eingestuft und in Leistungsgruppen eingeteilt. In den World-Games-Rennen fahren demnach ebenbürtige Starter um die Medaillen.
Beim Einzelzeitfahren ist der Name Programm, sprich, es gibt keinen Gegner-Kontakt. Jeder muss so schnell fahren, wie er kann. Gar nicht so einfach, denn es ist niemand da, der einen mitzieht. Windschatten sucht man vergebens. Für seinen Speed ist jeder Zeitfahrer selbst verantwortlich.
Am 18. und 19. Juni findet die Klassifizierung statt, am 22. Juni ist das Finale über 1000 Meter angesetzt, einen Tag später die Medaillenentscheidung über 500 Meter. Valentina Beck will mindestens einmal aufs Podest hüpfen „Ich möchte auf jeden Fall Gold“, gibt sie als Marschroute aus.
Acht Frauen und acht Männer fahren für das deutsche Team
Das könnte klappen, denn die internationale Konkurrenz ist eher überschaubar, Dreiradfahrer gibt es nicht so viele. US-Amerikaner werden beispielsweise kaum vertreten sein, weil der Dreirad-Übersee-Transport schwierig und aufwendig ist.
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Die deutschen Special-Olympics-Radsportler haben sich im Februar zum gemeinsamen Training im baden-württembergischen Mosbach getroffen. „Das hat mir richtig Spaß gemacht“, sagt Valentina Beck strahlend. Wohl auch, weil sie sich dort mit ihrer schwäbischen Teamkollegin Elena angefreundet hat. Bei den Weltspielen in Berlin werden sie sich ein Zimmer teilen.
Valentina Beck: Selbstbewusste Ansage vor den Spielen
Der bundesdeutsche Fahrer-Pool besteht in Berlin aus acht Frauen und acht Männern, aus Schleswig-Holstein ist neben Valentina Beck noch ein Aktiver von den Husumer Werkstätten dabei. Physiotherapeut Oliver Zöbisch gehört mit zum Trainerteam und ist ein wichtiger Faktor. „Er kann Räder reparieren und einstellen“, lobt Maike Rotermund ihren Kollegen.
Zöbisch ist bei den Wettkämpfen stets vor Ort, trainiert zudem die Rennradgruppe im Inklusiven Sportverein Norderstedt. Die Spannung steigt, Valentinas Gedanken kreisen um die World Games: „Ich freue mich auf Berlin und will gewinnen“, sagt sie kess. Und Maike Rotermund? „Die macht das richtig gut. Es ist immer lustig mit ihr, sie ist die beste Trainerin der Welt.“ Und wer weiß: Vielleicht jubeln am Ende ja beide auf der Straße des 17. Juni über Edelmetall im Einzelzeitfahren. Valentina Becks Familie ist übrigens schon akkreditiert: Die Eltern sind als Volunteers gemeldet.