Norderstedt. Sportlich ist die Harksheider Frauenmannschaft im Oberhaus konkurrenzfähig. Der Schuh drückt an einer ganz anderen Stelle.
Schwieriger hätte das Auftaktprogramm für die Frauenmannschaft von TuRa Harksheide in der Schach-Bundesliga kaum sein können. Erster Gegner in der Mensa des Norderstedter Coppernicus-Gymnasiums war der nationale Meister OSG Baden-Baden.
Einen Tag später ging’s gegen die SF Deizisau. Und auch die Crew aus dem Landkreis Esslingen in Baden-Württemberg gehört zur Crème de la Crème der deutschen Denksportlerinnen, war in der Abschlusstabelle der Saison 2021/2022 Dritter.
TuRa Harksheide: Respektabler Bundesliga-Start der Schachfrauen
Die Gastgeberinnen, die in ihre fünfte Serie im Oberhaus starteten, verkauften sich überraschend gut, verloren jeweils nur mit 2:4. Gegen Baden-Baden schien der krasse Außenseiter zwischenzeitlich sogar einem 3:3-Unentschieden entgegenzusteuern.
Doch dann machte TuRas polnische Nummer eins, Julia Antolak, im Duell mit Antoaneta Stefanova aus Bulgarien, der Weltmeisterin der Jahre 2004 bis 2006, einen verhängnisvollen Zug im Mittelspiel – wenig später war der Traum von der Sensation geplatzt.
Inken Köhler spielt an Brett sechs eine grandiose Partie
Höhepunkt aus Sicht der Harksheiderinnen blieb somit der Triumph von Inken Köhler an Brett sechs gegen Ketevan Arakhamia-Grant. Die Schottin war nicht nur wegen ihrer um 338 Punkte höheren Elo-Zahl, die die Spielstärke beschreibt, klar favorisiert; sie ist zudem Großmeister bei den Männern.
„Inken kann sehr stolz auf sich sein, ein solcher Coup gelingt nicht oft in einem Schachleben“, sagt TuRa-Abteilungsleiter Eberhard Schabel, „aber sie hat die Partie nicht etwa mit Glück gewonnen, sondern ihren Sieg souverän herausgespielt.“
Auch Carina Brandt hat ein persönliches Erfolgserlebnis
Ein Erfolgserlebnis hatte auch Carina Brandt, die Deizisaus Mara Jelica (Kroatien) bezwang. Ein weiterer Knüller: Die Slowenin Laura Unuk erkämpfte an Position zwei ein Remis gegen Baden-Badens Elisabeth Pähtz – und die ist schon seit vielen Jahren Deutschlands beste Schachspielerin.
Dass es das junge TuRa-Team schafft, in der stärksten Liga der Welt konkurrenzfähig zu sein, trotz unterschiedlicher finanzieller Rahmenbedingungen auf Augenhöhe mit den Giganten der Szene zu agieren, grenzt an ein Wunder. Das Budget des Teams in Höhe von 10.000 Euro – Vereine wie die OSG Baden-Baden rufen in etwa das Vierfache auf – ist auf Kante genäht.
Schach-Bundesliga: Kosten rund um die Wettkämpfe sind explodiert
Das Problem: Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind nicht nur die Preise für Lebensmittel und Energie explodiert. So ziemlich alles, was mit den Wettkämpfen zu tun hat, ist teurer geworden. Etwa Flüge und Bahnfahrten. Oder die Übernachtungen in Hotels. Das macht die Kalkulation der Kosten zur Lotterie.
Schabel: „Wir müssen eisern sparen, werden nicht immer mit der Topbesetzung antreten können. Ich habe vor der Saison sogar ernsthaft überlegt, ob ich die Mannschaft vom Spielbetrieb abmelde.“
Abmeldung des Bundesliga-Frauenteams ist vorerst vom Tisch
Zum Retter in der Not wurde der Hauptverein. „Wir haben verabredet, für diese Spielzeit einen gemeinsamen Weg zu finden“, sagt Eberhard Schabel, „nach dem Ende der Punktrunde wird Kassensturz gemacht. Dann sehen wir weiter.“
Das Dilemma der Bundesliga-Asse ist strukturell bedingt. Die 100 Mitglieder starke TuRa-Schachabteilung, die in ganz Deutschland für ihre exzellente Nachwuchsarbeit bekannt ist, besteht zu
80 Prozent aus Jugendlichen; in diesem Bereich lassen sich also nur minimale Einnahmen generieren.
TuRa Harksheide: Jeder Sponsor mit Herz für Schach hilft weiter
Das hat negative Auswirkungen auf das Frauenteam, das eines der sportlichen Aushängeschilder des Clubs vom Exerzierplatz ist. Um das Projekt krisensicher und zukunftsfest zu machen, müssen dringend ein größerer oder auch mehrere kleinere Sponsoren her.
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Schabel: „Klar, wir sind für Unternehmen nicht so interessant wie beispielsweise ein Fußball-Profiverein. Aber es wäre trotzdem cool, wenn die eine oder andere Firma in der Region ihr Herz für den Schachsport entdecken und uns in dieser schwierigen Situation unter die Arme greifen würde – ich denke da beispielsweise an Arzt- oder Rechtsanwaltspraxen.“
Schach-Bundesliga Frauen, 1. Spieltag: TuRa Harksheide – OSG Baden-Baden 2:4. Julia Antolak – Antoaneta Stefanova 0:1, Laura Unuk – Elisabeth Pähtz 0,5:0,5, Maria Gosciniak – Mai Narva 0:1, Katarzyna Adamowicz – Teodora Injac 0,5:0,5, Carina Brandt – Josefine Heinemann 0:1, Inken Köhler – Ketevan Arakhamia-Grant 1:0.2. Spieltag: TuRa Harksheide – SF Deizisau 2:4. Julia Antolak – Hanna Marie Klek 0:1, Laura Unuk – Zoya Schleining 0,5:0,5, Maria Gosciniak – Dina Belenkaya 0:1, Katarzyna Adamowicz – Jovana Rapport 0:1, Carina Brandt – Mara Jelica 1:0, Inken Köhler – Simona Gheng 0,5:0,5.