Norderstedt. „Besorgte Mitglieder“ werfen dem Clubvorstand in Norderstedt Intransparenz vor. Im Abendblatt spricht Vereinschef Jörg Rau nun Klartext
Das Führungspersonal des 1. SC Norderstedt (1800 Aktive) hat in den vergangenen Wochen diverse Versuche unternommen, um Abteilungsleiter, Übungsleiter und Mitglieder darüber aufzuklären, warum der Sportverein zurzeit nicht liquide ist.
Clubchef Jörg Rau, der 2. Vorsitzende Torben Heyl, Kassenwart Jens Rath und Geschäftsführer Christoph Blöh veröffentlichten im März ein zweiseitiges Informationsschreiben mit den wichtigsten Gründen für die finanzielle Schieflage des SCN: ein beträchtlicher Mitgliederschwund mit Einnahmeverlusten von 120.000 Euro, die explodierenden Energiekosten wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, die ungewöhnlich späte Überweisung des Zuschusses der Stadt Norderstedt in fünfstelliger Höhe.
Im Mai stellten sie sich im Sportpark Scharpenmoor während einer Marathonveranstaltung über viereinhalb Stunden den Fragen der Delegierten. Und im Juni erläuterten Rau und Blöh im Norderstedter Rathaus dem Ausschuss für Schule und Sport vor aufmerksam lauschenden Bürgern die aktuelle Lage des Vereins, standen Politik und Verwaltung Rede und Antwort.
1. SC Norderstedt: „Besorgte Mitglieder“ kritisieren Vereinsführung
Guter Wille scheint also reichlich vorhanden. Nimmt man das DIN-A4-Blatt als Maßstab, das dem Hamburger Abendblatt von „einigen besorgten Mitgliedern des 1. SC Norderstedt“ zugespielt wurde und das zwei Tage nach der Ausschusssitzung datiert ist, sind die Funktionäre mit ihren Argumenten allerdings noch immer nicht ganz durchgedrungen. Der „Vereinsleitung“ wird von den anonymen Kritikern aus den eigenen Reihen unter anderem vorgeworfen, „wenig Konkretes zuzugeben“, gegen die Satzung des SCN verstoßen zu haben. Die Verfasser behaupten zudem, dass auf ihre während der „Mitgliederversammlung“ und in E-Mails gestellten Fragen nur Schweigen geherrscht habe.
Des Weiteren wird um Auskunft gebeten, ob es stimme, dass die Personalkosten seit Anfang 2022 von 120.000 auf 300.000 Euro gestiegen sind und zusätzlich zu der jüngst beschlossenen Erhöhung des Grundbeitrages für Erwachsene und Kinder zum 1. Januar 2025 eine weitere erhebliche Beitragserhöhung geplant sei.
Clubchef Jörg Rau reagiert irritiert und schmallippig
Rechtsanwalt Jörg Rau, der seit dem 27. April 2013 Vorsitzender des 1. SC Norderstedt ist, reagierte – diplomatisch formuliert – irritiert und schmallippig, als er vom Abendblatt mit dem Text konfrontiert wurde.
„Ich finde es befremdlich, dass man sich zwei Tage nach der Sitzung des Ausschusses für Schule und Sport in einem Schreiben anonym an die Presse wendet, um an Informationen zu gelangen, die man schon längst hätte bekommen können. Es gab nicht nur auf der Delegiertenversammlung und im Rathaus Gelegenheit, um sich über den Stand der Dinge zu erkundigen“, sagte der 55-Jährige, der sich zudem darüber wunderte, dass von einer Mitgliederversammlung die Rede war. „Denn die gibt es beim SCN gar nicht.“
„Wir alle haben uns gefragt: Was ist das denn? Was soll das?“
Dass Rau die Anfrage trotzdem an den 2. Vorsitzenden sowie den Kassenwart weiterleitete, hatte einen einfachen Grund: „Wir drei sind die gesetzlichen Vertreter des Vereins.“ Die Reaktion des Trios fiel nach dem Durchlesen einhellig aus: „Wir haben alle mit dem Kopf geschüttelt und uns gefragt: ,Was ist das denn? Was soll das?‘ Unter uns herrscht ganz klare Einstimmigkeit, dass wir solche Schreiben zwar zur Kenntnis, aber nicht so ernst nehmen, dass wir in der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen.“
Das bedeute aber nicht, dass der Verein wichtige Dinge verschweigen wolle. „Unsere Tür steht für jeden offen, wir haben sehr vieles öffentlich bekannt gemacht. Wer innerhalb des Vereins glaubt, irgendwelche Fragen zu haben oder irgendetwas bemäkeln zu können, der ist in der Geschäftsstelle gerne gesehen, kann aber auch jederzeit den Verantwortlichen im Vorstand, namentlich mir, per Telefon oder per E-Mail Fragen zukommen lassen, die dann beantwortet werden. Auch unser Geschäftsführer Christoph Blöh steht für Auskünfte zur Verfügung, das hat er immer wieder klargemacht.“
Informationsfluss: Die Tür des 1. SC Norderstedt steht für jeden offen
Rau widersprach vehement der Behauptung, dass zuletzt auf Fragen nicht geantwortet worden sei. „Ich selbst habe die Delegiertenversammlung, an der auch Mitglieder ohne Stimmrecht teilnehmen konnten, geleitet. Das gehört zu meinen Aufgaben als Vereinsvorsitzender.“ Es habe ausreichend Zeit gegeben, um genauere Informationen zu den Berichten der Abteilungen und des Vorstandes, also auch dem des Kassenwarts, einzuholen und Fragen zu stellen. Alle seien beantwortet worden. „Als ich dann nachhakte, ob es noch weitere Fragen gebe, kam nichts mehr.“
Auch wenn Jörg Rau eigentlich nicht weiter auf das anonyme Papier eingehen wollte, nahm er dann doch noch zu zwei Punkten Stellung. „Es stimmt, dass die Personalkosten gestiegen sind“, sagte er, „doch das hat buchhalterische Gründe. Nach Gesprächen zwischen unserem Kassenwart und Steuerberater werden die Übungsleiterhonorare nicht mehr in den Abteilungen, sondern unter der Position Personalkosten bilanziert.“
1. SC Norderstedt: Arbeitskreis soll sich Gedanken über Beitragsstruktur machen
Eine Beitragserhöhung zu Beginn kommenden Jahres stehe aktuell nicht auf der Agenda. Rau: „Wir haben vielmehr einen Arbeitskreis gegründet, der sich darüber Gedanken machen soll, ob es bessere Modelle als unser System mit Grund- und Spartenbeiträgen gibt, ob eine andere Aufteilung Sinn macht. Das alles ist aber völlig ergebnisoffen.“ Der Vorstand wolle das nicht Top down entscheiden, möchte die Mitglieder mitnehmen und dazu einladen, die aktuell aus einem noch recht überschaubaren Personenkreis bestehende Gruppe mit zukunftsweisenden Ideen tatkräftig zu unterstützen.
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Ganz oben auf der Agenda des klammen 1. SC Norderstedt stehen aktuell die Verhandlungen mit der Hausbank über ein Darlehen in sechsstelliger Höhe, um vor allem die Übungsleiter, die seit Monaten auf ihr Honorar warten, bezahlen zu können. Jörg Rau: „Alle sollen so schnell wie möglich das Geld bekommen, das ihnen zusteht. Die Gespräche mit der Bank sind weit fortgeschritten, der angeforderte Jahresabschluss für 2023 wird umgehend fertig sein. Wir befinden uns auf einem guten Weg.“
Eine weitere wichtige Botschaft des Clubchefs für die Vereinsmitglieder: „In der Öffentlichkeit wurden einige Mal die Wörter Insolvenz und Konkurs in den Munde genommen; das ist Blödsinn. Wir haben ein Liquiditätsproblem, das in den Griff zu bekommen ist und an dem wir arbeiten.“