Henstedt-Ulzburg. Fußballlehrer Jens Martens aus Henstedt-Ulzburg hat beim Drittligisten VfB Lübeck angeheuert. Was hinter dem Zehn-Wochen-Deal steckt.
Nach viereinhalb erfolgreichen Jahren bei Eintracht Norderstedt war das Thema Fußballtrainer für Jens Martens abgeschlossen. Unwiderruflich. Damals, im Sommer 2022, wollte der mittlerweile 68 Jahre alte Henstedt-Ulzburger zeitlich unabhängiger sein, mehr gemeinsame Stunden mit seiner Frau Barbara verbringen.
So ganz ohne Fußball ging es zwar nicht; Martens übernahm beim SV Todesfelde den Job des Sportchefs. Aber in dieser Funktion ist er werktags und an den Wochenenden bei der individuellen Terminplanung wesentlich flexibler, muss nicht ständig auf dem Platz stehen. Seine wichtigsten Aufgabengebiete sind die Zusammenstellung der Mannschaftskader für die Oberliga und die Landesliga sowie die Gesamtentwicklung des ambitionierten Dorfclubs. Da bleibt durchaus mal etwas Zeit für andere schöne Dinge des Lebens.
Jens Martens soll Abstieg des VfB Lübeck verhindern
Doch nun ist auf einmal alles anders. Drittligist VfB Lübeck, der in der Serie 2023/2024 mit Lukas Pfeiffer und Florian Schnorrenberg schon zwei Übungsleiter freistellte, hat Martens als Coach verpflichtet. Der Fußballlehrer soll als Feuerwehrmann die akut abstiegsgefährdeten Hansestädter vor dem Abstieg in die Regionalliga Nord retten.
Sieben Spieltage vor dem Saisonende hat der VfB stattliche acht Punkte Rückstand auf den Tabellensechzehnten SV Waldhof Mannheim, zudem ein deutlich schlechteres Torverhältnis. Das Szenario gleicht einer Mission Impossible. Doch warum tut sich der pensionierte Oberstudienrat das eigentlich an, wieso hat er den Schritt vom Ruheständler zum Proficoach gemacht?
Henstedt-Ulzburger war als Spieler Kapitän der Hansestädter
„Vor eineinhalb Wochen“, sagt Jens Martens, „hat mich der Lübecker Sportchef Sebastian Harms angerufen und sich erkundigt, ob ich dem VfB in der Not helfen könnte. Ich war davon total überrascht, habe mich einerseits geehrt gefühlt, musste das andererseits aber auch kurz sacken lassen.“
Harms traf mit seiner Anfrage einen Nerv, ob nun bewusst oder unbewusst. Denn für Martens ist der VfB nicht nur ein Club, sondern eine Herzensangelegenheit. Von 1981 bis 1985 lief der Defensivakteur in 129 Pflichtspielen für die Hansestädter auf, erzielte elf Tore, war Mannschaftskapitän. „Die schönste Zeit in meiner Fußballleraufbahn“, erinnert er sich. Emotional sehr verbunden blieb er dem Verein zudem von 2009 bis 2010, als sein Sohn Jannick in Lübeck kickte.
Jens Martens trainiert nun zum ersten Mal einen Profiverein
Um sich für oder gegen den VfB zu entscheiden, brauchte Jens Martens nicht mehr als eine halbe Stunde. Nachdem seine Frau Barbara mit den Worten „Schatz, das musst Du machen!“ und auch sein Filius ihm grünes Licht und volle Unterstützung signalisiert hatten, stand dem Zehn-Wochen-Deal nichts mehr im Weg. Und der sieht so aus: Jens Martens schlüpft in die Cheftrainerrolle, Bastian Reinhardt und Arvid Schenk fungieren als seine Assistenten.
Eine interessante Randnotiz: Martens hat vor dem VfB Lübeck noch nie einen Profiverein trainiert. Weder von 1995 bis 1997, als er bei Holstein Kiel tätig war. Noch beim Hamburger SV, wo er von 1997 bis 2001 vier Jahre lang das Bundesliga-Frauenteam coachte.
1994 lehnte Martens ein Angebot als Co-Trainer des MSV Duisburg ab
„Das ist jetzt gewissermaßen das Sahnehäubchen auf meiner Trainerkarriere“, sagt der Mann, dem ein Ruf als Motivator par excellence vorauseilt, „mit so etwas habe ich bis Mitte März nicht eine Sekunde lang gerechnet.“ Nur einmal, im Oktober 1994, überlegte er ernsthaft, ob er den Sprung ins Profigeschäft wagen solle. Aber nur kurz. „Damals wollte mich Ewald Lienen als Co-Trainer zum damaligen Bundesligisten MSV Duisburg holen. Ich habe aber abgelehnt, weil ich mich auf meinen Beruf als Lehrer konzentrieren wollte.“ Schnell stellte sich heraus: Es war die richtige Entscheidung. Denn kurz darauf flog Lienen bei den „Zebras“ raus und wurde von Hannes Bongartz ersetzt.
Jens Martens unterrichtete am Gymnasium Harksheide und der Gemeinschaftsschule Kisdorf die Fächer Sport und Geografie, war 14 Jahre lang Schulsportbeaufragter in Schleswig-Holstein, wurde Oberstudienrat. Er verzichtete aber ganz bewusst darauf, die nächste Stufe auf der Karriereleiter zu erklimmen und einen Posten auf der Schuldirektor-Ebene zu übernehmen. Denn das hätte sich mit seiner Nebentätigkeit als Fußballtrainer in gehobenen Amateurklassen auf keinen Fall vereinbaren lassen.
Eintracht Norderstedt hat er gezeigt, wie Klassenerhalt geht
Dass er Klassenerhalt kann, hat Jens Martens zuletzt in seiner Zeit bei Eintracht Norderstedt (2018 bis 2022) bewiesen; er rettete sowohl die Herrenmannschaft und auch die U 19 vor dem Abstieg aus der Regionalliga Nord. Klar ist aber auch: Seine Aufgabe beim VfB Lübeck ist herausfordernder und diffiziler. „Allen Beteiligten ist klar, dass wir uns in einer ganz schwierigen Lage befinden“, betont Martens, der am Ostersonntag mit dem VfB in seinem ersten Match als Drittliga-Coach einen Punktgewinn bei Viktoria Köln knapp verpasste.
„Unsere 0:1-Niederlage war absolut unverdient und ungerecht“, sagt er, „wir haben extrem gut verteidigt, außerdem hat Schiedsrichter Patrick Alt (SV Illingen) in der 45. Minute eine krasse Fehlentscheidung getroffen und uns einen klaren Foulfelfmeter verweigert. Nach der Partie hat er sich dafür bei mir entschuldigt, aber das hilft natürlich nicht weiter.“
VfB Lübeck braucht nach 0:1 bei Viktoria Köln ein Fußballwunder
Realistisch betrachtet brauchen die Lübecker, die in ihren 31 Drittliga-Begegnungen schon 56 Gegentore kassiert, aber nur 27 Treffer erzielt haben, ein Fußballwunder, um das rettende Ufer noch zu erreichen. Genauer gesagt „fünf Siege aus den letzten sieben Spielen“, wie Jens Martens es formuliert.
Dem SV Todesfelde, mit dem er einen unbefristeten Vertrag hat, steht Martens übrigens nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite; die involvierten Vereine haben für die kommenden Wochen ein praktikables und faires Agreement getroffen: Tagsüber dient der Fußballlehrer dem VfB Lübeck, abends kümmert sich als Sportchef um den SVT.
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Der hat sich als Tabellenführer der Oberliga Schleswig-Holstein sechs Punkte Vorsprung auf die Verfolger PSV Neumünster und SV Eichede herausgearbeitet – und somit allerbeste Aussichten, sich am Saisonende für die Regionalliga-Aufstiegsrunde gegen die Vertreter aus Bremen (Werder Bremen II) und Hamburg (Altona 93) zu qualifizieren; zwei Mannschaften steigen auf.
Einen Trainer Jens Martens wird es in Todesfelde übrigens nicht geben. Zum einen müsste er, was nicht beabsichtigt ist, seinen Ruhestand als Übungsleiter dann ein zweites Mal unterbrechen. Zum anderen hat er den aktuellen Coach Björn Sörensen sowie dessen Assistenten Dirk Hellmann höchstpersönlich ausgesucht – und ist mit der Arbeit des Duos sehr zufrieden....
Jens Martens: Die bisherigen Trainerstationen
1. Juli 1987 bis 30. Juni 1989 Spielertrainer beim Itzehoer SV; 1. Juli 1989 bis 24. Oktober 1995 Bramstedter Turnerschaft; 25. Oktober 1995 bis 30. Juni 1997 Holstein Kiel; 1. Juli 1997 bis 30. Juni 2001 Frauen des Hamburger SV; 1. Januar 2002 bis 28. Februar 2003 TuS Holstein Quickborn; 1. Juli 2003 bis 29. März 2016 SV Henstedt-Rhen/SV Henstedt-Ulzburg; 15. Dezember 2017 bis 30. Juni 2022 Eintracht Norderstedt (zunächst U 19, ab 9. April 2019 Herren); seit 1. Juli 2022 Sportchef beim SV Todesfelde.