Norderstedt. Der Vertrag von Jens Martens wird nicht verlängert, Olufemi Smith ist ab Sommer der alleinige Chef. Die Beteiligten erklären diese Entscheidung.
Ganz ruhig bleiben. Dieses Gefühl vermittelt Reenald Koch, Präsident von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt, im Gespräch. „Wir verlängern nur einen Vertrag nicht.“ Stimmt, das Arbeitspapier von Jens Martens läuft im Sommer aus, dann endet die Zeit des 66 Jahre alten Trainers an der Ochsenzoller Straße. Sein derzeit bereits gleichberechtigter Kollege Olufemi Smith (43) soll dann die Chefrolle alleine tragen. Das traut ihm der Verein explizit zu. Auch, weil es offenbar entsprechende Signale aus der Mannschaft gegeben hat, wonach Smith mit den Spielern auf einer Wellenlinie liegt.
Der angekündigte Generationswechsel ist in der Form, wie er verkündet wurde, fast ein Novum für den Club. Denn tatsächlich ist Martens der erste Coach seit Ralf Schehr vor 15 Jahren, dessen Job nicht durch eine Beurlaubung wegen Erfolglosigkeit endet. Marco Krausz, Andreas Prohn, Matthias Dieterich, Thomas Seeliger, Dirk Heyne: Sie alle mussten während einer Saison gehen.
Oft fand die Eintracht neue Coaches im eigenen Club
Was allerdings auch oft passierte: Die Eintracht fand den Nachfolger im Verein. Prohn, Heyne und Martens trainierten vorher die U19, Dieterich war Assistent von Prohn. Die Ausnahme war Seeliger, wobei dieser ein ehemaliger Spieler des 1. SC Norderstedt war und mit seiner Familie in Garstedt wohnt. Smith ist also der nächste in dieser Reihe. „Die Zusammenarbeit mit Femi war stets exzellent. Ich habe ihm immer gesagt: ,Eines Tages übernimmst du von mir‘“, sagt Jens Martens. „Jetzt ist es soweit.“
Der Entscheidung gehen mehrere Gespräche in den letzten Wochen voraus. Martens scheint mit der Entwicklung im Reinen zu sein. „Ich möchte mehr Zeit mit meiner Frau verbringen können. Außerdem haben mich die letzten beiden Pandemie-Jahre sehr geschlaucht. Trainingsgestaltung und Motivation der Jungs waren in dieser Zeit nicht einfach, auch wenn alle super mitgezogen haben“, sagt er dem Abendblatt. „Und wir haben sehr viel erreicht. Vielleicht ist daher jetzt der richtige Zeitpunkt, um Schluss zu machen.“
Im Fußball will Martens weiter tätig sein. Jedoch in deutlich geringerem Zeitumfang, als es bei der Eintracht unabdingbar war. Rund um das Edmund-Plambeck-Stadion dürfte seine viereinhalbjährige Trainertätigkeit in bester Erinnerung bleiben. Am 15. Dezember 2017 hatte der gebürtige Steinburger die abstiegsbedrohte U19 übernommen, führte sie mit einem Kraftakt zum Klassenerhalt in der Regionalliga Nord. Im folgenden Frühjahr wurde er dann für die Herren gebraucht, die ihrerseits in der Regionalliga tief im Abstiegskampf steckten. Reenald Koch musste damals ein Zugeständnis machen: Martens bestand darauf, seine U19 bis zum Saisonende parallel zu coachen, weil er es seinen Jungs versprochen hatte.
Koch gab nach – und bereute es nicht. Martens (und der von ihm hinzugeholte Smith) hielten die Klasse am letzten Spieltag mit einem 3:1 in Egestorf. Die A-Jugend wurde sogar noch Fünfter. Das Hamburger Pokalfinale ging 2019 zwar gegen die TuS Dassendorf verloren (1:2), dafür folgten ein Cupsieg 2020 (5:1 gegen den TSV Sasel) sowie der Sieg im pandemiebedingten Entscheidungsspiel 2021 (1:0 gegen Teutonia 05) – samt zweier lukrativer Teilnahmen an der ersten DFB-Pokal-Runde (0:7 bei Bayer Leverkusen, 0:4 gegen Hannover 96). In der Regionalliga Nord verhinderte in der Saison 2019/20 der Saisonabbruch eine Rekordsaison (39 Punkte nach 24 Spielen, Rang sechs). Nur in dieser Spielzeit (Rang sieben in der Staffel) lief es nicht, auch aufgrund vieler Verletzungen. Mehrfach wurden Führungen verspielt, sonst wäre eine Teilnahme an der Meister- statt der Abstiegsrunde zweifelsohne drin gewesen.
Olufemi Smith braucht noch einen Assistenten
„Wir wollen nun so schnell wie möglich den Klassenerhalt klar machen“, sagt Martens. „Und wenn ich mich mit dem dritten Pokalsieg meiner Amtszeit verabschieden könnte, wäre das wunderbar.“ Beim würdigen Abgang mithelfen soll in bewährter Manier Olufemi Smith, bevor dieser im Sommer selbst übernimmt. „Ich habe von Jens in unserer gemeinsamen, sehr erfolgreichen Zeit gerade im pädagogischen Bereich viel lernen können und freue mich sehr auf die Aufgabe als Cheftrainer. Doch noch wollen wir in dieser Saison gemeinsam etwas erreichen.“ Ein Assistent für ihn wird bereits gesucht (Smith: „Er soll sich einbringen können, einen Hütchenaufsteller brauche ich nicht.“), die Gespräche laufen. Im kommenden halben Jahr soll Smith mehr Pressearbeit übernehmen, um auch in diese Rolle hineinzuwachsen.
Seine nicht glücklich verlaufenen Cheftrainerstationen bei den Oberligisten USC Paloma (Rücktritt nach neun Monaten am 3. April 2016) und beim SC Condor (Entlassung am 11. Dezember 2018) nach fünf Monaten sieht Smith nicht als Makel an, obwohl die Konstellation ähnlich war. Bei beiden Clubs war er zuvor als Co-Trainer tätig. „Die Situationen lassen sich nicht vergleichen. Hier in Norderstedt existieren über viele Jahre etablierte Strukturen. Das war bei den anderen Clubs nicht der Fall. Dort gab es unter anderem personelle Umbrüche in der Führung. Außerdem habe ich die beiden Erfahrungen natürlich analysiert und verarbeitet, bin reifer geworden. Ich gehe völlig frei und unbelastet an diese Aufgabe heran.“
Als ebenfalls problemlos zu stemmen betrachtet A-Lizenz-Inhaber Smith seine eventuell im kommenden Frühjahr beginnende Ausbildung zum Fußball-Lehrer, für die er sich im Herbst erneut bewerben will, nachdem er für den diesjährigen Lehrgang nicht angenommen wurde. „Der Lehrgang hat sich ja von der Struktur geändert und erlaubt es, mehr Zeit bei der eigenen Mannschaft zu verbringen. Und wenn ich mal weg bin, lässt sich das mit einem eingespielten Trainerteam auffangen. Wenn ich im nächsten Jahr dabei bin, wird auch daraus kein Problem entstehen.“
Der Trainermarkt in der Region ist begrenzt
Ob es parallel, wie in der Amateurszene kolportiert, noch Sondierungen mit anderen Kandidaten gegeben habe, möchte Reenald Koch nicht kommentieren. Allerdings ist der Markt auch begrenzt. „Wir sind ein etablierter Regionalliga-Verein und sprechen nur mit Trainern, die eine A- oder B+-Lizenz haben.“
Denn das ist – abgesehen des Fußball-Lehrer-Diploms – die Voraussetzung, um in der vierthöchsten Spielklasse eine Mannschaft betreuen zu können. Viele Personen, auf die das zutrifft und die zudem nicht bereits bei einem Proficlub wie dem FC St. Pauli oder dem Hamburger SV arbeiten, gibt es in der Region nicht. So gesehen, war es fast schon folgerichtig, die Tradition mit der Besetzung aus dem eigenen Haus fortzuführen.