Norderstedt. Norderstedts Regionalliga-Fußballer und ihr Coach stehen unter Erfolgsdruck. Wie Jean-Pierre Richter den Abstieg verhindern will.
- Jean-Pierre Richter ist seit vergangenem Montag Trainer von Eintracht Norderstedt
- Der bisherige Coach Max Krause bleibt weiter an Bord und ist ins zweite Glied gerückt
- Am Sonnabend geht es beim Tabellennachbarn SSV Jeddeloh um wichtige Punkte
Anfang der Woche hat Jean-Pierre Richter (36) seine Aufgabe als neuer Trainer von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt mit der ersten Übungseinheit in Angriff genommen. Richter, der beruflich im administrativen Bereich eines Logistik-Unternehmens des Hamburger Hafens arbeitet, soll die in schweres Fahrwasser geratenen Garstedter vor dem Abstieg retten. Zeit also für ein erstes Interview mit dem neuen Mann auf der Kommandobrücke.
Herr Richter, wann hat Eintracht Norderstedt das erste Mal Kontakt mit Ihnen aufgenommen?
Jean-Pierre Richter: Ende Januar gab es die erste lose Anfrage. Von Mitte Februar an wurden die Gespräche intensiver. Es ging dabei um die neue Saison. Es war klar, dass der Verein sich umschauen muss. Damals nicht wegen der sportlichen Lage, sondern weil Max Krause nicht die erforderliche Trainerlizenz hat, um die Regionalligamannschaft zu trainieren und seine Ausnahmegenehmigung im Sommer ausläuft.
Wie war Ihre erste Reaktion, als Eintracht Norderstedt Sie ansprach?
Ich habe mich sehr wertgeschätzt und anerkannt gefühlt. In den Gesprächen war ich angetan von der Art und Weise, wie die Offiziellen von Eintracht Norderstedt mir ihren Verein dargestellt haben. Ob es Denny Schiemann als Sportlicher Leiter war, Präsidentin Julia Karsten-Plambeck oder Geschäftsführer Finn Spitzer – alle sprachen mit viel Hingabe und Leidenschaft von der Eintracht. Auch die fachlichen Erläuterungen passten, ebenso die menschliche Chemie zwischen uns allen. Ich habe echtes Interesse an meiner Person gespürt. Ehrlich gesagt habe ich sehr schnell Feuer gefangen und war sehr motiviert, Eintracht Norderstedt im Sommer zu übernehmen. Es gab auch schon einen Plan, dies in der ersten Märzhälfte bekanntzugeben.
Wann kontaktierte Sie Sportchef Denny Schiemann mit der Bitte, Ihr Engagement vorzuziehen?
Nach der 0:3-Heimniederlage gegen den HSV II am 6. März. Wir waren die ganze Zeit schon im Austausch und uns eigentlich einig gewesen, dass ich wegen Verpflichtungen in meinem beruflichen und privaten Umfeld eigentlich nicht sofort bereitstehe. Nun kam es anders. Nachdem ich alles organisiert hatte, wofür ich vielen Menschen – unter anderem meinem Chef – sehr danken möchte, habe ich kurzfristig zugesagt.
Jean-Pierre Richter: „Wir werden alle gemeinsam die Klasse halten“
Gehen Sie damit nicht ein persönliches Risiko ein? Sie könnten mit der Eintracht absteigen.
Ich gehe kein persönliches Risiko ein. Ich bin davon überzeugt, dass der Verein genug dafür getan hat, um die Klasse zu halten. Ich hatte in all den Gesprächen nie den Gedanken, es könnte nicht passen. Die Überschrift ihres letzten Artikels lautete „Jean-Pierre Richter soll Eintracht Norderstedt retten“. Ich möchte das gerne so formulieren: „Wir werden alle gemeinsam die Klasse halten“.
Was macht Sie da so sicher?
Die schon erwähnten hervorragenden Rahmenbedingungen und – in einem Atemzug damit genannt – die vorhandene Qualität und Bereitschaft in Mannschaft und Trainerteam. Beim Spiel am Sonntag gegen Hannover 96 II war deutlich zu spüren, was in diesem Team steckt. Mir hat das sehr gut gefallen. Die Leidenschaft, die intensiven Zweikämpfe, das mutige Spiel nach vorne, die langen, intensiven Läufe nach Ballverlusten. Diese Mannschaft hat das Zeug, die Leute in Norderstedt zu begeistern und mitzureißen. Das hat sie übrigens nicht nur gegen Hannover 96 II gezeigt, sondern schon sehr oft in der Regionalliga Nord.
Trotzdem hat eben diese Mannschaft auch siebenmal in Folge verloren. Gilt Ihr Vertrag auch im Abstiegsfall für die Oberliga Hamburg?
Ganz ehrlich: Das weiß ich gar nicht. Da müsste ich jetzt in meinen Vertrag schauen. Wir haben uns nie darüber unterhalten, was passiert, wenn wir absteigen. Wir gehen vom Klassenerhalt aus. Das ist ein intaktes Team. Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot. Ich bin am Anleger zugestiegen, habe richtig Bock darauf und nun rudern wir alle in dieselbe Richtung.
Wir halten fest: Sie brauchen die Komfortzone einer kompletten Vorbereitung nicht zwingend?
Ich brauche grundsätzlich keine Komfortzone. Ich will, dass wir jetzt keine Komplimente mehr kriegen für starke Leistungen nach Niederlagen. Sondern Komplimente für starke Leistungen und Siege.
Der Verein hat Sie mit einem Vertrag bis Sommer 2026 ausgestattet. Ein großer Vertrauensbeweis, oder?
Ja, dafür bin ich sehr dankbar. Aus meiner Sicht ist es übrigens ein großer Vertrauensbeweis in beide Richtungen. Auch ich werde mich voll und ganz auf diesen Verein und seine Menschen einlassen.
Größter Erfolg: Pokalsieg mit TuS Dassendorf gegen Eintracht Norderstedt
Ihren größten Erfolg als Trainer haben Sie ausgerechnet im Pokalfinale 2019 mit der TuS Dassendorf gegen Eintracht Norderstedt gefeiert…
Witzigerweise war das tatsächlich Thema in den Gesprächen mit den Vereinsverantwortlichen der Eintracht. Einerseits haben wir darüber geflachst. Andererseits haben wir viel über Leidenschaft gesprochen. Die Leidenschaft, die die Eintracht ausmacht. Aber diese Leidenschaft hat damals eben auch die TuS Dassendorf ausgemacht. Für mich ist das Spiel noch keine fünf Jahre her. Ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran denke. (lacht) Ich hoffe übrigens, die Eintracht verliert ihr nächstes Pokalfinale mit mir und meinem Trainerteam auf der Bank nicht.
2022 wurden Sie bei der TuS Dassendorf kurz vor dem ersten Spieltag auf Wunsch der Mannschaft entlassen. Wie lange haben Sie gebraucht, um das zu verarbeiten?
Natürlich habe ich ein bisschen dafür gebraucht. Aber ich habe gute Erinnerungen an die Zeit dort. Wir haben gemeinsam einen Pokalsieg und zwei Meisterschaften in der Oberliga Hamburg gefeiert. Zu vielen lieben Menschen dort habe ich ein sehr freundschaftliches und familiäres Verhältnis aufgebaut. Ich habe über 100 Glückwünsche per WhatsApp zu meinem Engagement bei der Eintracht erhalten, da waren auch einige aus Dassendorf dabei. Ich bin ein emotionaler Trainer, der rationale Entscheidungen trifft. Wir haben damals im Zusammenspiel aller Beteiligten harte Arbeit geleistet. Ich hätte mir gewünscht, dass der Dassendorfer Weg auch nach mir maximal erfolgreich ist, wünsche dem Club stets nur das Beste.
Nach der Zeit in Dassendorf coachten Sie aus alter Verbundenheit Ihren Heimatclub TuS Finkenwerder in der Bezirksliga, bei dem Sie einst vor Ihrer erster Herrenstation beim FC Süderelbe als Jugendtrainer begonnen haben. Wie war das für Sie?
Es war schön, mal ganz raus zu sein aus dem Hamsterrad des gehobenen Amateurfußballs. Wir haben die Klasse gehalten, und ich war, bin und bleibe immer ein Fan des TuS Finkenwerder. Ich konnte helfen, das hat mich gefreut. Aber es war andererseits so ein bisschen wie ein kalter Entzug. Bei den Spielern stand natürlich der Leistungsgedanke nicht so sehr im Vordergrund wie bei Oberliga- oder Regionalligaspielern. Da ist auch mal das Knobeln nach dem Training sehr wichtig. Genossen habe ich es, viel Zeit für Privates zu haben. Nun war ich lange genug raus – und kann mich der Aufgabe Eintracht Norderstedt daher jetzt mit voller Energie widmen.
Bei Ihrer ersten Station mit dem FC Süderelbe prägten Sie Ihren Stil: schneller, mitreißender, taktisch versierter Fußball mit vielen Kurzpässen. Passt ja eigentlich super zur Eintracht…
Eine perfekte Verbindung, würde ich sagen.
Aber wie viel Jean-Pierre-Richter-Fußball kriegen Sie bis zum Auswärtsspiel am Sonnabend in Jeddeloh ins Team?
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir unsere Qualitäten möglichst schnell abrufen. Wir wollen schnell Vollgas geben, passende Ergebnisse liefern. Ich bin ein akribischer, fußballbesessener Taktik-Nerd, das unterschreibe ich. Ich will, dass man Prinzipien und Merkmale meines Spiels auf dem Rasen wiedererkennt. Ich denke aber, ich bin auch sehr nahbar für junge Spieler als Kumpeltyp, habe gleichzeitig mit sehr erfolgreichen älteren Spielern gut zusammengearbeitet. Ich will einfach alle abholen auf der gemeinsamen Mission. Denn jetzt geht es erstmal um den Klassenerhalt.
Eintracht Norderstedt: Der abgelöste Max Krause wird wieder Co-Trainer
Wie werden Sie mit Max Krause umgehen, der wieder als Co-Trainer ins zweite Glied zurücktritt?
Dieser Wechsel war für den Sommer angedacht, nun wurde er vorgezogen. Ich befand mich mit Max schon im Austausch. Die angedachte Rollenverteilung ab Sommer war schon damals kein Reibungspunkt zwischen uns. Ich halte Max für leidenschaftlich, akribisch und sehr detailliert in seiner Arbeit. Er bringt riesige Stärken als Trainer mit, unter anderem bei seinem Schwerpunkt im Bereich der Athletik. Ich bin froh, dass ich ihn habe und sehr dankbar, dass er Teil des Trainerteams bleibt. Das gilt übrigens auch für alle anderen Mitglieder, die ebenfalls viele Stärken besitzen. Mir ist jeder wichtig. Und ich will, dass alle mit ihrem Können in ihrer Arbeit sichtbar werden.
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Was erwarten Sie nun für Ihr erstes Spiel beim SSV Jeddeloh II?
Es wird vermutlich ein von Kampf geprägtes Spiel. Wir müssen die Balance finden zwischen den physischen Anforderungen in diesem Abstiegsduell und dem Mut, den Ball flach laufen zu lassen. Ich werde auch nicht alles, was bisher war, über den Haufen werfen und eine komplett neue Mannschaft aufstellen. Wir wollen dort hinfahren, voller Hingabe das Spiel bestreiten und uns in der Tabelle sofort verbessern. Wir haben die drittmeisten Gegentore und die drittmeisten Niederlagen. Das schmeckt mir überhaupt nicht. In Jeddeloh wollen wir einen guten Start haben und den ersten Regionalliga-Sieg in diesem Jahr einfahren.