Norderstedt. Norderstedter Start-up hat Methode entwickelt, um den Füllstand der Müllbehälter zu messen. Wie die neue Technik funktioniert.
Diese Technologie aus Norderstedt könnte die Recyclingbranche revolutionieren. Das erst 2016 gegründete Unternehmen Adhoc Networks hat eine Sensortechnik entwickelt, die permanent die Füllstände in den Abfallcontainern misst.
Auf diese Weise kann künftig vermieden werden, dass die Altpapier-, Altglas-, Altkleider- und Elektroschott-Container überlaufen. Die Abfallentsorgungsfirmen können so ihre Abfuhrtermine besser planen und über eine Smartphone-App ihre Kunden sowie die Bürgerinnen und Bürger in Echtzeit darüber informieren, wo noch freie Container-Kapazitäten vorhanden sind.
Zehn Kunden nutzen bereits die Sensortechnik aus Norderstedt
Oskar heißt dieses Wunderprodukt, das so klein wie eine Streichholzschachtel ist und das Ole Ostermann und sein innovatives Software-Team entwickelt und vor wenigen Jahren zur Marktreife gebracht haben. Der Name sei eine Anspielung auf die berühmte Figur aus der Sesamstraße, die ja in der Mülltonne lebt, sagt der pfiffige Verfahrensingenieur. Die technologische Weiterentwicklung, die im April auf den Markt kommt, werde die Bezeichnung Phil erhalten, die an den englischen Begriff fürs Einfüllen angelehnt sei. Man könnte auch Philosophie sagen, weil damit eine neue Denkungsart für die Abfallwirtschaft einhergeht.
Zehn Kunden nutzten bereits die Sensortechnik des Norderstedter Start-ups. Dazu gehört das Betriebsamt in Norderstedt, das bereits alle 20 Containerstandorte damit ausgestattet hat. Die Containerstandorte werden in Norderstedt „Wertstoffinseln“ genannt. In Kiel seien alle 100 Unterflursysteme mit dem kleinen elektronischen Sensor versehen, der die unterirdisch platzierten Depotcontainer ständig nach ihrer Fülle misst. Bis nach Frankfurt hat die Norderstedter Firma ihre Kundschaft, die bislang insgesamt 1500 Sensoren für diese Zwecke ausgeliefert hat.
Sinnvoll ist der Einsatz vor allem in ländlichen Gebieten
„In diesem Jahr wollen wir 5000 dieser Füllstands-Sensoren verkaufen“, kündigt der geschäftsführende Inhaber Ostermann ein rasches Wachstum an. Dabei peile er auch den internationalen Abfallmarkt an, da es erste Geschäftsbeziehungen nach Schweden gebe, wo sich Adhoc Networks jetzt an einer Ausschreibung beteilige. Gerade dort, wo die Systeme in eher ländlichen Bereichen stünden, sei es von großem Vorteil, über die tatsächlichen Füllstände der Recycling-Container genau Bescheid zu wissen, bevor die Müllwerker fast leere Behälter anfahren müssten oder diese bereits überlaufen.
Der Sensor made in Norderstedt wird innen oberhalb des Containers, sozusagen unter dem Dach, angebracht, erklärt Tüftler Ostermann. Mehrere elektronische Signale erfassen rundherum und vor allem darunter, wie voll der jeweilige Container bereits ist. Das sei bei Papier, Glas und Elektroschrott natürlich nicht so einfach, als wenn Flüssigkeiten wie in einem Öltank oder im Autotank gemessen werden, erläutert Ostermann. An einigen Stellen könnte die Pappe schon das Maximum erreicht haben, während es an anderen Stellen noch Luft nach oben gebe. Das könnte die innovative Sensortechnik genau abmessen und entsprechend regeln.
Füllstände werden direkt an die Fahrer der Müllfahrzeuge übermittelt
Diese Daten wiederum könne der Kunde, das Abfallunternehmen, jederzeit am Computer auslesen und diese Informationen direkt an den Abfalltransport weitergeben, erklärt Ostermann. Den Fahrern dieser Abfuhren würden diese Füllstände direkt in ihre Fahrzeuge überspielt, sodass sie wüssten, welche Container entleert werden müssten und welche noch stehen bleiben könnten. So ließen sich die Abholtouren viel besser steuern und würden nicht mehr nach einem festen Plan geleert, der womöglich überholt sein kann, weil sich die Frequenz der Nutzung je nach Containerstandort, Jahreszeit und festlichen Anlässen ändern kann. „Das spart Zeit, Geld und Kraftstoff für die Fahrzeuge“, sagt Ostermann.
Einige Abfallunternehmen nutzen diese Daten nicht nur zur Optimierung ihrer Tourenpläne. Sie informieren auch ihre Kunden darüber. So zeigt die Smartphone-App des Norderstedter Betriebsamtes zum Beispiel nach einem Ampelsystem an, wie voll die Container für Papier, Textilien und Elektrogeräte an den verschiedenen Standorten bereits sind. Bei Grün können die Bürgerinnen und Bürger diese Wertstoffe dort noch problemlos abgeben. Bei Gelb oder Rot sollten sie lieber eine andere Wertstoffinsel anfahren, um nicht in die Versuchung zu geraten, die wiederzuverwertenden Rohstoffe neben die Container abzustellen oder sie wieder mit nach Hause nehmen zu müssen.
Norderstedter Betriebsamt hat Technik getestet und dann flächendeckend eingeführt
Für Altpapier klappt dieses System in Norderstedt noch nicht, weil dafür ein anderes Entsorgungsunternehmen zuständig sei. „Aber wir sind in Gesprächen mit dem Anbieter“, erklärt Ostermann. Das Norderstedter Betriebsamt habe die Sensortechnik zunächst ein paar Jahre ausprobiert, bevor sie dann flächendeckend installiert worden sei, berichtet Ostermann.
Ursprünglich waren die Norderstedter Sensoren als moderne Bewegungsmelder entwickelt worden, um zum Beispiel Graffiti-Schmierereien an Bahnhöfen oder Kabeldiebstähle bei Windkraftanlagen zu verhindern, sagt Ostermann. Doch das habe nur mittelprächtig funktioniert. Zum einen sei die Technik dafür nicht ganz ausgereift gewesen, und zum anderen hätte das Fernmeldesystem noch mit personeller Überwachung unterstützt werden müssen. Was es unwirtschaftlich machte.
Sensoren könnten gekauft, gemietet oder abonniert werden
Daraufhin hätten seine Software-Entwickler die jetzige Anwendung für die Abfall-, Recycling- und Rohstoffindustrie ausgearbeitet. Die gesamte Technologie, von der Messtechnik über die elektronische Übertragung der Daten und ihrer Weiterverarbeitung in die vorhandenen Betriebssysteme der Kunden, werde von Adhoc Networks entwickelt und konstruiert. „Wir bieten alles aus einer Hand“, sagt Ostermann.
Die Sensoren könnten gekauft oder auch für eine monatliche Rate gemietet oder abonniert werden, wobei die Kunden dann jederzeit auf dem neuesten Stand wären. Über Software-Updates könnten diese aus der Ferne gesteuert und sogar repariert werden, ohne dass der Kunde dies merke. Notfalls würden sie ausgetauscht, falls der Fehler nicht mehr korrigiert werden kann.
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Mit hochmoderner Messtechnik, die in hochsensiblen Bereichen Distanzen oder Füllstände misst, kennt sich der Norderstedter Unternehmer sehr gut aus. Seit 2008 arbeitet er für das Unternehmen Stein Sohn, das ebenfalls an der Oststraße liegt und inzwischen ihm mit 20 Mitarbeitenden gehöre. Dieses Traditionsunternehmen, das seit 1878 die Schiffindustrie bedient, hat zum Beispiel die Messtechnik für die deutsche U-Bootindustrie entwickelt, die elektronisch, aber auch hydraulisch misst, wie viele Hundert Meter tief das U-Boot bereits getaucht ist. „Das funktioniert elektronisch und auch ohne Strom“, sagt Ostermann.
Firma aus Bremen unterstützt das Norderstedter Start-up
Das Unternehmen Adhoc Networks, das bereits zehn Mitarbeitende beschäftigt, hat nun auch einen Partner aus der Abfallwirtschaft gefunden. Die Firma Nehlsen aus Bremen sei auf das Know-how aus Norderstedt aufmerksam geworden und unterstütze Adhoc Networks jetzt als Mitgesellschafter finanziell und mit reichlich Insiderwissen aus der Abfallbranche.
Der zunehmende Fachkräftemangel werde solche elektronischen Lösungen in Zukunft immer wichtiger machen, ist Ostermann überzeugt. Wenn der althergebrachte Wissensschatz, den erfahrene Müllwerker heute vielleicht noch mit der Technik mithalten ließen, durch die Überalterung der Bevölkerung mit den Menschen in Rente gehe, werde es ohne solche Fernsteuerungssystem nicht mehr gehen.