Norderstedt. Lust auf einen Quiz- oder Skatabend? Sie wollen HSV oder „Tatort“ gucken und eine rauchen? Wir stellen sechs Norderstedter Kneipen vor.

Feierabend. Nach Hause? Noch nicht. Dort ist niemand. Sonntagnachmittag. Fußball. Allein gucken? Bringt keinen Spaß. Mit wem soll man jubeln, wenn Pauli ein Tor geschossen hat? Oder heulen, wenn der HSV verliert. Nichts im Fernsehen? „Tatort“ vorbei? Zu früh fürs Bett. Zumal dort auch niemand ist.

Wohl denen, die eine Kneipe ums Eck haben. In der Nachbarschaft. So‘ne Pinte, in der eine waschechte Wirtin hinter der Theke steht und einen Schnack hält, während der Wirt das kühle Blonde und den dunklen Bock vom Fass zapft. Wo der Aquavit eiskalt ist, und der Zitronenschnaps trübe Gedanken vertreibt. Wo man die Nachbarn trifft, Annika und Andreas, Cornelia und Claas, Katrin und Kevin, Gaby und Günther, Jennifer und Jonathan, Jan und Hein. Und wo man noch ungestraft am warmen Tresen eine rauchen kann. Dafür gibt‘s kein Essen. Will man ja auch gar nicht. Reden will man und lachen.

Die Nachbarschaftskneipe ersetzt oftmals den Seelenklempner

Die Nachbarschaftskneipe ersetzt den Seelenklempner, spendet Trost, wenn Frau oder Mann plötzlich nicht mehr da ist. Die Kneipen sind „ums Eck“, zu Fuß zu erreichen, und es ist immer jemand da zum Reden, zum Lachen und auch zum Weinen, Karten spielen und Knobeln, Dartscheiben malträtieren oder gemeinsam HSV und Pauli gucken.

Laut Norderstedts Verwaltung gibt es in der Stadt zehn „Schankwirtschaften als Raucherbar“, eben die Kneipen. Für eine Stadt mit 82.000 Einwohnern eigentlich viel zu wenig. Zumal davon drei Lokale als Shisha-Bar angemeldet sind. Außerdem weist die Stadt zwei Schankwirtschaften als Nichtraucherkneipen und 123 Restaurants als Schank- und Speisewirtschaft aus. Gaststätten ohne Alkoholausschank brauchen keine Genehmigung seitens der Stadt und werden auch nicht registriert.

Wir stellen sechs echte Norderstedter Kneipen und ihre Gäste vor

Eines eint die echten Norderstedter Kneipen alle – sie leben von ihren Stammgästen, die sich einander fast alle kennen, die in der Nachbarschaft wohnen, die in Ruhe einen trinken, miteinander spielen oder Fußball gucken wollen. Dafür laden die Kneipen-Inhaber zu Veranstaltungen ein, zu Motto-, Spiele- und Quizabenden, zu Dart-Turnieren und Skatrunden bis hin zum Karaoke-Singen und Tanz vorm Tresen oder im Gastgarten. Die meisten haben auch zu besonders anstrengenden Festtagen wie Heiligabend, Weihnachten und Silvester geöffnet und veranstalten besondere Partys.

Und wenn man sich in den Kneipen mal so umhört, dann gibt es noch etwas, was wohl fast alle Kneipenbesucher unterschreiben würden: „Helft, damit die Kneipen nicht sterben, sie sind lebenswichtig, sie sind der Kitt unserer Gesellschaft, sie halten uns lebendig, ersetzen Therapeuten und fördern das gute Miteinander.“

„Herz von Garstedt“ darf auch mal getanzt werden

Beispielsweise das „Herz von Garstedt“ an der Tannenhofstraße 4. Wirtin Jutta Ackerl ist die Seele der Pinte. Seit 16 Jahren steht sie hinterm Tresen, hört zu, lacht mit, tröstet und macht Mut. „Hier gab es schon immer eine Kneipe, wir sind mitten in Garstedt und haben alle anderen Wirtschaften überlebt“, sagt Jutta Ackerl. Sie öffnet ihr „Herz“ jeden Tag um 14 Uhr, sonnabends und sonntags schon um 13 Uhr, immer, bis der letzte Gast geht, sonntags ist um 18 Uhr Schluss. Auch sie muss mal schlafen. Bei ihr und ihrem Geschäftspartner dürfen die Gäste darten, kickern und einfach nur sie selbst sein. Fünf Angestellte mit einem Aushilfe-Vertrag unterstützen sie. Man kennt sich, und wer Ärger macht, weil er zu viel trinkt und randaliert, bekommt Hausverbot.

Jutta Ackerl, Wirtin im „Herz von Garstedt“ an der Tannenhofstraße 4, zapft ihren Gästen gern ein frisches Bier.
Jutta Ackerl, Wirtin im „Herz von Garstedt“ an der Tannenhofstraße 4, zapft ihren Gästen gern ein frisches Bier. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Das aber gab es seit Jahren nicht mehr, dafür darf am Tresen auch schon mal getanzt werden, beispielsweise auf ihrem Sommerfest. Jutta Ackerls Spezialität ist ein selbst gebrannter Lakritz-Schnaps.

An einer Wand hängt der Blechschrank des Sparclubs, in den Jörg Larsson gerade einige Euro steckt: „Ich spare für meinen Urlaub mit ,Mein Schiff‘ nach Norwegen“. Aus der Jukebox trällert Nenas „99 Luftballons“.

Im „Bierkrug“ treffen sich HSV-Fans

Von Garstedt geht es nach Harksheide in den Schmuggelstieg 13, in den „Bierkrug“ an der Landesgrenze zu Hamburg. „HSV-Kneipe“ steht groß als Zusatz unter dem Kneipen-Logo. Seit einem Jahr hat Manuel Ahrens hier das Sagen. Er freut sich, mit den Stammgästen am Wochenende auch zunehmend junge Leute begrüßen zu können. „Die schätzen die Gemütlichkeit und das zwanglose Zusammensein“, sagt Ahrens. Seine Spezialitäten sind Ducksteiner und Warsteiner vom Fass, und im Mai gibt es einen Maibock vom vierten Zapfhahn. Wer mag, bestellt sich dazu einen selbst aufgesetzten Lakritz-Schnaps, einen „Elfer“ oder den Sahneschnaps „Mexicana“.

Im „Bierkrug“ am Schmuggelstieg 13, kurz vor der Hamburger Grenze, fühlen sich Wirt Manuel Ahrens (v. l.) und seine Gäste Andreas, Dieter, Andreas, Mario und Kevin wohl.
Im „Bierkrug“ am Schmuggelstieg 13, kurz vor der Hamburger Grenze, fühlen sich Wirt Manuel Ahrens (v. l.) und seine Gäste Andreas, Dieter, Andreas, Mario und Kevin wohl. © Norderstedt | Heike Linde-Lembke

„Ich bin hier seit 20 Jahren Stammgast und habe schon mehrere Wirte erlebt, ich bin so zweimal in der Woche hier, denn hier treffe ich immer Leute zum Reden“, sagt Gast Mario Wolff. Er ist 48 Jahre alt, Lagerarbeiter und bringt auch schon mal seine Kolleginnen und Kollegen mit in seine Stammkneipe am Schmuggelstieg. Und wenn dann noch getanzt wird, sind alle gut drauf (geöffnet täglich ab 12 Uhr, für jedes Tor gibt es einen Kurzen aufs Haus, 0173/2324264).

In der „Mausefalle“ darf man auch mal dummes Zeug sabbeln

Weiter führt die Kneipentour in den Harksheider Norden in die „Mausefalle“ am Weg am Denkmal 4, in Sabine Pförtners Reich, wenn Wirt Benjamin Suhr mal „außer Haus“ ist. Die „Mausefalle“ ist wie viele Norderstedter Kneipen „schon immer dagewesen“. Viele sind nur leider völlig verschwunden. Die „Mausefalle“, schräg gegenüber der Grundschule Weg am Denkmal, gibt es offenbar seit den 1960er-Jahren. Auch hier treffen sich Stammgäste. „Hier gibt es keine Laufkundschaft, nachmittags kommen vielleicht mal Handwerker vorbei, wenn sie Feierabend gemacht haben, aber sonst geht der Betrieb so um 22 Uhr richtig los“, sagt Sabine Pförtner. Schluss ist erst, wenn sie die Tür abschließt.

Sabine Pförtner (2. v. l.), die in der „Mausefalle“, Weg am Denkmal 4, den erkrankten Wirt Benjamin Suhr am Zapfhahn vertritt, freut sich über ihre Stammgäste Herzi (v. l.) Lohre und Uwe.
Sabine Pförtner (2. v. l.), die in der „Mausefalle“, Weg am Denkmal 4, den erkrankten Wirt Benjamin Suhr am Zapfhahn vertritt, freut sich über ihre Stammgäste Herzi (v. l.) Lohre und Uwe. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Einer der hartnäckigsten Stammkunden ist Herzi, ein Mann aus der Nachbarschaft. „Ich warne davor, Kneipen sterben zu lassen, denn sie sind der Ort, wo die Menschen ihre kranken Seelen reinigen können“, philosophiert er. Kumpan Lohre, 63 Jahre, Polizist und seit 35 Jahren Herzis Fußballpartner, meint: „Ich bin zwei- bis dreimal in der Woche hier und kenne die ,Mausefalle‘ seit 40 Jahren, hier darf man auch mal dummes Zeug sabbeln, hört Neues und weiß, was im Dorf so los ist.“

Der dritte in der Runde ist Uwe Behrendt. Er hat vor zwei Jahren seine Ehefrau verloren, suchte einen neuen Anker und tourte durch alle Kneipen zwischen Langenhorn und Norderstedt-Nord. „Hier fühle ich mich wohl“, sagt der Anti-Alkoholiker, der noch heute extra aus Langenhorn in die „Mausefalle“ fährt. Regelmäßig. Jeden Freitagabend (Geöffnet hat die „Mausefalle“ von Montag bis Sonnabend, 15 bis 24 Uhr, Sonntag geschlossen, 040/32590844.)

In der „kleinen Kneipe“ gibt es Karaoke-Abende und Motto-Partys

Ebenfalls im Harksheider Norden, fast am Rand von Friedrichsgabe und so kurz vor dem Gewerbegebiet Oststraße, lädt „Die kleine Kneipe“ an der Falkenbergstraße 202 auf ein Bierchen oder Kaffee mit Likörchen ein. Seit 22 Jahren steht Jens Apfelbaum hinterm Tresen. Gegründet wurde die Kneipe bereits 1954, besteht also in diesem Jahr stolze 70 Jahre.

Wird gefeiert? „Immer!“, antwortet Jens Apfelbaum, und seine Stammgäste am Tresen stimmen fröhlich zu. Ganz starkes Lob gibt es von Stammgast Claudia: „Hier können Frauen auch allein reinkommen und werden nicht belästigt, das finde ich klasse.“ Jens Apfelbaum lädt auch zum Karaoke-Abend ein: „Dann ist hier fix was los“, sagt seine Tresen-Mitarbeiterin Tatjana, die seit eineinhalb Jahre frische Biere zapft. Auch Motto-Partys finden in der „Kleinen Kneipe“ statt, beispielsweise zum Vatertag, zu Heiligabend, Weihnachten und Silvester.

In der „Kleinen Kneipe“ an der Falkenbergstraße 202 ist immer viel Betrieb. Während Tatjana (v. l.), frisches Bier zapft, freut sich das Ehepaar Thorsten und Petra mit Wirt Jens Apfelbaum, Natascha und ihren Lebensgefährten Jens über ihre gemütliche Runde.
In der „Kleinen Kneipe“ an der Falkenbergstraße 202 ist immer viel Betrieb. Während Tatjana (v. l.), frisches Bier zapft, freut sich das Ehepaar Thorsten und Petra mit Wirt Jens Apfelbaum, Natascha und ihren Lebensgefährten Jens über ihre gemütliche Runde. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

„Ich habe einfach Freude daran, Menschen zu begegnen, und da macht es mir auch nichts aus, wenn die letzten Gäste erst weit nach Mitternacht nach Hause gehen“, sagt Jens Apfelbaum. Einige Gäste kämen schon um 12 Uhr, andere genießen ihren Feierabend-Absacker bei Jens Apfelbaum, der Heiligabend zum Frühschoppen einlädt, um dann die Kneipe ab 22 Uhr – „nach der Familie“ – wieder zu öffnen (kontakt@kleine-kneipe-norderstedt.de, 040/5224112).

Wer im „Max und Moritz“ rechte Parolen grölt, fliegt sofort raus

Zurück nach Harksheide-Süd. Ins „Max und Moritz“ am Wilhelm-Busch-Platz gegenüber dem Wilhelm-Busch-Hotel und direkt an den zwei Wohntürmen Max und Moritz gekuschelt.

Die Luft ist zum Schneiden, die Kneipe gerammelt voll, egal, ob am Tresen, auf den langen Bänken oder an den Bistro-Tischen. Wirt Carsten Prehn hat wieder einmal eine interessante Veranstaltung organisiert, diesmal einen Quizabend. Als Gewinne winken Schinken und Würste, Wein und Gummibärchen, Kuchen und Kekse. Auch Knobel-Turniere und Bingo-Wettbewerbe steigen im „Max und Moritz“.

Susann (v. l.), Julia und Inge treffen sich gern bei Wirt Carsten Prehn in dessen Kneipe „Max und Moritz“ am Wilhelm-Busch-Platz.
Susann (v. l.), Julia und Inge treffen sich gern bei Wirt Carsten Prehn in dessen Kneipe „Max und Moritz“ am Wilhelm-Busch-Platz. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Die Kneipe gibt es seit 1950, Carsten Prehn bewirtschaftet sie seit Juni 2013. „Wir haben aufgrund des Hotels Gäste aus aller Welt, aber unsere Stammkunden kommen aus der Nachbarschaft, aus Glashütte, Garstedt und Langenhorn“, sagt Wirt Prehn, der stolz auf seine Sammlung von weit mehr als 100 Biergläsern alter Hamburger Brauereien ist, die es zum Teil gar nicht mehr gibt.

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Seine Zielgruppe: Gäste von 18 bis 80, darunter auch Jens, der im Übrigen auch Stammgast im „Herz von Garstedt“ ist. Oder Stephan, der die Kneipe „sooo gemütlich“ findet. Eines aber kann Carsten Prehn nun gar nicht leiden: Gäste mit rechten Parolen. Die fliegen raus und bekommen Hausverbot (geöffnet montags bis donnerstags, 17 bis 23 Uhr, freitags 16 bis 2 Uhr, sonnabends, 10 bis 2 Uhr, sonntags, 10 bis 20 Uhr, 0175/5914102).

„Treffpunkt Alex“ ist bald auch im TV zu sehen

Eine Viertelstunde per Fahrrad in Norderstedts Ortsteil Glashütte hat Alexandros Charalampidis auf dem Glashütter Markt an der Mittelstraße 74 die alte Kneipe „Schäfers Biergrube“ vor neun Monaten neu gestaltet und „Treffpunkt Alex“ genannt. Stolz zeigt er seinen 13 Meter langen Tresen, der der längste Tresen in ganz Norddeutschland sein soll.

Wirt Alexandros Charalampidis am Zapfhahn lädt seine Stammgäste auch gern einmal zu einer lockeren Runde Bier ein.
Wirt Alexandros Charalampidis am Zapfhahn lädt seine Stammgäste auch gern einmal zu einer lockeren Runde Bier ein. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Bis zu 50 Personen können bei Alex abfeiern. Der junge Wirt lädt auch gern zu Veranstaltungen ein: „Der Laden brummt, und ich bin wirklich glücklich über meine Gäste, darunter viele Stammkunden.“ Die frisch renovierte Kneipe war auch Drehort für den ARD-Film „Schwarze Früchte“, der ab Sommer in der ARD-Mediathek zu sehen sein wird (geöffnet montags bis donnerstags 16 bis 23 Uhr, freitags und sonnabends 16 bis 2 Uhr, sonntags 16 bis 22 Uhr, 0172/2790990).