Norderstedt. Am Achternkamp in Norderstedt liegen die Nerven der Grundstücksbesitzer blank: Warum sie den teuren Ausbau ihrer Straße sinnlos finden.

Für vier Grundstücksbesitzer der Straße Achternkamp in Norderstedt steht am Donnerstag viel Geld auf dem Spiel. Sollte der Norderstedter Stadtentwicklungsausschuss in seiner Sitzung dem Vorschlag der Verwaltung folgen, die bislang kaum ausgebaute Schlaglochpiste zu einer verkehrsberuhigten Shared-Space-Straße auszubauen, müssten die vier Besitzer der fünf anliegenden Grundstücke 90 Prozent der Ausbaukosten von 141.000 Euro übernehmen – so schreibt es das Bundesbaugesetzbuch bei erstmaligem und endgültigem Ausbau von Straßen vor.

Für zwei Eckgrundstücke am Achternkamp wären dann jeweils etwa 20.000 Euro fällig, für die drei Mittelgrundstücke 28.000 bis 33.000 Euro. „Wie sollen wir das bezahlen?“, fragt Elham Rahmani, die mit ihrem Mann und einem Baby erst seit August 2022 dort in einem Häuschen aus dem Jahr 1969 auf einem 815 Quadratmeter großen Grundstück wohnt.

Junge Familie fürchtet finanzielle Überlastung

Zum Hauskredit, den die junge Familie jetzt abbezahlen müsste, hätten sie ihr Erspartes in die energetische Sanierung des alten Hauses gesteckt: Fenster ausgetauscht, Heizung erneuert, das Dach gedämmt. „Jetzt sollen wir wieder einen Kredit aufnehmen für einen Straßenausbau, der unseres Erachtens völlig unnötig ist“, ärgert sie sich.

Und die junge Mutter und Norderstedter Neubürgerin, die zurzeit in Elternzeit ist, verweist auf ihren notariell beglaubigten Kaufvertrag vom Juli 2022, in dem es wörtlich heißt, dass „der Verkäufer versichert, dass ihm nicht bekannt ist, dass derartige Maßnahmen bevorstehen“, womit ausdrücklich der jetzt bevorstehende Straßenausbau des Achterkamps gemeint ist. Zudem liege der Familie ein Schreiben der Stadt Norderstedt dazu vom Februar 2022 vor, das diese Aussage im Kaufvertrag eindeutig bestätigt, erklärt Elham Rahmani. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die das ein Jahr vorher noch nicht gewusst haben.“

„Ausbau stand 60 Jahre lang nicht zur Debatte!“

Die junge Familie ist nicht die einzige, die sich gegen diesen Straßenausbau sträubt und den Sinn nicht verstehen kann. Anlieger Reinhard Zuch, der ein etwa 900 Quadratmeter großes Eckgrundstück bewohnt, das seine Eltern 1962 bebaut haben, hat der Verwaltung in mehreren Schreiben versucht deutlich zu machen, wie unnötig dieser Straßenausbau sei. Der nur mit einer leichten Asphaltdecke und vielen Schlaglöchern versehene Achternkamp werde praktisch nur von den Anwohnern, der Müllabfuhr und den Postboten befahren.

Alle anderen Autofahrer mieden diese Schlaglochpiste und führen über das ausgebaute Buckhörner Moor zum Friedrichsgaber Weg oder zur Rathausallee. Insofern könne er das Argument der Verwaltung nicht nachvollziehen, dass die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet wäre, wenn die Straße nicht ausgebaut werden würde. „Die Asphaltdecke besteht hier schon seit 50 Jahren“, erklärt er. „Ein Ausbau stand 60 Jahre nicht zur Debatte.“

Baustellenverkehr soll Straße ruiniert haben

Die Straße Achternkamp weist zahlreiche Schlaglöcher auf, für die nach Angaben der Anlieger aber der Baustellenverkehr für den Wohnpark Moorbekpark verantwortlich sei, der von 2019 bis 2022 im Buckhörner Moor errichtet wurde.
Die Straße Achternkamp weist zahlreiche Schlaglöcher auf, für die nach Angaben der Anlieger aber der Baustellenverkehr für den Wohnpark Moorbekpark verantwortlich sei, der von 2019 bis 2022 im Buckhörner Moor errichtet wurde. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Erst jetzt sei dies auf einmal der Fall, nachdem das Buckhörner Moor mit den zum „Wohnen im Moorbekpark“ gehörenden Mehrfamilienhäusern bebaut wurde. „Aber durch diesen baustellenbedingten Schwerlastverkehr in den Jahren 2019 bis 2022 ist erst den Achternkamp stark beschädigt worden“, betont Anlieger Zuch.

Somit fragen sich die jetzt betroffenen Anwohner, warum dafür nicht die Häuslebauer oder Baufirmen im Buckhörner Moor verantwortlich gemacht werden sollen. Schließlich hätten sie erst diesen Zustand verursacht, den die Verwaltung nun auf einmal als so schlecht und marode einschätzt, dass er „nicht durch Unterhaltungsmaßnahmen verbessert werden kann.“

Grundstücksbesitzer: Stadt muss mehr Kosten übernehmen

Pensionär Zuch selbst hat nicht einmal einen Zugang zum Achternkamp. Der ist versperrt von einem Knick, den schon seine Eltern angelegt und gepflegt haben und um dessen Erhalt er nun fürchte, sollte die nur 140 Meter kurze Straße tatsächlich wie von der Verwaltung beschrieben auf einer Breite von 4,75 Meter ausgebaut werden. Für Zuch wäre es ohnehin der zweite kostspielige Ausbeitrag, den er innerhalb von wenigen Jahren zu tragen hätte. Gerade erst habe er 6000 Euro für den Ausbau des Buckhörner Moores zahlen müssen, wo sich auch seine Hausadresse befindet.

Zudem hält es Anlieger Zuch nicht für gerecht, dass die nicht bebaute andere Straßenseite des Achternkamps – ein Knickgrundstück mit alten Bäumen – nicht bei der Berechnung der Ausbaukosten berücksichtigt werden soll. Schließlich sei die vollständig in städtischem Eigentum. „Der Grünstreifen liegt im Interesse der Allgemeinheit“, argumentiert er. Somit müsste auch die Stadt mehr als jene zehn Prozent der Ausbaukosten tragen.

Anwohner sieht Gefahr für alte Eichen

Dirk Hendess, ein weiterer Anwohner vom Buckhörner Moor, hält gerade wegen dieses Grünstreifens mit den mehr als 100 Jahre alten Eichen den Straßenausbau für widersinnig. Er würde sogar einem Beschluss der Stadtvertretung widersprechen, alten Baumbestand in Norderstedt zu entsiegeln. Und hier solle nun ein alter Knick mit hohen Eichen, der früher zum Hof Lüdemann gehörte, plötzlich versiegelt werden. „Wir sollten diese alten Eichen lieber schützen als sie zu gefährden“, fordert Hendess. Dass gerade alte Bäume gut für das Stadtklima seien, sollte heute doch auch den Mitarbeitenden einer Verwaltung bekannt sein, wundert er sich.

Auch das wohl von politischer Seite vorgetragene Argument, die Grundstücke würden durch den Straßenausbau ihren Wert so erhöhen, dass die Ausbaubeiträge keine Rolle spielten, können die Anlieger nicht nachvollziehen. „Ich will gar nicht verkaufen“, sagt der 72 Jahre Zuch. Umgekehrt werde ein Schuh daraus, findet Anliegerin Elham Rahmani. Ihre mitbetroffenen Nachbarn, die alle im Rentenalter seien, bekämen doch kaum einen Kredit dafür. „Für mich ist das dann eine indirekte Enteignung dieser Leute.“

Ausschuss tagt am Donnerstag im Wohnpark Levenslust

Die Anlieger könnten sich mit einer instandhaltenden Baumaßnahme des Achternkamps arrangieren, die nach Angaben der Verwaltung 25.000 bis 40.000 Euro kosten soll und bestimmt länger als zehn Jahre hielte, weil der Achternkamp weiterhin kaum befahren werden würde, mutmaßt Anwohner Zuch.

Sein Nachbar Hendess macht dazu den Vorschlag, den Achternkamp lieber als einen Wanderweg zwischen dem Moorbekpark und dem Friedrichsgaber Weg zu belassen. Zumal sich dort auf einer Seite schon das Paul-Gerhardt Kinderhaus mit etwa 100 betreuten Kleinkindern befinde und auf der anderen Seite eine weitere Kita geplant sei. „Durch einen Ausbau des Achternkamps, der dann dort zu mehr Verkehr führen wird, wären diese Kinder viel stärker gefährdet als es ohne den Ausbau der Fall wäre.“

Die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr der Norderstedter Stadtvertretung berät darüber am Donnerstag, 15. Februar, von 18.15 Uhr an im Wohnpark Levenslust der Wohnungsbaugenossenschaft Adlershorst am Exerzierplatz 2. Die Sitzung ist öffentlich.