Norderstedt. Auf Radwegen in Norderstedt und im Kreis wird das Fahren bei Eis und Schnee gefährlich – während Autos freie Fahrt haben.

Es gibt diesen Spruch unter Autofahrern. „Ich liebe den Winter – da gehört die Straße wieder mir alleine!“ Denn die Radfahrer sind größtenteils aus dem Verkehrsraum verschwunden, wenn Eis und Schnee Einzug halten. Genau gegen dieses Denken läuft jetzt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Sturm. „Mit der einseitigen Priorisierung des Autoverkehrs beim Winterdienst muss endlich Schluss sein. Nur dann werden auch weiterhin mehr Menschen im Winter aufs Fahrrad steigen“, sagt Stephanie Meyer, Landesvorsitzende des ADFC Schleswig-Holstein.

Ob in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg oder dem Rest des Kreises Segeberg: Schnee, Graupel und stark gefallenen Temperaturen machen viele Radwege unbefahrbar. „Wenn Schleswig-Holstein Fahrradland sein möchte, muss sich im Winter die Priorität deutlich weg vom Auto hin zur Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer, insbesondere der schwächsten, verlagern“, sagt Meyer. „Kommunen sind jetzt schon verpflichtet, verkehrswichtige innerörtliche Radwege und gefährliche Stellen zu räumen und zu streuen, und zwar vor Einsetzen des Schul- und Berufsverkehrs.“

Norderstedt räumt in einer Nacht 360 Radwegkilometer

Tatsächlich würden Radwege in vielen Städten aber erst nach den Fahrbahnen oder gar nicht geräumt. „Oft wird Schnee oder Laub auch von den Fahrbahnen auf die Radwege geschoben. „Leider erleben wir das immer noch viel zu oft, dass zuerst die Autostraßen vom Schnee befreit werden. Nur dass dieser Schnee dann auf den Radwegen landet, dort festfriert und diese damit unbefahrbar macht,“ so Meyer.

In Norderstedt wird die Fahrt derzeit auf etlichen Radwegen zur gefährlichen Rutschpartie. Festgefahrener und zu Eis gewordener Schnee ist flächendeckend festzustellen. Und das, obwohl die Stadt und ihr Betriebsamt sich um die Räumung der Radwege laufend bemüht.

Bei Schneefall seien 25 Kolleginnen und Kollegen des Winterdienstes von 2 Uhr an am Räumtag im Einsatz, lange vor dem Pendler-und Berufsverkehr. Geräumt und gestreut wird mit Priorität auf großen Hauptstraßen und den sie begleitenden Radwegen. In der vorigen Woche seien es 330 Kilometer Straßen und annähernd 360 Kilometer Radwege und Velorouten gewesen. Es kämen fünf große Räum- und Kombistreu-Fahrzeuge sowie sieben sogenannte Kleinräumfahrzeuge zum Einsatz. Dazu sogenannte „Handtouren“, die teils durch von der Stadt beauftragten Firmen übernommen werden (Bushaltestellen, Überwege, Wertstoffinseln).

ADFC kritisiert Radwege in Henstedt-Ulzburg

In Henstedt-Ulzburg sind die Mitglieder des ADFC genervt von dem, was sie derzeit auf den Radwegen der Großgemeinde vorfinden. Das entspreche nicht ihrem Verständnis von Gleichberechtigung im Verkehr. „Herabgefallenes Laub und Schnee machen viele Radwege in der dunklen Jahreszeit nicht befahrbar“, sagt der Ortsvorsitzende Jens Daberkow. Deshalb fordere der ADFC die Gemeinde auf, Radwege zuverlässig und zeitnah zu räumen. „Denn Radfahren ist auch im Herbst und Winter eine nachhaltige und gesunde Alternative zum Auto. Dafür müssen die aber in fahrtauglichem Zustand gehalten werden“.

Jens Daberkow mahnt: „Kommunen sind jetzt schon verpflichtet, verkehrswichtige innerörtliche Radwege und gefährliche Stellen zu räumen und zu streuen, und zwar vor Einsetzen des Schul- und Berufsverkehrs. Und das nicht erst bei Schnee oder Frost, sondern auch bei Laub und Schmutz.“ Er nennt zwei Negativbeispiele im Ort: die Norderstedter Straße auf dem Rhen sowie die Hamburger Straße in Ulzburg-Süd.

Paracelsus-Klinik: Erhöhtes Aufkommen an Schneeunfällen

Tatsächlich kommt es im Kreisgebiet offenbar immer wieder zu Unfällen. Fußgänger und Radfahrer rutschen aus, stürzen und verletzen sich. „Das Aufkommen ist unserer Notaufnahme ist leicht erhöht“, sagte die Sprecherin der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg, Maren Maak. Sie berichtet von Rücken- und Kopfverletzungen sowie Blessuren an den Händen, die beim Abstützen beim Fallen entstehen. Auch der Rettungsdienst verzeichnet das typische wetterbedingte Einsatzaufkommen. „Es ist nun mal Winter“, sagte der Sprecher der Rettungsdienstkooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH), Christian Mandel.

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Wer auf Wegen stürzt, die nicht geräumt und gestreut wurden, kann unter Umständen den Hausbesitzer haftbar machen, der seine Pflichten missachtet hat. Dabei kann auch der Rettungsdienst behilflich sein. In der Regel werde in die Einsatzdokumentation aufgenommen, ob der Unfall auf einem glatten Weg passiert ist, sagte Mandel. Diese Dokumentation könne bei Bedarf angefordert werden. Zum Beispiel um zu dokumentieren, dass an der Stelle weder geräumt noch gestreut worden ist.

Grundstücksbesitzer müssen Geh- und Radweg räumen

Zur Erinnerung: Norderstedter Grundstücksbesitzer müssen bei Schnee und Glätte auf Geh- und Radwegen werktags zwischen 7 und 20 Uhr und sonn- und feiertags zwischen 9 und 20 Uhr unverzüglich nach beendetem Schneefall oder bei Eisglätte für Sicherheit auf Geh- und Radweg sorgen, jeweils auf mindestens 1,50 Meter breiten Streifen. Diese müssen mit Sand, Kies oder Schlacke bestreut werden (kein Salz!).

Mit mahnenden Worten richtet sich der ADFC aber auch an die eigenen Mitglieder: „Hier gilt die Devise: Sehen und gesehen werden. Funktionierende Beleuchtung sollte am Rad oder in der Tasche stets dabei sein“, sagt die ADFC-Vorsitzende Meyer: „Denn auch bei Minustemperaturen ist das Fahrrad eine gute Alternative zum Auto – mit der richtigen Kleidung muss man auch beim Radeln nicht frieren!“