Kiel/Henstedt-Ulzburg. Jahrhundertprojekt Energiewende: Netzbetreiber TenneT bekam in Kiel grünes Licht für die Bauarbeiten im Kreis Segeberg.
Wer die deutsche Energiewende in der Realität erleben will, der sollte sich die Baustelle des Netzbetreibers TenneT bei Kisdorferwohld anschauen. Hier werden die Vorbereitungen dafür getroffen, dass demnächst die 380-Kilovolt-Stromleitungen im sogenannten Dükerverfahren unter die Erde gebracht werden. Und dass in Zukunft im Untergrund der regenerative Windstrom, gewonnen von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen in Ostholstein, nach ganz Deutschland fließen kann.
Auch wenn die vorbereitenden Arbeiten schon laufen – offiziell wurde der Startschuss für das Jahrundertprojekt Ostküstenleitung am Freitag mit einem formellen Akt in Kiel gegeben. Das Amt für Planfeststellung Energie erließ den Planfeststellungsbeschluss für den ersten Abschnitt der Ostküstenleitung.
Erster Bauabschnitt bis Lübeck soll 2025 fertig sein
Damit ist der Weg für den Übertragungsnetzbetreiber TenneT frei, um sämtliche Baumaßnahmen auf der rund 50 Kilometer langen Teilstrecke vom Kreis Segeberg bis zum Raum Lübeck konsequent umzusetzen. Die Fertigstellung des ersten Abschnitts ist für das Jahr 2025 geplant – die gesamte Ostküstenleitung wird im Jahr 2027 in Betrieb gehen.
Der Bauabschnitt in Henstedt-Ulzburg liegt dabei besonders im Fokus. Denn die TenneT bezeichnet es als eine technische Innovationen, dass in der Großgemeinde und in Kisdorferwohld Teile der Drehstromleitung unterirdisch verlegt werden. Ein Verfahren, dass in ganz Deutschland in dieser Kostellation nur sehr selten angewandt werde.
Innovatives Düker-Verfahren in Henstedt-Ulzburg
Das Amt für Planfeststellung Energie habe genehmigt, dass in dem einem Teilabschnitt der 4,1 Kilometer langen Trasse die Erdkabel mittels Rohrvortrieb, einem „Düker“, verlegt werden dürfen – die Bohrung könne damit durchgängig auf 965 Meter vorgenommen werden.
„Durch diese Technologie werden nur noch zwei statt zwölf Bohrungen durchgeführt, Grundwasser und Quelltöpfe der Pinnau noch besser geschont und der Flächenbedarf um 70 Prozent reduziert“, teilt die TenneT mit. „Zusätzlich ist dieses Verfahren noch besser für die eiszeitlichen Böden mit Findlingsvorkommen geeignet.“ Mit der Beantragung des Düker-Rohrvortriebs reagierte TenneT auch auf die Findlings-Hinweise aus dem Bürger-Dialog.
TenneT will konstruktiv mit der Bevölkerung arbeiten
„Die Wahl der innovativen Rohrvortriebsverfahren in Henstedt-Ulzburg zeigt, dass wir die Bedenken vor Ort ernst nehmen und gemeinsam um die besten Lösungen ringen. Die anstehende Bauphase werden wir auch weiterhin in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Bevölkerung organisieren“, sagte TenneT-COO Tim Meyerjürgens am Freitag.
„Mit dem Erdkabelpilotprojekt Ostküstenleitung haben wir die Chance, die Teilerdverkabelung einer Wechselstrom-Höchstspannungsleitung auch in Schleswig-Holstein zu erproben“, sagte Schleswig-Holsteins Energiewendestaatssekretär Joschka Knuth. „Die Planung war dadurch zwar aufwändiger, aber wir konnten mit der Erdkabeloption gute Lösungen für die Region erarbeiten.“
Klimaneutralität: Ostküstenleitung ist wichtiger Baustein
Die Ostküstenleitung werde zu einer der wichtigsten Energieachsen in Schleswig-Holstein, sagte Knuth. „Wir brauchen sie, um Windenergie und Photovoltaik an unserer Ostseeküste weiter auszubauen und für den Stromaustausch mit Schweden über das Baltic Cable. Der Baubeginn ist ein weiteres Etappenziel auf dem Weg hin zu einem Klimaneutralitätsnetz.“ Nach anfänglichen Startschwierigkeiten soll der Bau der Leitung nun im „Schleswig-Holstein-Tempo“ vorangetrieben werden, so Knuth.
Der erste Bauabschnitt verläuft zwischen einem neu zu errichtenden Umspannwerk in Henstedt-Ulzburg und einem weiteren neuen Umspannwerk in Stockelsdorf (Kreis Ostholstein) bei Lübeck. Die bestehende 220-kV-Höchstspannungsleitung wird bis zur Inbetriebnahme der neuen 380-kV-Leitung weiterbetrieben und anschließend abgebaut. Die neue Leitung verläuft großenteils in direkter Nähe zur bisherigen Leitung. Auf einem Teil der Strecke wird eine bestehende 110-kV-Hochspannungsleitung auf den Masten der neuen Ostküstenleitung mitgeführt.