Kreis Segeberg. Kreis Segeberg will Autobesitzern digitalen Komfort bieten. Doch die Umsetzung hakt. Kritik kommt aus dem Kfz-Gewerbe.

Auto kaufen, sofort online zulassen und losfahren – das ist die schöne neue Welt der „internetbasierten Fahrzeugzulassung (i-Kfz)“. Zum 1. September hat die Bundesregierung Stufe 4 gezündet und damit die letzte Hürde auf dem Weg zur digitalen Inbetriebnahme von Fahrzeugen abgeräumt. „Ziel ist es, die Fahrzeugzulassung einfacher und effizienter zu gestalten“, schreibt das Bundesverkehrsministerium auf seiner Homepage.

Wenn die letzte Stufe von i-Kfz funktioniert, können sich Autofahrer und Autofahrerinnen den Weg zur Zulassungsstelle sparen.
Wenn die letzte Stufe von i-Kfz funktioniert, können sich Autofahrer und Autofahrerinnen den Weg zur Zulassungsstelle sparen. © imago/Waldmüller | imago stock

Der Gang zur Zulassungsstelle mit viel Wartezeit entfällt. Autos können sofort nach der digitalen Zulassung am Straßenverkehr teilnehmen. Bürgerinnen und Bürger müssen nicht mehr warten, bis die Kfz-Dokumente und Plaketten per Post kommen – sie dürfen bis zu zehn Tage ohne fahren und müssen sie auf die Kennzeichen pappen, wenn sie im Briefkasten liegen. Als Nachweis reicht bis dahin der vorläufige digitale Zulassungsbescheid.

Verkehr: Das Auto online zulassen und losfahren – leider nur Illusion

Nicht nur Privatpersonen sollen von der Zulassung via Internet profitieren. Laut Bundesverkehrsministerium wird beim Kraftfahrt-Bundesamt eine Großkundenschnittstelle eingerichtet, sodass auch juristische Personen wie zum Beispiel Autohäuser und Flottenbetreiber Fahrzeuge auf diesem Weg in großer Zahl zulassen können. Der neue Service gilt auch für E-Kennzeichen, Oldtimer-und Saisonkennzeichen.

Wer das neue Angebot nutzt, spart außerdem Geld: Die Gebühren für die internetbasierte Neuzulassung betragen laut Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr 12,80 Euro (im Verkehrsamt 30 Euro), für eine Adressänderung 12,10 Euro (27,10 Euro) und für eine Abmeldung 2,10 Euro (15,90 Euro).

Online-Zulassung: Die letzte Stufe von i-Kfz funktioniert noch nicht

So weit, so schön, so theoretisch, denn: Der neue Service funktioniert noch nicht. Keine Zulassungsbehörde in Schleswig-Holstein kann die Stufe 4 der i-Kfz anbieten, teilt der Kreis Segeberg mit. Das neue Anmeldeverfahren werde schrittweise eingeführt, die einzelnen Schritte gelte es, jetzt abzuarbeiten. Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter (CDU) vertröstet die Autofahrer und Autofahrerinnen: Bis zum Jahreswechsel werde i-Kfz Stufe 4 im Norden funktionieren.

Die Online-Anmeldung mag komfortabel sein, Zeit und Geld sparen, aber: Sie erfordert eine gewisse Online-Affinität, zwölf Aufgaben sind zu absolvieren.

Kleiner Auszug aus der Anleitung des Bundesverkehrsministeriums: i-Kfz-Portal der zuständigen Zulassungsbehörde aufrufen, Identität nachweisen, Sicherheitscode der Zulassungsbescheinigung Teil II freilegen, notwendige Daten in die Antragsmaske des Portals eingeben: Kfz-Kennzeichen und ggf. Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN), Sicherheitscode der Zulassungsbescheinigung Teil II, Datum einer gültigen Hauptuntersuchung (HU) und je nach Fahrzeugtyp Datum einer gültigen Sicherheitsprüfung (SP), eVB-Nummer der Versicherung zum Nachweis der Kfz-Haftpflichtversicherung und so weiter.

Viele Dokumente, viel Elektronik und zwölf Schritte, bis man losfahren kann

Weiter heißt es auf der Internetseite des Bundesverkehrsministerium: Zur Identifizierung brauchen natürliche Personen einen Personalausweis (nPA), eine eID-Karte oder einen elektronischen Aufenthaltstitel (eAT) jeweils mit freigeschalteter eID-Funktion inklusive sechsstelliger PIN und Smartphone mit kostenloser „AusweisApp2“ oder via Kartenlesegerät. Alternativ kann die BundID mit ELSTER-Zertifikat oder nPA/eID/eAT-Authentifizierung verwendet werden. Juristische Personen benötigen das Unternehmenskonto BUND mit ELSTER-Zertifikat. Alles klar?

Ist alles erledigt, kann sich der Autokäufer oder die Autokäuferin ins neue Fahrzeug setzen und losfahren. Voraussetzung: Er oder sie hat sich vorher echte Nummernschild besorgt oder vom Autohaus besorgen lassen.

Online-Zulassung: Kfz-Gewerbe wirft Politik vor, I-Kfz zu verschleppen

Nikolas Sonntag ist Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes in Schleswig-Holstein
Nikolas Sonntag ist Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes in Schleswig-Holstein © Eva Biederbeck

Harsche Kritik kommt vom Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Schleswig-Holstein: „Die Umsetzung verläuft schleppend, wie leider die meisten Digitalisierungen von Verwaltungsleistungen“, sagt Geschäftsführer Jan-Niklas Sonntag. Der Verband bedauere sehr, dass zum Stichtag 1. September 2023 die Kfz-Zulassung kaum weiter digitalisiert worden sei..

Die Nachfrage bei allen Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein habe ergeben, dass zwar grundsätzlich die Einführung einer digitalen Kfz-Zulassung unterstützt wird, umgesetzt habe sie aber bislang kein einziger Kreis. „Nahezu alle Zulassungsstellen teilen darüber hinaus mit, dass es in ihrem Hause aktuell technisch nicht möglich ist, die Dienstleistung in dieser Weise zu erbringen“, sagt Sonntag.

i-Kfz: Auch die Kfz-Betriebe würden profitieren

Dabei hätte die Online-Zulassung, wenn sie denn funktionieren würde, viele Vorteile für Autofahrerinnen und Autofahrer. Aber auch für die Kfz-Betriebe, die die meisten Kundenfahrzeuge anmelden, profitierten.

Die Zulassungsvorgänge könnten schneller und in der zeitlichen Abfolge kalkulierbarer werden, und es könnte der interne Aufwand der Kfz-Betriebe deutlich verringert werden, was bei der derzeitig angespannten Personalsituation aufgrund des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels von zunehmender Bedeutung sei.

Kfz-Verband: Zulassungsstellen erschweren das Anmelden von Fahrzeugen

„Wir bräuchten dringend eine Erleichterung im Bereich der Kfz-Zulassung. Oft können wir nicht genau einkalkulieren, wann unsere Kundenfahrzeuge zugelassen werden können. Das liegt daran, dass bei den Zulassungsstellen die Bearbeitungsdauer nicht immer abschätzbar ist.

Auch gibt es regional sehr unterschiedliche Verfahrensweisen für die Terminbuchung“, sagt Nina Eskildsen, Präsidentin des Kfz-Verbandes im Norden. Statt die Vorgänge zu vereinfachen, erschwerten die Zulassungsstellen das Anmelden von Fahrzeugen durch immer neue Auflagen.

Kfz-Gewerbe macht Politiker für die Verzögerungen verantwortlich

Die Abläufe und Anforderungen im Zulassungswesen müssten dringend vereinheitlicht werden, fordert Michael Ihle, Sprecher des Kfz-Verbands in Schleswig-Holstein. „Die Uneinheitlichkeit gerade im Bereich der Termine für Kfz-Betriebe macht uns das Leben wirklich schwer, da fast alle Autohäuser nicht nur in ihrem Heimatkreis, sondern in mehreren Regionen oder sogar im ganzen Land Zulassungen vornehmen müssen, um diese Dienstleistung für die Kunden zu erbringen. „Oftmals“, so Ihle, „werden auch Zulassungsdienste beauftragt, die das Zulassen in entfernten Kreisen zwar vereinfachen, aber auch verteuern.“

Geschäftsführer Sonntag sieht die Verantwortung für die Verzögerungen bei der letzten Stufe der I-Kfz bei der Politik: „Problematisch ist bei der Einführung des i-Kfz, dass es keine bindenden Vorgaben von Bund und Land gibt, bis wann die 4. Stufe und i-Kfz umgesetzt werden sollen.“ Die elektronische Zulassung sei zwar für die Autofahrer und Autofahrerinnen günstiger, aber: Wer den analogen Weg wähle und zum Verkehrsamt geht, müsse mehr bezahlen.

Verkehr Kreis Segeberg: Das Auto online zulassen und losfahren – leider nur Illusion

Dort sei die Einführung von i-Kfz und die ebenfalls ab September eingeführte Großkundenschnittstelle (GKS) mit erheblichen Kosten verbunden. Personal müsse geschult, mindestens Software, oft auch Hardware neu angeschafft werden. „Diesen oftmals sechsstelligen Investitionsbeträgen stehen deutlich verminderte, teilweise bis auf ein Drittel reduzierte Gebühreneinnahmen gegenüber“, sagt Sonntag. Dadurch würden die Träger der Zulassungsstellen nicht motiviert, diese neuen Verfahren einzuführen.

Der Kfz-Verband fordert verbindliche Vorgaben, bis wann die Umsetzung von i-Kfz erfolgen soll. Die jüngsten Äußerungen von Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Schröder, dass voraussichtlich in vier Monaten und damit zum Jahreswechsel die Umsetzung erfolgt sein dürfte, sind aus Sicht des Verbandes viel zu unverbindlich, zu vage und zu optimistisch.