Kiel/Nützen. 57-Jähriger soll Mutter mit 39 Stichen getötet haben. Ihm droht die Unterbringung in einer Anstalt. Nun äußert er sich vor Gericht.

Mit 39 Messerstichen soll ein Mann aus dem Kreis Segeberg im Januar seine eigene Mutter getötet haben. Im Prozess vor dem Kieler Landgericht äußerte sich der 57-Jährige am Dienstag erstmals zum Tatvorwurf und Werdegang. Dabei berichtete er über seine psychischen Probleme, blendete die Bluttat jedoch aus.

Angeblich kann sich der Beschuldigte nicht an einen Gewaltexzess erinnern. „Meine Wahrnehmung ist eine andere gewesen.“ In dem Sicherungsverfahren muss der gelernte Maurer und langjährige Mitarbeiter des Möbelhauses Dodenhof in Kaltenkirchen mit der dauerhaften Unterbringung in der forensischen Psychiatrie rechnen.

Mutter getötet: Angeblich kann sich der Beschuldigte nicht erinnern

Der Mann, der drei Brüder, aber keine eigenen Kinder hat, soll die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. „Eigentlich kann das alles nur ein Traum gewesen sein“, meint er. „Ihre Mutter ist erstochen worden, das steht fest“, sagt der Vorsitzende Richter Stefan Becker. Und als Täter komme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur er infrage.

„Sie ist der einzige Mensch gewesen, der mir im Leben wichtig war“

Als der Vorsitzende den 57-Jährigen mit konkreten Fragen an die Wirklichkeit heranführt, weicht dieser auf andere Themen aus oder blockt ab. Kann er sich erinnern, ein Messer in der Hand gehalten zu haben? „Nein.“ Sah er einen Grund, seine Mutter zu töten? „Nein, im Leben nicht“, beteuert der Sohn. „Ich weiß, dass ich dazu gar nicht in der Lage wäre“. Die 81-Jährige sei „der einzige Mensch gewesen, der mir im Leben wichtig war“.

Kurz nach der Tat vom 24. Januar hatte der Sohn beim Haftrichter noch angegeben, er habe bei der Mutter „nur schlafen“ wollen. Doch irgendwann sei es ausgeartet. „Ich sollte das Haus verlassen.“ Offenbar fühlte er sich damals verfolgt: „Sie waren alle bestochen.“ Ob er selbst schon mal jemanden bedroht habe, fragt der Vorsitzende. „Nein.“

Mutmaßlicher Täter hat zwei Psychiatrieaufenthalte hinter sich

Psychisch krank fühlt sich der Beschuldigte angeblich nicht. Doch im Frühjahr 2021 verbrachte er elf Wochen in einer Klinik in Rickling. Im Sommer 2022 schloss sich ein weiterer, kurzer Psychiatrieaufenthalt an. Nach damaliger Diagnose litt er nach der Trennung seiner Lebensgefährtin an Depressionen.

„Ob ich schuldfähig bin, weiß ich nicht“, sagt der vorläufig in Neustadt untergebrachte Patient. Sollte die Tat aber real sein, gebe er „den Ärzten die Schuld, die mich nicht richtig behandelt haben“. Nach eigenen Worten sucht er eine Antwort, mit der sich die Tat rechtfertigen lässt. Andererseits will er „dafür bestraft werden“, sollte er sie wirklich begangen haben.

Beschuldigter verweigert die Einnahme von Psychopharmaka

Seine drei Brüder nehmen als Nebenkläger am Prozess teil. Der grausame Tod ihrer Mutter und der Zustand des Bruders machen sie offenbar fassungslos. Ihr Rechtsanwalt Volker Berthold fragt den 57-Jährigen nach Therapiemaßnahmen. „Warum beherzigen sie nicht den Rat, ihre Medikamente zu nehmen?“ „Wo ist mein Auto?“, kontert der Befragte. Zuvor hatte er mehrmals erklärt, die Einnahme von Psychopharmaka mache für ihn „keinen Unterschied“.

Nach dem letzten, verhängnisvollen Besuch bei der Mutter will der Beschuldigte erst wieder im AMEOS-Klinikum Neustadt zu sich gekommen sein. „Dort hat man mich die ersten sechs Monate nur abgespritzt und weggesperrt.“ Nachfragen des psychiatrischen Sachverständigen Thomas Bachmann lassen indessen vermuten, dass der Patient wenig kooperierte.

Auffällige Beschriftungen von Türen und Wänden: Sohn äußerte sich zur Tötung der Mutter

„Kann es sein, dass sie sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen wollen?“, fragt der Gutachter. „Da gebe ich ihnen recht“, räumt der Befragte ein. Bachmann schlägt ihm vor, die Hypothese „Sie haben ihre Mutter getötet“ zu akzeptieren.

Dabei hatte sich der Sohn unmittelbar nach der Tat noch vor Ort in schriftlicher Form geäußert. Türen und Wände, Möbel und Textilien in der Wohnung der Mutter zeigten sich den Ermittlern großflächig beschrieben mit Kommentaren zur Tat („eiskalter, geplanter Mord“) und Befindlichkeit des Täters („bin mal gesund gewesen“).

Wer sonst sollte es gewesen sein, der sich dort offenbar stundenlang mit schwarzem Filzschreiber und blutrotem Farbspray verewigte? „Ich habe nie eine Möglichkeit gefunden, dieses Spiel zu verlassen“, steht da geschrieben. „Von der eigenen Mutter verkauft“ sah er anscheinend „keine einzige Chance außer der Tat.“

Landgericht: Am 13. Oktober könnte die Kammer das Urteil verkünden

Auf Nachfrage bekannte sich der Beschuldigte zu seinen Äußerungen. Auch das Asservat Nr. 2023 - die Tatwaffe – scheint ihm vertraut. „Ja, kann sein“, sagte er, als der Vorsitzende ein langes Küchenmesser in zwei Teilen aus der Verpackung zieht. Klinge und schwarzer Griff waren auseinandergebrochen.

Bis Ende September will das Gericht noch Zeugen aus dem familiären Umfeld hören, Polizeibeamte vernehmen und Gutachten erörtern. Am 9. Oktober könnte plädiert, am 13. Oktober das Urteil gesprochen werden.