Kreis Segeberg. Moore sind zu trocken. Acker zu feucht. Viele Landwirte kämpfen um ihre Ernte. Warum die nächsten Tage für sie entscheidend sind.

Regen, Wind, Sturmböen, Gewitter – das Wetter spielt in diesen Tagen und Wochen verrückt. Und es soll in den nächsten Tagen nicht besser werden. Was bedeutet der Dauerregen für die Landwirtschaft, die Wälder, die Moore, die Tiere? Das Hamburger Abendblatt hat sich umgehört: Die Experten geben keine Entwarnung. Der verregnete Juli hat offenbar nur wenig Auswirkung auf die durch die Trockenheit gebeutelte Natur.

Johannes Engelbrecht verfolgt die Naturereignisse seit Jahrzehnten. Als Naturschutzbeauftragter der Gemeinde Henstedt-Ulzburg ist er häufig in den umliegenden Mooren, Feldern und Wäldern unterwegs und stellt dabei fest: „Der zuletzt gefallene Regen ist nicht ausreichend, um die Trockenheitsschäden auszugleichen; überhaupt nicht.“

Wetter: 161 Millimeter Regen im Juli in Henstedt-Ulzburg und Umgebung

Seine privaten Wetteraufzeichnungen besagen, dass in dieser Region insgesamt 161 Millimeter Regen gefallen sind. Erheblich mehr also als in den vergangenen Jahren: Im Juli 2022 waren es 62 Millimeter. „Der Juli“, sagt Johannes Engelbrecht, „gehörte in Schleswig-Holstein immer zu den regenreichsten Monaten.“ Im April, Mai und Juni hat der Naturschutzbeauftragte insgesamt nur 90 Millimeter Regen gemessen – viel zu wenig, um zum Beispiel die Moore feucht zu halten.

Die ausgiebigen Regenfälle im Juli waren nach seinen Beobachtungen nicht ausreichend, um den Wasserstand in den Mooren auf ein normales Niveau zu steigern. „Vor allem die Amphibien haben zu kämpfen“, sagt er.

Der Regen kommt für Frösche und Kröten zu spät

Die Beobachtungen des Naturschutzexperten werden vom Naturschutzbund Schleswig-Holstein (Nabu) gestützt. „Die Amphibien hätten vor zwei Monaten viel Wasser benötigt“, sagt Nabu-Geschäftsführer Ingo Ludwichowski. „Der Regen kommt für Frösche und Kröten zu spät, viele sind vertrocknet.“

Ob die Regenmengen ausreichten, um die Schäden an der Natur auszugleichen, werde sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Nach seinen Erfahrungen haben die jetzigen Regenmengen eher ein normales Maß erreicht. „Vor 15 oder 20 Jahren hätte niemand ein Wort darüber verloren.“

In den Kreisen Pinneberg und Segeberg sind die Böden ungewöhnlich trocken

In den Kreisen Pinneberg und Segeberg sind die Böden im allgemeinen bis zu einer Tiefe von 1,8 Metern ungewöhnlich trocken. So zeigt es der laufend aktualisierte Dürremonitor des Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung an. Auch der Oberboden bis 25 Zentimer Tiefe fällt in beiden Kreisen in den Wert „schwere Dürre“. Für Schleswig-Holstein und die meisten anderen Länder in Deutschland ist das der aktuelle Spitzenwert. Die starken Regenfälle im Juli haben an dieser Lage offenbar nichts geändert.

Individuell betrachtet haben viele Menschen unter den Wassermassen, die derzeit vom Himmel kommen, durchaus zu leiden. Vor allem in Norderstedt und Umgebung hatten der plötzlich einsetzende Starkregen unangenehme Folgen: 67-mal wurde die Feuerwehr innerhalb kurzer Zeit gerufen. Die meisten Einsätze (51) standen in Zusammenhang mit Wassereinbrüchen in Gebäuden oder Wasser, das nicht mehr abfloss.

Karl-May-Spiele mussten bisher nicht unterbrochen werden

Ärgerlich ist Dauerregen natürlich auch für Großveranstaltungen, von denen es in den Sommermonaten im Kreis Segeberg einige gibt. Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg waren nach Angaben der Geschäftsführung bisher allerdings kaum beeinträchtigt. Während zehn Vorstellungen habe es zeitweise geregnet – aber niemals so stark, dass ein Abbruch in Betracht gezogen worden sei.

Regen während der Aufführung der Karl-May-Spiele in der Kalkbergarena in Bad Segeberg. Regencapes gibt’s für zwei Euro zu kaufen.
Regen während der Aufführung der Karl-May-Spiele in der Kalkbergarena in Bad Segeberg. Regencapes gibt’s für zwei Euro zu kaufen. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Markus Scholz

Zuschauer haben die Möglichkeit, Regencapes für zwei Euro am Rande der Freilichtarena zu erwerben, die Bekleidung der Darsteller kommt während der Pause in Spezialtrockner. „Niemand muss sich Sorgen machen“, sagt Michael Stamp, Sprecher der Kalkberg GmbH. Er weist auch darauf hin, dass eine neue Drainage unterhalb des Bühnensandes für einen schnellen Wasserabfluss sorgt. Eine Situation wie 2016, als die Premiere wegen der Wassermassen auf der Bühne abgebrochen werden musste, soll sich nicht wiederholen.

Landwirte sind zwiegespalten: Freude und Ärger über Regen

Kathrin Rehders schaut sich derzeit dreimal am Tag den Wetterbericht an, sagt sie. Regen. Immer nur Regen. Laut Vorhersage soll es in dieser Woche an keinem Tag trocken bleiben. „Wir können unser Getreide nicht ernten, wenn es regnet“, beklagt die junge Landwirtin vom Hof Rehders in Norderstedt.

Kathrin Rehders betreibt einen Bauernhof in Norderstedt.
Kathrin Rehders betreibt einen Bauernhof in Norderstedt. © Thorsten Ahlf

Erschwerend hinzu kommt: Für die Landwirtschaft ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. „Umso länger das Getreide auf dem Feld steht, desto mehr nimmt die Qualität ab“, erklärt Rehders. Bäcker können aus dem Roggen dann kein Brot mehr herstellen. Stattdessen wird er zu Tierfutter verarbeitet.

Kreisbauernverband: Feuchtigkeit führt zu Qualitätseinbußen

Vor einigen Wochen war es viel zu heiß und trocken, nun ist es zumindest für die Getreideernte zu nass. Sofern der Regen mal eine längere Pause einlegt, nutzt Kathrin Rehders die Chance und fährt aufs Feld, um einzelne Körner als Probe zu entnehmen. Mit einem Gerät misst sie dann deren Feuchtigkeitsgehalt. „Die Feuchtigkeit des Korns muss bei unter 14 Prozent liegen“, sagt sie. Derzeit liegt sie bei etwa 25 Prozent. Viel zu nass. Unter diesen Umständen würde die Ernte im Lager schimmeln.

„Der Regen ist acht Wochen zu spät“, sagt auch Thorge Rahlf, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Segeberg. Für viele Bauern sind die Wetterverhältnisse nicht optimal in diesem Jahr. Die Trockenheit im Mai und Juni hätte zu Ertragseinbußen geführt, die Feuchtigkeit jetzt zu Qualitätseinbußen.

„Qualität für Brot sinkt von Tag zu Tag“

„Wenn wir in den nächsten zehn Tagen keinen Wetterwechsel haben, fängt das Getreide an zu keimen und auszuwachsen“, sagt Rahlf, der in Seedorf am Plöner See einen Hof mit Kühen und Schweinen und diversen Ackerflächen betreibt. „Das Getreide ist reif und muss vom Feld. Die Qualität für Brot sinkt von Tag zu Tag.“

Aus diesem Grund hat der Kreisvorsitzende bereits einen Teil seines Getreides gedroschen, obwohl es mit einem Gehalt von 17 Prozent eigentlich zu feucht war.

Wetter hat positive und negative Auswirkungen auf Landwirtschaft

Aber das Wetter ist nicht nur schlecht für die Landwirtschaft. Das sieht Kathrin Rehders genauso. „Ich freue mich auch über den Regen“, sagt die ausgebildete Bauernhofpädagogin. Mais, Gras, Zuckerrüben und anderes Gemüse können unter diesen Bedingungen gut wachsen. Ebenso hatte die Trockenheit vor ein paar Wochen etwas Gutes. Zwar sind die Körner der Gerste wesentlich kleiner geraten als erhofft. „Dafür haben wir aber gutes Heu geerntet“, sagt Rehders.

Je nachdem, was sie anbauen, sind die Landwirte also sehr zwiegespalten über die aktuell feuchte Wetterperiode. Fest steht erst einmal nur: So schnell werden sich die Regenwolken nicht verziehen.