Norderstedt. Der 34-Jährige erzählte seine Geschichte im März im Abendblatt-Podcast. Wie sich sein Leben seitdem verändert hat.

Unwirklich. Total unwirklich sei das, was nach der Veröffentlichung von Story und Podcast passiert ist. Mit diesem vorwiegend positiven Feedback aus seinem direkten Umfeld und dem medialen Ansturm habe er nicht gerechnet, sagt Marco Schmidt. Unter der Headline „Ich war ein Lügner, Betrüger, ein Krimineller“, erzählte der 34-Jährige dem Abendblatt im März dieses Jahres seine Geschichte.

Eine Geschichte, die es in sich hat. Marco ist spielsüchtig. Einer von rund 360.000 Menschen in Deutschland. Spielsüchtig nach Sportwetten. Seit er 20 ist. 250.000 Euro hat er verzockt. Freunde, Familie und Arbeitgeber belogen und betrogen. Dafür hat der gelernte Sport- und Fitnesskaufmann sechs Jahre Gefängnis aufgebrummt bekommen. Mittlerweile ist Marco Freigänger in der Norderstedter Justizvollzugsanstalt Glasmoor. Hat einen richtigen Job, seinen Sport und angefangen, soziale Arbeit zu studieren.

Norderstedt: Süchtig – Marco verzockte 250.000 Euro, nun hilft er anderen

Für mich war das damals kein einfaches Gespräch. Es hat mich emotional sehr bewegt. Und deshalb will ich die Geschichte weitererzählen und nehme noch mal Kontakt zu Marco auf. Ich treffe den gebürtigen Norderstedter fünf Monate nach unserer ersten Begegnung erneut in dem Café am Langenhorner Markt.

Marco trägt Baseballcap und einen dunklen Trainingsanzug mit dem Logo „Sport statt Straße e.V. (dazu später). Er sieht abgespannt aus. Dass er sich momentan auch so fühlt, habe ich bereits Tage zuvor auf seinem Instagram-Kanal gelesen. „Total im Arsch“ war da zu lesen. War alles ein bisschen viel, oder? Marco nickt. Der Job, die Studienklausuren, seine regelmäßigen Präventionsvorträge und auf einmal so in der Sichtbarkeit zu sein, haben Spuren hinterlassen. Ihn nachdenklich gemacht.

„Wenn ich darüber spreche, kommt alles von damals wieder hoch“, sagt Marco. Er denke vor allem an seine Mutter, Schwester und Freundin, die er fast mit ins Verderben gerissen hätte. „Doch der Weg, den ich jetzt gehe, soll ihnen zeigen: Es ist mir ernst.“ Marcos Credo: „Jeder kann sich ändern, wenn er nur will.“ Er wolle ein Beispiel dafür sein.

Regelmäßige psychologische Einzelgespräche stärken Marco auf seinem Weg

Und diese Botschaft trägt er nun hinaus in die Welt. Nach dem Abendblatt-Bericht begleitete der Sender noa4 Marco für eine Dokumentation. Pro7 und ZDF haben bei ihm angefragt. Was macht das mit ihm, nicht mehr unter dem Radar zu agieren, sondern in die Öffentlichkeit zu gehen? Und damit auch angreifbar zu werden?

„Ich stehe dazu. Es gibt viel auszuhalten, aber auch viel zu bewegen“, sagt Marco. Die regelmäßigen psychologischen Einzelgespräche im Verein Aktive Suchthilfe e.V. stärken ihn auf seinem Weg. Und der ist lang. „Ein Stigma für eine Gesellschaft abzulegen, ist eine Lebensaufgabe“, sagt Marco.

Verein „Sport statt Straße“ bietet Aktivitäten und Wettkämpfe

Und damit kommen wir zu seiner Herzensaufgabe. „Sport statt Straße e.V.“. Marco ist Gründungsmitglied des gemeinnützigen Vereins. Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene. „Wir wollen ihnen ein guter und starker Begleiter sein, gleichzeitig präventiv über Sucht und Kriminalität aufklären“, sagt er. Und das auf spielerische Art und Weise. „Wir bieten gemeinsame sportliche Aktivitäten und Wettkämpfe an, mit dem Ziel, dass die jungen Menschen lernen, ihre Grenzen auszutesten, Regeln zu verstehen und zu akzeptieren. Darüber hinaus leisten wir Aufklärungsarbeit an Schulen und Einrichtungen.“

Erste private Spender und Kooperationspartner seien bereits gefunden. Für die Institution „Fördern und Wohnen“ arbeitet Marco ehrenamtlich. Sie bietet Unterkünfte und Begleitung für geflüchtete Personen, Menschen mit sozialen Herausforderungen sowie wohnungslose Einzelpersonen und Familien. In der Einrichtung dieser Institution in der Schmiedekoppel in Hamburg-Niendorf trainiert Marco künftig immer wieder dienstags nachmittags mit ihnen.

Norderstedt: Marco fühlt sich manchmal „total im Arsch“

Marco will Vorbild sein gerade für junge Menschen. Die trifft er nach unserem Gespräch wieder in der Halstenbeker Jugendeinrichtung „effekt – Soziale Hilfen“. Dort arbeitet Marco noch bis September 2024. Dann hofft er auf vorzeitige Entlassung. Bis dahin will er auch sein Studium mit dem Bachelor abgeschlossen haben. Den Freigang hat er sich mit Disziplin erarbeitet. Doch nicht jeder Tag ist gleich. Manchmal fühlt er sich eben auch „total im Arsch“. Dann mache er zum Ausgleich Sport bis zum Abwinken. Denn Marco weiß: „Wenn ich draußen bin, bin ich frei, doch bis Haftende bin ich immer noch mit einem Bein im Gefängnis.“

Dass dem so ist, hat er sich plakativ auf sein rechtes Bein tätowieren lassen – eine Nonne mit Augenbinde, hinter ihr lauert der Teufel. „Das ist mein Gefängnisbein“, sagt Marco. Die Botschaft hinter dem markanten Tattoo: Mit Achtsamkeit auf dem richtigen Weg zu bleiben.

Weitere Infos unter sportstattstrasse.de. Spendenkonto: Sport statt Straße e.V., Deutsche Skatbank,

IBAN: DE23 8306 5408 0005 3118 37, BIC: GENODEF1SLR