Norderstedt. Sechs Personen suchen eine Fläche für mehrere Bauwagen. Sie wollen dort zusammen leben – ökologisch und familiär.

Es ist ein Traum vom gemeinschaftlichen Leben, im Einklang mit der Natur. Ohne viel Zeug, das man besitzt, dafür mit dem Gefühl der Freiheit. Diesen Traum möchten Agnes, Johanna, Tim, Thorsten und Mirco gerne realisieren, in Norderstedt oder in der Umgebung. Sie möchten gerne eine Fläche pachten, auf der sie ihre Bauwagen aufstellen können – um dort gemeinsam zu wohnen und auch, im kleinen Rahmen, etwas ökologische Landwirtschaft zu betreiben.

„Wir suchen einen Ort zum Wohnen, im schönsten Fall im Grünen“, sagt Tim (26). Dieser Ort soll sich idealerweise in Norderstedt oder im näheren Umkreis befinden, vielleicht etwas abgeschieden sein. Einige Flächen hatte die Gruppe schon im Auge, fragte auch beim Liegenschaftsamt der Stadt an. Von dieser Seite hieß es aber, für die genannten Wiesen gebe es bereits Nutzungen.

Norderstedt: Wohnen im Bauwagen – bunte Gruppe sucht Platz im Grünen

Also wird nun weiter gesucht. Vielleicht gibt es einen Privateigentümer, beispielsweise einen Landwirt, der ein Stück ungenutzte Fläche zur Verfügung stellen würde? „Wir können auch eine Pacht zahlen“, sagt Agnes (30).

In Norderstedt gibt es bereits seit Jahren eine Bauwagensiedlung, die sich „Hotel California“ nennt. Sie befindet sich zwischen Rantzauer Forstweg und Oadby-and-Wigston-Straße, in direkter Nähe des Norderstedter Dirtparks. Dort anzudocken, ist aber keine Option: „Da ist der Platz begrenzt“, sagt Tim. Außerdem plant die Gruppe ihr eigenes Projekt und hat genaue Vorstellungen.

Die Gruppe möchte ein „ökologisch sinnvolles, familienfreundliches Projekt“ realisieren

Tim bezeichnet das, was ihnen vorschwebt, als „ökologisch sinnvolles, familienfreundliches Projekt“. Agnes ergänzt: „Wir wollen ein Wohnort und keine Partylocation sein.“ Neben den fünf Erwachsenen ist nämlich ein Kind mit von der Partie, der vier Jahre alte Keno. Dessen Vater Thorsten (36) möchte zusammen mit seinem Sohn einen Bauwagen ziehen. Agnes bringt noch ihre Hündin Ratka mit, Mirko das Hundeweibchen Wanja.

Gedacht ist das Ganze so: Jeder hat einen eigenen Bauwagen oder, in Tims Fall, einen ausgebauten Bus. In der Mitte würde so etwas wie ein kleiner „Dorfplatz“ entstehen, wie Johanna (37) sagt. Ganz wichtig ist der Gruppe der ökologische Aspekt. „Wir gärtnern alle ziemlich gerne, würden gerne Pflanzen, Obst und Gemüse anbauen“, sagt Agnes. „Und wir könnten uns auch vorstellen, Hochbeete anzulegen.“

Strom- und Wasseranschluss: Schön, aber nicht unbedingt nötig

Ein Strom- und Wasseranschluss auf dem Platz wäre „schön und wünschenswert“, sagt Agnes. Sie sagt aber auch, dass das nicht unbedingt notwendig wäre. „Einige unserer Wagen haben schon Solarpanele auf dem Dach, die anderen könnten wir nachrüsten.“

Wenn es keinen Wasseranschluss gibt, will die Gruppe Regenwasser sammeln und nutzen, Duschen soll mit einer Solardusche möglich sein. Auch das Leben ohne Anschluss an die Kanalisation hat man durchdacht: „Wir würden eine Pflanzenkläranlage bauen, Seife und Spülmittel ohne Chemie nutzen.“ Das sei etwa auf Bauwagenplätzen bei Nürnberg erfolgreich erprobt worden.

Ein Mitglied der Gruppe ist Industriemechaniker, ein anderes studiert Physik

Chemietoiletten seien, beim Leben in der freien Natur, ebenfalls tabu: „Wir haben ökologische Alternativen im Kopf, wie eine ökologische Trenntoilette“, sagt Agnes. Bei der Entsorgung des Mülls würde die Gruppe allerdings gerne auf die Norderstedter Stadtreinigung zurückgreifen. Agnes: „Es wäre gut, wenn es ein Meldeadresse gibt, damit wir den Müll anmelden können.“

Aktuell leben alle Mitglieder der Gruppe in Norderstedt und Umgebung. Entweder bereits in Bauwagen oder, wie Thorsten und Keno, in einer ganz normalen Wohnung. Berufstätig sind fast alle: Mirco (23) arbeitet als Industriemechaniker, Johanna, eigentlich gelernte Tischlerin, arbeitet „in der Baumpflege“. Agnes ist Heilerziehungspflegerin, Tim „bietet verschiedene Baudienstleistungen an“, wie er sagt, und Thorsten studiert Physik.

In einem „Steinhaus“ möchte niemand von ihnen leben

Das Leben im Bauwagen ist für sie alle ziemlich alternativlos – und fast alle haben schon jahrelange Erfahrung damit. „Seitdem ich 18 bin, habe ich in Bauwagen gewohnt, mal hier, mal da. Das war immer meine Vorstellung von Freiheit“, sagt Tim. Ähnlich Mirco: „Seitdem ich zu Hause ausgezogen bin, habe ich im Wagen gewohnt. Ich hatte schon immer das Bedürfnis, so zu leben.“

Wohnen in einer Wohnung oder in einem „Steinhaus“, das möchte eigentlich keiner von ihnen. „Ich habe mal in einer Wohnung im vierten Stock gewohnt, ohne Balkon. Da habe ich mich eingesperrt gefühlt. Wenn du im Bauwagen lebst, machst du die Tür auf und bist draußen in der freien Natur“, sagt Agnes, die ebenfalls schon viel Erfahrung mit dieser Art zu leben hat.

Tim: „Es ist befreiend, nicht so viele Sachen zu besitzen“

Tim betont den Wert des einfachen Lebens: „Es ist befreiend, nicht so viel zu besitzen. Man merkt, dass man gar nicht so viele Sachen braucht.“ Auch Johanna unterstreicht den Aspekt der Nachhaltigkeit: „Mit ist es wichtig, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Für einen Bauwagen wird keine Fläche versiegelt.“

Außerdem mag sie es, in Gemeinschaft zu leben. „Ich mag Kinder, Tiere, Leben in der Bude“, sagt sie. Der Aspekt der Gemeinschaft ist auch Thorsten wichtig, der früher schon einmal zehn Jahre im Bauwagen wohnte: „Ich mag das sehr und ich glaube, das ist auch gut für Keno. Die Erziehung des Sohnes teilt er sich mit seiner Ex-Partnerin, „im Wechselmodell“, wie er sagt.

Thorsten möchte, dass sein Sohn Keno sich viel in der Natur aufhalten kann

Thorsten schätzt am Leben im Bauwagen auch, dass sich sein Sohn dann viel in der Natur aufhalten kann. „Ich hoffe auch auf Spielkameraden für ihn“, sagt er. Daran, dass er darauf achten will, dass alles „kindgerecht“ ist, lässt er keinen Zweifel. Und so werde er natürlich auch dafür sorgen, dass sein Bauwagen entsprechend eingerichtet und natürlich gut isoliert ist.

Geheizt wird in den Wagen im Winter übrigens mit Holzöfen – ein weiter Aspekt, warum Mirco das Leben im Wagen „einfach gemütlich“ findet, wie er sagt. Damit es im Winter nicht zu kalt wird, hat Thorsten noch eine weitere Idee im Kopf: „Ich könnte mir gut vorstellen, eine Sauna zu bauen.“

Rechtliche Aspekte: Braucht ein Bauwagen eine Baugenehmigung?

Bis es soweit ist, muss jetzt erst einmal ein Grundstück gefunden werden. Und dann sind da noch ein paar rechtliche Aspekte. Ist es in Deutschland eigentlich legal, in einem Bauwagen zu leben? Antwort: Eigentlich schon, aber die Lage ist ein bisschen kompliziert.

Da ist zum einen das Thema der Meldepflicht. Darf man eine feste Meldeadresse, also seinen Hauptwohnsitz, in einem Bauwagen haben? „Ja“, antwortet Tim Radkte, Sprecher des Innenministeriums Schleswig-Holstein, auf Abendblatt-Anfrage. Denn hier gelte erst einmal das Bundesmeldegesetz. Und da gehe es vorrangig um eine „zu gewährleistende Erreichbarkeit“.

„Bei Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Regelungen“ keine Hürden

Auf der anderen Seite gebe es, so Tim Radtke, die Vorschriften des Bundesbaugesetzbuches (BauGB), des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie bestimmte Regelungen der Landesbauordnung. Die gelten, so Radtke, „für herkömmliche Gebäude und Wohnwagen beziehungsweise Bauwagen in Bezug auf Dauerwohnen gleichermaßen.“

„Bei Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Regelungen“, so Radtke, gebe es keine rechtlichen Hürden für das Wohnen im Bauwagen. Allerdings könne es sein, dass „beispielsweise eine Nachrüstung in Bezug die Einhaltung der Anforderungen nach dem Gebäudeenergiegesetz“ erforderlich werde. Letztlich müsste in dem Fall eine örtliche Bauaufsichtsbehörde aktiv werden, die eine Überprüfung für notwendig erachtet.

Es gibt zahlreiche Bauwagenparks in Deutschland, Städte wie Hamburg tolerieren sie

Unter dem Strich ist es so: Es gibt viele Bauwagenparks in ganz Deutschland, allein in Hamburg sind es sieben. Sie werden in den meisten Fällen von den Behörden toleriert, oft gibt es ganz reguläre Verträge mit der Stadtreinigung. Gewisse Formen des Dauerwohnens werden de facto auch auf vielen Campingplätzen praktiziert, in Wohnwagen und Wohnmobilen.

Wird es in Norderstedt jemanden stören, wenn einige Bauwagen auf einer privaten Wiese stehen? Vermutlich nicht. Am Ende kommt es für das Grüppchen also wohl vor allem darauf an, dass sie eine Person finden, die ihr Projekt unterstützen möchte und ihnen eine Fläche verpachtet. „Wir wären unglaublich dankbar dafür, wenn wir unseren Traum verwirklichen könnten!“, sagt Agnes.

Kontakt zu der Gruppe ist per E-Mail an möglich.