Norderstedt. Jürgen Klingenberg hat die Holzdrehleiter restauriert. Was er über die Geschichte des historischen Fahrzeugs herausgefunden hat.

Die Feuerwehr hat es ihm angetan – sie bestimmt schon sein ganzes Leben: 24 Jahre lang war Jürgen Klingenberg Ortswehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Friedrichsgabe. Seit acht Jahren ist der 66-Jährige stellvertretender Stadtwehrführer und arbeitet seit vielen Jahren im Feuertechnischen Zentrum der Stadt Norderstedt, das für den Brand-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in der Stadt zuständig ist.

Aber auch privat hat Klingenberg ein Faible für die feuerroten Blaulichtmobile. Gerade hat er eine mehr als 100 Jahre alte Drehleiter mit dem Original-Fahrzeug komplett restauriert.

Feuerwehr: Deutschlands älteste Drehleiter steht in Norderstedt

„Als gelernter Autoschlosser habe ich ein Auge und Händchen für Oldtimer“, erklärt Klingenberg seine ungewöhnliche Leidenschaft. Ein etwa 40 Jahre alter Unimog liegt auseinandergebaut in Teilen in seiner großen Werkstattgarage. Aber davor steht ein echter Hingucker, den der Norderstedter in liebevoller Handarbeit in gut 20 Jahren komplett zerlegt und wieder im Originalzustand zusammenschraubt hat: ein Drehleiterwagen der Marke Magirus von 1936 mit einer 20 Meter langen Drehleiter aus Holz, die ebenfalls von Magirus gebaut schon im Ersten Weltkrieg 1915 in Süddeutschland im Einsatz war. Alles ist vollständig funktionstüchtig.

Alles ist liebevoll im Originalzustand wieder aufgearbeitet worden.
Alles ist liebevoll im Originalzustand wieder aufgearbeitet worden. © Burkhard Fuchs

Das Schmuckstück hatte Klingenberg bei einer Urlaubsreise in einer Scheune in Backnang nordöstlich von Stuttgart entdeckt. Ein Schrotthändler wusste damit nichts anzufangen, und so erwarb Klingenberg das alte, ziemlich ramponierte Stück nach einer Woche Bedenkzeit. Den genauen Kaufpreis möchte er nicht verraten. „Aber ein paar Tausend Euro waren es schon.“ Mit dem Tieflader habe er den Blickfang auf vier Rädern hierher nach Friedrichsgabe gebracht.

Norderstedt: Die Holzdrehleiter ist mehr als 100 Jahre ist

Bis 1967 war die alte Drehleiter im Löscheinsatz, berichtet Klingenberg. Es war damals die fünfte Drehleiter der Berufsfeuerwehr Stuttgart, wie die Originalaufschrift an der Tür ausweist, die sie vor allem mit ihrer Freiwilligen Abteilung im Stadtbezirk Degerloch eingesetzt hat.

Bis 1967 war die alte Drehleiter in Stuttgart im Löscheinsatz.
Bis 1967 war die alte Drehleiter in Stuttgart im Löscheinsatz. © Burkhard Fuchs

Schon damals bestand das Löschgerät aus der Holzdrehleiter von 1915, die anfangs noch mit einem Pferdezug zu den Brandeinsätzen gezogen worden sei, wie Klingenberg erzählt. 1936 sei sie dann auf das Fahrzeug montiert worden, das der Ulmer Lkw-Hersteller Magirus 1936 gebaut hat, der heute zum Iveco-Konzern gehört. „Das war damals so üblich“, weiß Klingenberg aus der Geschichte des Feuerwehrwesens hierzulande zu berichten.

Das Betätigen der Handkurbel ist sehr mühsam

Die 20 Meter lange Leiter besteht aus drei Teilen und wird mit einer Handkurbel ausgefahren. Das ist so mühsam, dass es dafür mindestens vier starker Hände auf beiden Seiten bedarf. Die Leiter ist aus Eschenholz, das besonders schwer, hart und biegefest ist. Es gilt als elastisch, abriebfest und durch die hohe Bruchschlagarbeit zäher als die meisten anderen heimischen Holzarten. Darum dürfte dieses Holz auch für solche Dauereinsätze wie der Brandbekämpfung ausgewählt worden sein.

Feuerwehr-Liebhaber und Oldtimer-Tüftler Jürgen Klingenberg mit seinem Drehleiterwagen von 1936, bestückt mit einer Holzdrehleiter von 1915, die er in 20 Jahren Arbeit komplett im Originalzustand restauriert hat. Die Drehleiter lässt sich mit einer Handkurbel bis auf 20 Meter Länge ausfahren und um 180 Grad drehen.
Feuerwehr-Liebhaber und Oldtimer-Tüftler Jürgen Klingenberg mit seinem Drehleiterwagen von 1936, bestückt mit einer Holzdrehleiter von 1915, die er in 20 Jahren Arbeit komplett im Originalzustand restauriert hat. Die Drehleiter lässt sich mit einer Handkurbel bis auf 20 Meter Länge ausfahren und um 180 Grad drehen. © Burkhard Fuchs

Damit die Löschkräfte die Leiter auch in größeren Höhen immerzu nutzen konnten, gibt es noch eine mechanische Vorrichtung, die sie jederzeit gerade ins Lot setzt. Wenn zum Beispiel der Untergrund uneben sei, konnten die Wehrkräfte sie per Handrad wieder gerade rücken, damit keine Unfälle passierten und alles sicher war. „Heute wird das bei den modernen Drehleitern elektronisch gelöst“, erklärt Klingenberg. Terrain-Ausgleich nennt das der Experte.

Jürgen Klingenberg tuckert mit Tempo 60 über die Lande

Das Fahrzeug wiederum wird mit einem 70-PS-Benzinmotor angetrieben, der sechs Zylinder hat. Wenn Baumeister Klingenberg mit seinem Schmuckstück zu Stadtfesten, Oldtimer-Ausstellungen oder Feuerwehr-Jubiläen wie nach Hamburg, Grömitz an der Ostsee oder jüngst nach Quickborn aufbricht, tuckert er gemütlich mit Tempo 60 durch die Lande. Schneller traut er sich nicht und möchte dies seinem betagten Gefährt auch nicht antun, das bei Inbetriebnahme vor rund 90 Jahren bis zu 80 km/h schnell sein konnte.

Alles blitzt und blinkt wie am ersten Tag.
Alles blitzt und blinkt wie am ersten Tag. © Burkhard Fuchs

Dass das Führerhaus kein Verdeck hat, sollte so sein und störe auch nicht, berichtet Klingenberg. Er sei schon bei strömendem Regen mit der alten Drehleiter gefahren, ohne dass er darin nass geworden sei. Der Regen sei durch den Fahrtwind einfach über ihn hinweg geweht worden.

Eine originale Handglocke hängt in Reichweite der Sitzbank

Sieben Feuerwehrmänner hatten Platz auf dem Oldtimer. Drei hinter dem großen Lenkrad und weitere vier dahinter auf einer Holzbank, die Klingenberg natürlich auch neu aufgearbeitet hat. Wie den Motor und die gesamte Karosserie, die er selbst sandgestrahlt hat und anschließend neu lackieren ließ.

Eine originale Handglocke hängt in Reichweite der Sitzbank, mit der die Feuerwehrleute damals ihr Kommen lautstark ankündigten. Später sei auch noch eine elektrische Sirene installiert worden, die aber kaputt war, als Klingenberg das Fahrzeug abholte. Er wird sie jetzt durch ein Originalteil ersetzen, das er im Internet erstanden habe. Sogar die Schlauchhaspel mit großen Holzspeichenrädern ist noch im Originalzustand vorhanden, mit der die Schläuche beim Einsatz ab- und wieder aufgerollt wurden.

Auf Stadtfesten staunen die kleinen und großen Besucher

Auch wenn die mehr als 100 Jahre alte Leiter quasi wie neu und dank seiner mühsamen Restauration wieder voll gebrauchsfähig sei – zum Einsatz komme sie nicht mehr. Das sei auch nicht nötig, versichert Klingenberg. Alle vier Freiwilligen Feuerwehren in Norderstedt verfügten über hochmoderne Drehleitern, die allesamt keine zehn Jahre alt seien und heute bis zu 32 Meter hohe Löscheinsätze bei Hochhausbränden möglich machten.

Mit einer Handglocke haben die sieben Mann Besatzung bei Einsätzen ihr Kommen lautstark angekündigt.
Mit einer Handglocke haben die sieben Mann Besatzung bei Einsätzen ihr Kommen lautstark angekündigt. © Burkhard Fuchs

Klingenberg zeigt sein sechs Tonnen schweres Schmuckstück lieber bei Freizeit- und Stadtfesten oder dem 150-jährigen Bestehen der Hamburger Feuerwehr im vorigen Jahr vor. Da staunten dann nicht nur die kleinen, sondern auch die großen Besucher Bauklötze, wenn sie das schicke Gerät von anno dazumal voll ausgefahren bewunderten, das sich sogar 180 Grad in jede Richtung drehen ließe, freut sich Klingenberg. „Beim Blaulichttag Anfang Juni in Quickborn waren bestimmt 100 Eltern mit ihren Kinder da, die alle gerne mal die alte Drehleiter anfassen und darauf Platz nehmen wollten.“

Feuerwehr: Alte Drehleiter kostete ursprünglich 30.000 Reichsmark

In Deutschland gebe es heute noch fünf dieser ältesten Feuerwehr-Drehleitern, hat Liebhaber Klingenberg herausgefunden. Damals hätte das gute Stück neu wohl etwa 30.000 Reichsmark gekostet. Für eine heutige moderne Drehleiter würden etwa 800.000 Euro verlangt.