Kaltenkirchen. Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen, wie sich die Stadt Kaltenkirchen in den kommenden Jahren entwickeln soll.
Der Boom hält weiter an: Kaltenkirchen baut weitere Wohnungen, die Zahl der Einwohner ist binnen weniger Jahre auf mehr als 24.000 gestiegen. Die Nachfrage nach Gewerbe ist so groß, dass die Stadt keine freien Flächen mehr bieten kann und jetzt alte Flächen neu gestalten und freigeben will.
Mehr Menschen und Betriebe führen zu wachsenden Aufgaben: Das Rathaus ist zu klein und wird mit Millionenaufwand erweitert, Kita-Plätze fehlen, die Verkehrsinfrastruktur mit Bussen und der geplanten S-Bahn müssen dem Wachstum angepasst werden. Ohne Kritik verläuft das permanente Wachstum nicht, als dessen Antreiber Bürgermeister Hanno Krause (CDU) gilt. Er will sich im Herbst erneut zur Wahl stellen. Verkürzt lautet sein Credo: Wachstum bedeutet Wohlstand.
Soll die Stadt Kaltenkirchen weiter wachsen?
Die Kritik an diesem Gesamtkonzept ist eher verhalten. Der Widerstand richtet sich vielmehr gegen einzelne Projekte, die von der Stadtvertretung beschlossen wurden. Dazu zählt das geplante Wohngebiet im Bereich Wiesendamm und Radensweg. Für erheblichen Konfliktstoff sorgte in der vergangenen Wahlperiode außerdem der geplante Übungsplatz für den Motorsport in Moorkaten. Das Projekt wurde per Bürgerentscheid gekippt.
Bei diesen wie bei vielen anderen tritt immer wieder der Konflikt zutage: Braucht Kaltenkirchen immer mehr Menschen und Betriebe, oder gefährdet das Wachstum auf Dauer die Lebensqualität und schädigt die Natur?
Die Redaktion hat die Parteien gebeten, die Frage „Soll Kaltenkirchen weiter wachsen?“ zu beantworten und den Umfang der Stellungnahmen vorgegeben. Außerdem wurde ihnen Gelegenheit gegeben, sich zu anderen Themen zu äußern, die aus ihrer Sicht wichtig sind.
CDU setzt sich für „überlegte Innenverdichtung“ ein
„Die Stadt Kaltenkirchen hat sich in den letzten Jahren zu einem attraktiven Ort entwickelt und bietet hohe Lebensqualität“, sagt der Spitzenkandidat Kurt Barkowsky. Dies sei durch die Ansiedlung zusätzlicher Gewerbe- und Wohnraumflächen möglich geworden. Außerdem sei in den vergangenen Jahren eine sehr positive Entwicklung bei den Steuereinnahmen zu verzeichnen gewesen. Mit diesen Geldern konnten neue Kindergärten gebaut, Straßen saniert, aber auch der Bau der größten Skater-Anlage Schleswig-Holsteins realisiert werden. „Alles Projekte, die unsere Stadt zukunftsfähig und lebenswert machen“, sagt der Spitzenkandidat.
Damit dies so bleibt, fordert die CDU verstärkt den Bau von bezahlbarem Wohnraum durch eine überlegte Innenverdichtung, um jungen Familien und Senioren zu ermöglichen, sich in der Stadt niederzulassen. Hierbei sei auch wichtig, mit Augenmaß zu entscheiden, um die Infrastruktur nicht zu überfordern. Nicht hinnehmbar sind für die CDU die Schließungen der Geburtenstationen in den umliegenden Krankenhäusern. Für werdende Eltern setze sich die Partei daher für ein Geburtenhaus in der Region ein. Neben Wohnraum- und Infrastruktur-Ausbau sollten auch die lokalen Unternehmen unterstützt werden.
CDU tritt für mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein
Eine Ausweisung von weiteren Gewerbeflächen hält Barkowsky derzeit nicht für möglich. Hier könnten durch Altbestand-Verkäufe Veränderungen erreicht werden. Für die Zukunft Kaltenkirchens sei eine aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wichtig. „Wir fordern daher eine stärkere Bürgerbeteiligung, zum Beispiel durch Bürgerforen, Workshops oder Online-Umfragen“, sagt der Spitzenkandidat. „Nur so kann gewährleistet werden, dass die Stadtentwicklungen im Einklang mit den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Bürgerinnen und Bürger erfolgen und Kaltenkirchen auch in Zukunft ein Ort bleibt, an dem wir gerne leben – ein Ort für uns alle.“
SPD: Alle Generationen bei der Stadtentwicklung berücksichtigen
Die Kaltenkirchener SPD setzt sich für eine zukunftsgewandte Stadtentwicklung mit moderatem Wachstum ein, in der die Bedürfnisse aller Generationen berücksichtigt werden. Der Grüngürtel rund um Kaltenkirchen dürfe nicht in eine versiegelte Betonwüste verwandelt werden. „Daher sind wir zum Beispiel gegen die Bebauung des Wiesendamms/Radensweg und für geförderten Wohnraum bei Neubauprojekten in der Stadt“, sagt die Spitzenkandidatin, Susanne Steenbuck.
Die SPD will außerdem Grün- und Naherholungsflächen schützen, um die Attraktivität des Ortes zu erhalten. Durch ein angemessenes Wachstum seien eine verlässliche medizinische Versorgung, der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie Bildungseinrichtungen möglich. Angesichts des aktuellen Mangels an Fachpersonal müssen nach Steenbucks Ansicht realistisch Möglichkeiten und Grenzen abgewogen werden. Anstelle von Chaos und erhöhter Gefahr durch steigenden Autoverkehr sollte sich Kaltenkirchen für alle sicher und ansprechend weiterentwickeln.
Die SPD will Kaltenkirchen attraktiver machen
„Statt noch mehr Flächen für Wohngebiete zu versiegeln und andere Stadtteile zu vernachlässigen, müssen wir Kaltenkirchen attraktiver machen“, meint Steenbuck. Bestehende Wohngebiete sollten ansprechend und familienfreundlich gestaltet werden. Dazu gehörten zum Beispiel Quartiersmanager und gut positionierte Sitzgelegenheiten sowie schöne Spielplätze und Orte der Zusammenkunft. „Eine wachsende Stadt braucht Kulturangebote so vielfältig wie die Bevölkerung – dafür setzen wir uns ein“, sagt Steenbuck. „Wir möchten, dass sich alle Menschen in Kaltenkirchen wohlfühlen und werden uns weiterhin starkmachen, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.“
Wählergemeinschaft Pro-Kaki: Ungebremstes Wachstum muss eine Ende haben
Pro-Kaki fordert ein Ende des ungebremsten Wachstums in der Stadt. Die Einwohnerzahl in Kaltenkirchen sei in den letzten 20 Jahren um mehr 25 Prozent angestiegen. „Eine Folge des rasanten Wachstums ist die Zunahme an Staus im innerstädtischen Verkehr“, sagt der Spitzenkandidat Michael Flach. Die Straßen seien nicht mitgewachsen und könnten die gestiegene Menge an Fahrzeugen immer schlechter verkraften. Für Radfahrer entstehen nach seiner Einschätzung auf den teils sehr engen Straßen dadurch häufiger kritische Situationen.
Für Fußgänger sei die Verkehrssituation ebenfalls belastend. „Schmale Gehwege werden vermehrt durch Radfahrende genutzt, die wiederum vor dem motorisierten Verkehr auf den Gehweg ausweichen“, meint Flach. Auch in anderen Bereichen der Infrastruktur bestehen nach Ansicht der Wählergemeinschaft aufgrund des starken Wachstums Engpässe. So gebe es trotz neuer Räume lange Wartelisten für Kitaplätze. Flach: „Kaltenkirchen braucht dringend eine Phase der Konsolidierung, in der die Verkehrs- und Infrastrukturprobleme abgebaut werden.“
Pro-Kaki will mehr sozial geförderten Wohnraum
Außerdem lehnt Flache eine Erschließung weiterer Grünflächen für Wohn- oder Gewerbegebiete ab. Pro-Kaki werde deshalb auch für den langfristigen Erhalt der Grünflächen am Radensweg/Wiesendamm kämpfen. Ein Null-Wachstum sieht Flach dennoch nicht voraus. „Zahlreiche Bauprojekte sind bereits auf schon bisher bebauten Flächen in Planung“, sagt der Spitzenkandidat. „Hier wird zusätzlicher Wohnraum entstehen, wobei Pro-Kaki dafür kämpfen wird, dass dabei in starkem Maße sozial geförderter Wohnraum gebaut wird.“
Pro-Kaki geht davon aus, dass auch künftig durch eine weitere Verdichtung der Bebauung neuer Wohnraum entstehen werde. Dabei werde sich die Wählergemeinschaft dafür einsetzen, Genossenschaften als Wohnbauträger zu bevorzugen. Für die benötigten Fachkräfte für Kitas, Schulen und für die Gewerbebetriebe werde es daher auch weiterhin ein Angebot an Wohnraum geben.
FDP: Wachstum mit Augenmaß und Vernunft
Kaltenkirchen sei eine der jüngsten und dynamischsten Städte Schleswig-Holsteins, die sich nach Auffassung der FDP einem Wachstum mit Vernunft und Augenmaß nicht verschließen könne. „Junge Familien, Singles oder Alleinerziehende mit Kindern suchen bei uns verstärkt nach bezahlbarem Wohnraum“, sagt die Spitzenkandidatin Katharina Loedige..
Für diese Bürger und Bürgerinnen und natürlich auch für Seniorinnen und Senioren sowie für Mitbürger mit Beeinträchtigungen sei der energieeffiziente – teilweise sozial geförderte – Wohnungsbau an der Hamburger Straße, an der Kieler Straße und auch an der Barmstedter Straße wichtig. Arbeiten und Wohnen in Kaltenkirchen trägt nach ihrer Ansicht zur Schonung der Umwelt bei: Der Arbeitsplatz sei zu Fuß, mit dem Stadtbus oder mit dem Fahrrad erreichbar.
FDP: Junge Familien sollen sich den Traum vom Einfamilienhaus verwirklichen können
Aber auch den Traum eines individuellen Häuschens mit Garten sollten sich junge Familien nach dem Willen der FDP in Kaltenkirchen verwirklichen können. Das Angebot an Gewerbeflächen sei leider nahezu ausgeschöpft. Außerdem tritt die FDP für eine attraktivere Innenstadtgestaltung sowie den Ausbau des Radwegenetzes ein. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe Radwege würden schrittweise bereits umgesetzt. „Die in Bürger-Workshops erarbeiteten Gestaltungsmöglichkeiten fließen in unser Städtebauentwicklungskonzept ein, welches in den kommenden Jahren aktiv umgesetzt wird“, sagt Loedige.
Die Sportförderung bezeichnete sie als weiteren Schwerpunkt der FDP: Neben der Erweiterung für den Fußball habe sich die Fraktion auch für den Bau der Skater-Anlage sowie der Anschaffung einer Hochsprunganlage eingesetzt.
AfD: Kleinstädtische Charakter muss erhalten bleiben
Kaltenkirchen hat nach Auffassung der AfD als Schnittstelle zwischen ländlichem Raum und der Metropole Hamburg einen ganz eigenen, kleinstädtischen Charakter. Dieser müsse bewahrt werden, sagt der Spitzenkandidat, Julian Flak. Gleichzeitig gebe es in der Stadt einen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und den vielfachen Wunsch, insbesondere junger Familien, sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. „Kaltenkirchen verträgt allerdings kein endloses Wachstum mehr“, meint der Spitzenkandidat.
Die AfD fordert Behutsamkeit beim künftigen Wachstum – ohne überdimensionierte Wohnblocks und Vorgaben, etwa im Bereich Photovoltaik oder Gründächer über bestehende gesetzliche Verpflichtungen hinaus. Als Chance für ein Wohnen im Grünen sollte nach Ansicht der AfD mit einem breit angelegten Beteiligungsprozess auch über eine mittelfristige Entwicklung des Gebiets Wiesendamm/Radensweg wieder gesprochen werden.
AfD lehnt Privilegien für Elektro-Fahrzeuge ab
Die AfD fordert außerdem, bei bei der Weiterentwicklung der Stadt die Infrastruktur von Kita-Plätzen und dem Sport- und Freizeitangebot bis zu einer Anpassung der Verkehrsinfrastruktur mitzuplanen. Die AfD stehe dabei für eine Verkehrspolitik ohne ideologische Scheuklappen, die den motorisierten Individualverkehr nicht verteufelt. „Öffentliche Parkplätze sind für alle zu erhalten, Privilegien für E-Fahrzeuge lehnen wir klar ab“, sagt Flak. Auch sei es nicht Aufgabe der Stadt, mit Steuergeldern Ladeinfrastruktur – also Tankstellen – zu finanzieren. Die AfD lege Wert auf solide Finanzen.
„Dafür können durch eine stetige Weiterentwicklung des Gewerbestandortes Kaltenkirchen auch weiterhin hohe Gewerbesteuereinnahmen garantiert werden“, erklärte der Spitzenkandidat. „Gleichzeitig muss auf unnötige Ausgaben verzichtet werden: Die Stelle des Klimamanagers gehört abgeschafft, die Gleichstellungsbeauftragte kommt mit einer halben Stelle aus.“
Die Linke: Infrastruktur muss mit der Einwohnerzahl mitwachsen
Eines der wichtigsten Themen der Kaltenkirchener Linken in der wachsenden Metropolregion und damit auch in Kaltenkirchen wird der Wohnungsbau. Sich gegen ein Wachstum zu wehren, werde nicht funktionieren, meint die Spitzenkandidatin Gabriele Hosic, also müsse das Wachstum gestaltet werden. „Neben erschwinglichem Wohnraum, der auch jetzt schon seniorengerecht gedacht werden muss, muss auch die Infrastruktur dazu mitwachsen“, sagt Hosic.
Kindergärten, Schulen, der Ausbau von Radwegen und des ÖPNV gehören für die Partei ebenso dazu wie die Instandhaltung und Sanierung alter städtischer Bauten. keine einfache Aufgabe, wenn man sich die gewaltigen Aufgaben im Bereich Klima- und Naturschutz vor Augen halte, meint die Spitzenkandidatin. Zu ihren zentralen Forderungen gehört ein CO2-neutrales Kaltenkirchen.
Die Linke ruft dazu auf, mutig an die Zukunft zu denken
Hosic: „Naturschutz und der Erhalt der Artenvielfalt sind kein schönes politisches Hobby, sondern Grundlage für ein lebenswertes Leben unserer Kinder und Enkel.“ Auch die Verwaltung selbst müsse für die Zukunft fit gemacht werden. Verwaltung sei kein Selbstzweck, sondern sollte sich auf die Bedürfnisse und Anliegen ihrer Bürgerinnen und Bürger konzentrieren und sich bemühen, ihre Dienstleistungen so zugänglich und einfach wie möglich zu gestalten.
„Sie sollte ein positives und offenes Verhältnis zu ihren Bürgerinnen und Bürgern aufbauen und ihnen das Gefühl geben, dass ihre Belange gehört und respektiert werden“, sagt die Spitzenkandidatin. Schlagworte wie e-Goverment und Digitalisierung weisen nach ihrer Ansicht den Weg, werden aber zu Kosten führen und nicht ohne Personal zu bewältigen sein. Hosic: „Hier ist Politik gefragt, mutig und ohne Scheu Zukunft zu denken.“
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Kommunalwahl: 2018 lag die CDU vor SPD und Pro-Kaki
Bei der Kommunalwahl im Jahr 2018 errang die CDU mit 30,7 Prozent die meisten Stimmen gefolgt von der SPD mit 23,8 und der Wählergemeinschaft Pro-Kaki mit 21,1. Rang vier und fünf belegen FDP (13,6) und die AfD (6,2), danach folgt die Linke mit 4,7. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,3.
Wegen einiger Austritte aus den Fraktionen spiegelt die aktuelle Sitzverteilung der Stadtvertretung nicht exakt das Wahlergebnis wieder. Die CDU verfügt über zwölf Sitze, die SPD über sieben und die Wählergemeinschaft Pro-Kaki über fünf. Auf die FDP entfielen vier Mandate und auf die AfD zwei. Die Linke hat einen Sitz. Hinzu kommen zwei fraktionslose Stadtvertreter.
In diesem Jahr gehen die Parteien mit diesen Spitzenkandidaten ins Rennen:
Kurt Barkowsky (CDU)
Susanne Steenbuck (SPD)
Michael Flach (Pro-Kaki)
Katharina Loedige (FDP)
Julian Flak (AfD)
Gabriele Hosic (Die Linke)