Kisdorf. 14-Jähriger sitzt im Rollstuhl. Bald bekommt er einen Hund, der 50 Befehle beherrscht – und sogar die Waschmaschine ausräumen kann.
Manja Günther weiß genau, wie Assistenzhunde das Leben von Menschen mit einer Behinderung bereichern können. Die Vierbeiner schenken ihnen Selbstvertrauen und Unabhängigkeit im Alltag. „Mein Sohn sitzt im Rollstuhl und hat im Alter von acht Jahren einen Assistenzhund bekommen“, erzählt die Mutter. „Ich habe schnell gesehen, wie er sich verändert hat. Er hat lauter gesprochen und ist viel selbstbewusster geworden“, sagt Günther.
Labrador Camilla wurde der Familie 2011 über den Verein Apporte – Assistenzhunde für Menschen im Rollstuhl vermittelt. „Das Tier ist ein Türöffner. Es baut Brücken. Mein Sohn war in der Schule plötzlich nicht mehr der Junge im Rollstuhl, sondern der Junge mit dem tollen Hund“, berichtet Manja Günther. Bevor Camilla ihn in die Schule begleitete, sind die meisten Kinder in den Pausen schnell zum Fußballplatz gerannt. Günthers Sohn ist zurückgeblieben, weil er im Rollstuhl nicht so schnell hinterherkam. „Seit der Hund dabei ist, war er nie allein. Es stand immer eine Traube Kinder um ihn herum.“
Menschen mit Behinderung: Ein Assistenzhund für Thies – „Das Tier ist ein Türöffner“
Manja Günther war so glücklich und dankbar für das neue, tierische Familienmitglied, dass sie selbst beschloss, sich ehrenamtlich bei Apporte zu engagieren und Assistenzhunde zu vermitteln. Seit vergangenem Jahr ist sie Erste Vorsitzende. Nun hilft sie Thies Otterstetter aus Kisdorf und seiner Familie dabei, einen Assistenzhund bei sich aufzunehmen.
Thies ist 14 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. „Er ist nicht altersgerecht integriert. Die Sportangebote für Rollstuhlfahrer in der Umgebung sind nicht groß. Wir wünschen uns mehr soziale Integration für ihn“, sagt Vater Jan Otterstetter. Der 49-Jährige sieht einen Assistenzhund als Brückenbauer. Auf einer Messe im vergangenen Jahr nahm die Familie Kontakt zu Apporte auf.
Assistenzhunde: Im Alter von 15 Monaten beherrschen sie 50 Befehle
Im Sommer soll der Hund zu ihnen kommen. Derzeit wird er in einer Assistenzhundeschule in Österreich ausgebildet. Welcher Vierbeiner es wird, steht noch nicht fest. Schule und Verein wollen, dass der Hund zum Wesen seines neuen Besitzers passt. Ist dieser sensibel, sollte auch das Tier kein robuster Draufgänger sein. „Was sollte der Hund alles können? Es wird ein genaues Profil des Besitzers entwickelt“, erklärt Manja Günther.
Im Welpenalter werden die Hunde, zumeist Golden oder Labrador Retriever, in Patenfamilien sozialisiert. Mit acht bis zehn Monaten kommen sie zurück auf den Hundehof. Bevor sie im Alter von etwa 15 Monaten in ihre richtigen Familien kommen, haben sie bereits alle 50 Befehle, die sie können müssen, erlernt. Assistenzhunde können beispielsweise den Lichtschalter betätigen, heruntergefallene Sachen vom Boden aufheben, die Waschmaschine ausräumen oder beim Ausziehen behilflich sein. Sie erleichtern das Leben ihres Herrchens oder Frauchens enorm.
Familien müssen lernen, Hörzeichen richtig zu betonen
„Zwei Monate vorher bekommt die Familie Bescheid, dass es losgeht und der Hund zu ihr kommt“, sagt Manja Günther. Auf ihr Handy wird dann eine Audionachricht geschickt. In dieser können sich die neuen Besitzer genau anhören, wie die etwa 50 Hörzeichen ausgesprochen und betont werden. „Das ist eine Hausaufgabe für die Familie. Nur wenn die Befehle richtig ausgesprochen werden, hört der Hund“, sagt Günther.
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Neben ihr liegt der Assistenzhund ihres Sohnes. Während sie über die zwölf Jahre alte Hundedame namens Camilla spricht, nennt Günther sie allerdings „Linda“. „Das ist ihr Erzählname“, erklärt sie. Ihr richtiger Name soll sich nicht abnutzen. Sofern sie „Camilla“ sagt, reagiert der Hund sofort. „Auf diesen Namen wurde sie trainiert. Sie schaut sofort, was sie für uns tun kann.“
Ausgebildeter Assistenzhund kostet 21.000 Euro
Ein ausgebildeter Assistenzhund kostet 21.000 Euro – hohe Kosten, an denen es meistens scheitert. Familie Otterstetter hat die Summe bereits zusammen. Die Bürgerstiftung VR Bank in Holstein spendete 1500 Euro für Thies und lud ihn, Zwillingsschwester Kajsa und seine Eltern Jan und Svenja Otterstetter in die Bankfiliale nach Henstedt-Ulzburg ein. Ebenso half ein Aufruf bei Radio Hamburg.
In Thies Freundes- und Bekanntenkreis fragen bereits alle, wann der Hund denn endlich komme. Der 14-Jährige wird die Hauptbezugsperson sein. Der Vierbeiner soll in seinem Zimmer schlafen. „Ich habe noch nie eine Familie mit einer engeren Bindung als zu einem Assistenzhund erlebt. Sie sind einfach immer dabei“, sagt Manja Günther.
Mehr Infos unter apporte-assistenzhunde.de.