Bad Segeberg. Ampelkoalition versagt Priorisierung: Alexander Wagner hatte Robert Habeck Hass auf Bad Segeberg unterstellt – und erntet Kritik.

Der Ärger der Politik im Kreis Segeberg über die Entscheidung der Berliner Ampelkoalition, den Weiterbau der A 20 nicht weiter zu priorisieren, kennt keine Grenzen. Und so kommt es jetzt mutmaßlich Mitte April zu einer Demonstration in Bad Segeberg, die in Zeiten des rasenden Klimawandels, der sich überall festklebenden Klimaaktivisten und einer weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung seltsam aus der Zeit gefallen scheint: Eine Demonstration für den schnellen Ausbau einer Autobahn.

Die treibende Kraft dahinter ist Alexander Wagner, Vorsitzender der SPD Bad Segeberg und Referent der SPD-Landesvorsitzenden Serpil Midyatli. „Wir sind auch nicht begeistert, wenn Natur für Autobahnen zerstört wird“, sagt Wagner. Aber der Lärm und die Abgase der sich über Bad Segeberg und viele andere Kommunen im Kreis Segeberg ergießenden Autos und Lastwagen, die von der kurz vor der Kreisstadt endenden A20 kommen, gefährdet seit Jahr und Tag die Gesundheit und die Lebensdauer Zehntausender Menschen. Und das findet Alexander Wagner dann doch deutlich schlimmer.

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Wagner hatte sich furchtbar aufgeregt über den Entzug der Einstufung des „überragenden öffentlichen Interesses“ für die A20, auf den sich die Ampel im Koalitionsausschuss geeinigt hatte. Und er lenkte seine Entrüstung auf jene, die für dieses, aus Sicht der Bad Segeberger, Desaster verantwortlich sind – die Grünen. Respektive den derzeit ersten Mann der Grünen, Robert Habeck.

„Wie sehr muss Robert Habeck unser Bad Segeberg eigentlich hassen, dass der Weiterbau der A20 es nicht einmal in eine 144 (!) Positionen lange Liste des Bundes zur Beschleunigung von Verkehrsprojekten geschafft hat, obwohl SPD und FDP klar für das Projekt sind?“, ließ sich Wagner zitieren.

Hasst Habeck Bad Segeberg? Das sei nur eine „Zuspitzung“, sagt Wagner

Nein, antwortet Wagner am Freitag auf die Frage, ob sich Bundeswirtschaftsminister Habeck vielleicht schon wutentbrannt gemeldet habe. Wagner ist nicht naiv, rechnet nicht mit eine Reaktion, weil Habeck davon mutmaßlich gar nichts mitbekommen habe und dieser es außerdem ja gewohnt sei, derzeit ständig einzustecken. „Aber ich habe mir schon ziemlichen Ärger mit den Grünen hier vor Ort in Bad Segeberg eingehandelt. Die fanden meine Kritik an Habeck überzogen und unter der Gürtellinie.“

Zugespitzt auf Habeck habe er seinen Ärger, weil der als Synonym stehe für die grüne Position. Weil die Grünen immer gegen den Ausbau waren. Sowohl im Bund als auch im Land – dort nur aus reiner Koalitionsdisziplin zur CDU den Ausbau abnickten. Sich aber, in Person von Habeck, nun aus Sicht von Wagner im Koalitionsausschuss durchgesetzt haben. Kritik übt er aber auch an seiner eigenen Partei. „Die SPD hat sich am Koalitionstisch auch nicht ausreichend für die A20 stark gemacht – das gehört zur Wahrheit dazu.“

Grüne werfen Wagner „plumpes Grünen-Bashing“ vor

Die Grünen in Bad Segeberg werfen dem SPD-Mann nun „plumpes Grünen-Bashing“ vor, er wolle Habeck diffamieren und bediene sich eines reißerischen Wahlkampfstils, der seiner Partei unwürdig sei. „Das ist unsachlich, unseriös und weit unter der Gürtellinie“, teilen Mona-Luise Wagemann und Fabian Osbahr von den Segeberger Grünen mit. „Das Wort ,Hass’, das hier Robert Habeck dreist unterstellt wird, ist geradezu abenteuerlich und unverfroren.“

Die Segeberger Grünen wollten das „Nadelöhr vor und in der Stadt“ ebenfalls abschaffen, aber eben „ökologisch und sozial möglichst gerecht“, weswegen man sich Sorgen um die von der Umgehung betroffene Trave-Schule mache. Grundsätzlich könne man sich aber eine Verbindung von der A20 zur A21 vorstellen. „Alles darüber hinaus haben wir immer kritisch betrachtet, waren aber zu jeder Zeit an einer ernsthaften und abgewogenen Lösung des Stauproblems in unserer Stadt interessiert.“

CDU nennt die SPD „scheinheilig“

Torsten Kowitz, CDU-Fraktionschef im Kreis, kommentiert: „Die SPD-geführte Ampelregierung feiert ihre Ergebnisse im Koalitionsausschuss als Planungsbeschleuniger und Klimaretter und die Bad Segeberger SPD will gegen diese Ergebnisse in Bad Segeberg demonstrieren. War vor einigen Jahren der Hambacher Forst die Scheinheiligkeit der Grünen in NRW, entwickelt sich unsere Kreisstadt zur Scheinheiligkeit der SPD in Schleswig-Holstein.“

SPD und auch FDP hätten vollmundig verkündet, sich auf allen Ebenen für die Fertigstellung der Umgehung Bad Segeberg in 2030 sowie die Anbindung zur A7 einsetzen zu wollen, sagt Kowitz – und hätten versagt. „Die Grünen waren wenigstens so ehrlich, gleich zu sagen, dass sie weitere Klagen prüfen wollen.“

Demonstration im April – direkt an der Bundesstraße und dem Verkehr

Für Alexander Wagner ist – Parteiengezänk beiseite – wesentlich, dass es für Bad Segeberg eine Lösung geben muss. „Der Verkehr von der A20 muss endlich an der Stadt vorbei gehen“, sagt er. Er habe mit Wohlwollen gehört, dass Ministerpräsident Daniel Günther und seine Amtskollegin Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern sich für den priorisierten Ausbau der A20 ausgesprochen haben. „Manche erwarten jetzt auch ein Machtwort des Kanzlers“, sagt Wagner.

Still hinnehmen will der SPD-Vorsitzende die Situation auf gar keinen Fall. Und so kam ihm die Idee für die Demonstration pro Autobahn 20. „Ich bin dazu auch mit CDU, FDP und Wählergemeinschaften vor Ort im Gespräch. Den Bürgermeister Toni Köppen will ich ins Boot holen. Vielleicht bekommen wir die Demo überparteilich hin. Das wäre ein starkes Zeichen aus der Stadt. Die Grünen sind hier isoliert mit ihrer Meinung.“ Wagner sei für jeden Teilnehmer und Unterstützer der Demonstration dankbar.

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Der Termin für die Demo soll Mitte April sein, an einem Freitagnachmittag, direkt an der Bundesstraße, über die sich der Verkehr von der A20 tagtäglich quält. „Zwischen ZOB und Bahnhof gibt es eine Fläche, auf der ein Kiosk abgerissen wurde. Da könnten 100 oder mehr Menschen auflaufen“, sagt Wagner. Er hoffe, dass er eine Genehmigung erhalte. Deswegen verrät er den exakten Termin noch nicht.

Dass der Termin mitten in den Ferien und im Kommunalwahlkampf liege, ist ihm herzlich egal. „Das soll keine Wahlkampfnummer werden. Die Ampelkoalition hat ihre Entscheidung jetzt getroffen – denen war es auch herzlich egal, ob wir gerade Kommunalwahl haben.“