Norderstedt. Den Bau eines der ersten Konzentrationslager beschlossen Hamburger Nazis am 31. März 1933. Es entstand im Wittmoor.

Eines der ersten Konzentrationslager in Adolf Hitlers „1000-jährigem Reich“ stand auf Glashütter Grund und Boden, der heute zu Norderstedt zählt. Am heutigen Freitag, 31. März, ist es genau 90 Jahre her: Am 31. März 1933 ordnete Hamburgs Polizeisenator Alfred Richter den Bau des KonzentrationslagersWittmoor auf dem Gelände der Torffabrik an der Segeberger Chaussee 310 an und machte den Ausbau in den Zeitungen publik.

Trotzdem behaupteten die Glashütter noch bis weit in die 1970er-Jahre hinein, sie hätten vom KZ in ihrer direkten Nachbarschaft nichts gewusst. Am 10. April 1933 deportierten die Nazis die ersten 20 „Schutz-Häftlinge“ (NS-Bezeichnung) in das KZ im heutigen Norderstedter Ortsteil.

Geschichte: Heute vor 90 Jahren – Auftakt des Nazi-Terrors in Glashütte

<p/> Auf einem Luftbild sind die einzelnen Gebäude der Torffabrik gut zu erkennen. Zur Zeit des KZ Wittmoor umgab ein nicht sehr hoher Zaun aus Stacheldraht das Lager.

Auf einem Luftbild sind die einzelnen Gebäude der Torffabrik gut zu erkennen. Zur Zeit des KZ Wittmoor umgab ein nicht sehr hoher Zaun aus Stacheldraht das Lager. © Stadtarchiv Norderstedt

Es waren den NS-Machthabern unliebsame Menschen wie Schwule und weitere, sexuell anders orientierte Menschen, Kommunisten und Sozialisten, SPD- und KPD-Mitglieder oder nur einfach Menschen, die gegen die NS-Herrschaft aufbegehrten, darunter viele Jüdinnen und Juden. Für sie war das KZ-Wittmoor der Anfang einer leidvollen Odyssee durch die KZs und Todeslager des NS-Regimes.

Auf das KZ-Wittmoor folgten die KZs Neuengamme, Bergen-Belsen, Theresienstadt, Treblinka bis zum Todeslager Auschwitz. Unter ihnen war beispielsweise der ehemalige Hamburger Bürgerschafts-Abgeordnete Alfred Levy von der KPD und der Schriftsteller Hans Liepmann. Sie alle sollten anfangs „nur“ durch „harte Arbeit“ umerzogen werden.

Häftlinge des KZ mussten Torf stechen – Heizmaterial für die Hamburger

Tagsüber mussten die Gefangenen im Wittmoor Torf stechen. Zu Fuß ging es streng bewacht vom Torffabrik-Gelände ins Moor. Der Arbeitseinsatz begann um 8 Uhr.
Tagsüber mussten die Gefangenen im Wittmoor Torf stechen. Zu Fuß ging es streng bewacht vom Torffabrik-Gelände ins Moor. Der Arbeitseinsatz begann um 8 Uhr. © Stadtarchiv Norderstedt

Die ersten Gefangenen mussten die verfallenen Gebäude instandsetzen. Im Juni arbeiteten bereits 100 Häftlinge im Wittmoor. Im September 1933 mussten sich 140 Inhaftierte die Baracken teilen, streng observiert von Bewachern der SA, der SS und der Hamburger Schutzpolizei. Sie mussten Torf stechen, Moorflächen trockenlegen und kultivieren und den Rohstoff Torf in der Fabrik zu Heizmaterial für die Hansestadt Hamburg verarbeiten.

Ende Mai 1933 waren 87 Gefangene in dem KZ, bewacht von 36 SA-Aufsehern. Der Lagerkommandant soll der Schutzpolizei angehört haben. Ursprünglich sollten bis zu 800 Häftlinge ins KZ Wittmoor deportiert werden, denn die Stadt Hamburg war dringend auf das Heizmaterial Torf angewiesen. Doch für 800 Insassen war Gelände zu klein. Zudem waren die Baracken nicht winterfest.

Gauleiter Karl Kaufmann fand die Methoden im KZ Wittmoor „zu lasch“

Der NSDAP-Gauleiter von Hamburg Karl Kaufmann in Uniform während einer Rede. (Undatierte Aufnahme). Er sicherte die NS-Herrschaft in den ersten Monaten durch brutalstes Vorgehen ab.
Der NSDAP-Gauleiter von Hamburg Karl Kaufmann in Uniform während einer Rede. (Undatierte Aufnahme). Er sicherte die NS-Herrschaft in den ersten Monaten durch brutalstes Vorgehen ab. © dpa

Im Sommer 1933 inspizierte der Hamburger Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann das KZ und befand die Behandlung der Gefangenen als „zu lasch“. Es soll ihm „zu wenig geprügelt worden“ sein, wie Geschichtsforscher Willy Klawe in seiner Dokumentation „Im übrigen herrscht Zucht und Ordnung – Zur Geschichte des Konzentrationslagers Wittmoor (VSA Verlag, Hamburg 1987) schrieb.

Zudem wirkten das Lager und seine Gefangenen auf die Glashütter zu diesen Anfängen des Hitler-Regimes noch zu einschüchternd, so dass sogar der Spruch kursierte: „Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Wittmoor kumm!“ Unter der Führung der SS schloss Hamburgs damaliger Justizsenator Curt Rothenberger das KZ am 17. Oktober 1933 und ließ die 140 Häftlinge in das „KoLaFu“, das gefürchtete Konzentrationslager Fuhlsbüttel verlegen.

Der Norderstedter Kulturverein Chaverim – Freundschaft mit Israel stellte 2009 mit Unterstützung der Stadt in Erinnerung an das KZ in der Torffabrik direkt an der Segeberger Chaussee 310 eine von vier Stolperstelen auf, die an jüdisches Leben zur NS-Zeit in den vier Ursprungsgemeinden Norderstedts erinnern. Chaverim veranstaltet seit 1999 auch jeweils zur Reichs-Pogromnacht am 9. November und zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar Gedenkzeiten am Erinnerungsstein im Wittmoor am Fuchsmoorweg, den die Stadt Norderstedt 1987 aufstellte.

Regelmäßige Gedenkstunden am Mahnmal für das KZ

Das Mahnmal an der KZ-Gedenkstätte Wittmoor am Fuchsmoorweg. 
Das Mahnmal an der KZ-Gedenkstätte Wittmoor am Fuchsmoorweg.  © Chaverim

Die in den Stein eingefügte Bronzetafel enthält einen Auszug der Rede, die der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der NS-Gewaltherrschaft im deutschen Bundestag gehalten hatte.

Außerdem initiierte der Verein Chaverim das Pflanzen von Bäumen und Blumen zum Gedenken an die sechs Millionen ermordeter Jüdinnen und Juden während des Holocausts. Zum 75. Jahrestag des KZs Wittmoor brachte die Stadt am 31. März 2008 eine Informationstafel an der KZ-Gedenkstätte am Fuchsmoorweg an.

Die Ausstellung „Auftakt des Terrors“ zeigt die unbekannte Geschichte der zahlreichen frühen Konzentrationslager. Biografien von Verfolgten schildern, wie die frühen KZs dazu beitrugen, die NS-Herrschaft zu festigen und die Instrumente des NS-Terrors zu erproben. Die Ausstellung wird bis 6. April in den Beruflichen Schulen des Kreises Ostholstein in Eutin gezeigt (Veranstalter: Gedenkstätte Ahrensbök). Weitere Termine in Schleswig-Holstein und bundesweit unter www.auftakt-des-terrors.de