Bad Segeberg. Bildhauer Otto Flath aus Bad Segeberg schuf Altäre und Madonnen – aber auch erotische Akte, Frösche und behaarte Monstren.
Otto Flath erotisch? Satirisch? Albern? Der Bildhauer von mehr als 50 Altären, diversen Madonnen-Figuren und anderen religiösen Skulpturen, der Maler sphärischer Aquarelle, keuscher und züchtiger Motive. Ausgerechnet Flath soll erotisch gezeichnet haben? Akte gar? Und noch dazu satirische Blätter mit Fröschen, Hunden und Zwitterwesen sowie spärlich behaarte Monstren mit Schwänzen?
Günter Gathemann hat das Flath-Archiv gesichtet. Und Überraschendes gefunden. „Das hat uns wirklich sehr erstaunt, was wir da plötzlich entdeckt haben“, sagt der Vorsitzende des Förderkreises Kulturforum Flath. Die Zeichnungen lagerten im Nachlass Flaths, das im Stadtarchiv untergebracht ist. Zirka 20.000 Papierarbeiten Otto Flaths warten darauf, gesichtet zu werden.
Bad Segeberg: Archivfund – Religiöser Künstler mochte Erotik und Satire
„Im Segeberger Flath-Archiv befinden sich zirka 60 Frauen- und Männer-Aktzeichnungen und Bilder mit dem Vermerk erotisch, die nicht datiert sind und vermutlich aus seiner Studiumszeit stammen“, sagt Gathemann.
Dabei gehörte Otto Flath zu den Künstlern, die kaum etwas anderes kannten als Kunstarbeit. 50 Altäre gehen auf Flaths Arbeitskonto, dazu 3500 Skulpturen aller Art von Heiligen-Staturen bis zur vergoldeten Pietá. Die steht jetzt in der neuen Ausstellung in der Flath-Kunsthalle neben den wollüstig stierenden Wurzelmännchen und fies glotzenden Fröschen Flip und Flap, den geifernden Kötern und penetrant auftretenden Vögeln, die nicht wissen, ob sie Pelikane oder Pinguine sein wollen.
Otto Flath wuchs arm, aber von den Eltern behütet auf. „Seinen Vater beschreibt er als sanft und mild“, hat Günther Gathemann herausgefunden. Es habe kein hartes Wort von ihm gegeben. Die Eltern waren Kleinbauern, die Kindern halfen bei der Arbeit. Otto Flath spielte mit den Hofhunden, was seine Zuneigung zu den Tieren erklärt.
Otto Flath lebte, arbeitete und starb in der Villa Flath
Er wurde am 9. Mai 1906 in Staritzke bei Kiew geboren und starb am 10. Mai 1987 in seinem Haus, der heutigen Villa Flath, das vor der NS-Diktatur ein jüdisches Waisenhaus war. Segebergs NS-Bürgermeister Hans Koch hatte es dem Ehepaar Burmeister zum Spottpreis von 14.000 Reichsmark überlassen. Einige der jüdischen Erzieherinnen und Kinder ermordeten die NS-Schergen im Todeslager Auschwitz. An sie erinnern Stolpersteine und eine Gedenktafel vor der Villa Flath.
Das Ehepaar Burmeister lernte Otto Flath in Kiel kennen und kaufte ihm 1932 Bilder-Serien ab, von denen jetzt Teile in der neuen, schlüssig aufgebauten Ausstellung zu sehen sind. Seine frühen Zeichnungen signierte er noch mit dem Namen seines Geburtsorts, später setzte er seinen Namen darüber.
Otto Flath konnte dank eines Stipendiums Bildhauerei an der Kunst- und Gewerbeschule Kiel, heute die Muthesius Kunsthochschule, studieren. Nebenher malte er Aquarelle und auch die humorvollen Zeichnungen von den Fröschen Flip und Flap.
Religiöse Motive verkauften sich besser als Humor und Erotik
Flath wurde von Ellen und Wilhelm Burmeister quasi adoptiert. Das Ehepaar betätigte sich als Kunstagenten und rieten ihm zu religiösen Motiven in der Bildhauerei, weil die sich besser verkaufen ließen. Noch heute hält sich hartnäckig das Gerücht von einer „Menage à trois“ zwischen Otto Flath und den Burmeisters.
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Doch alles, was außerhalb seiner Werkstatt geschah, schien den Künstler nicht sonderlich zu tangieren, er bildhauerte seine (Auftrags)-Altäre, zeichnete und malte Aquarelle und kurze Bildergeschichten von sich kabbelnden Fröschen. Das einzige Motiv, das als politisch durchgehen könnte, ist die Satire „Der Michel wird jetzt knapp gehalten“, das sich auf den Ersten Weltkrieg bezieht.
Bad Segeberg: Ausstellung mit den frühen Werken von Otto Flath
Mit der Öffnung der Kunsthalle allerdings haben Stiftung und Förderverein ein großes Problem. Es fehlen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wir sind nur zehn Leute, müssten aber mindestens 15 Ehrenamtler sein, damit der Betrieb am Wochenende reibungslos laufen kann“, sagt Hans-Jürgen Reher.
Der 88-Jährige arbeitet mit Herzblut für die Stiftung: „Als Kind durfte ich Otto Flath immer in seiner Werkstatt besuchen, und mein Großvater, der eine Stellmacherei hatte, hat für ihn immer spezielle Bäume besorgt.“
„Wenn Frösche Tango tanzen – frühe Werke von Otto Flath“: Sa, 1.4., 14.00, Kunsthalle Flath, Bismarckallee 5. Danach bis auf weiteres Sa+So, 14.00–17.00.