Bad Segeberg. Auch die NS-Vergangenheit des Künstlers und seiner Mäzene Wilhelm und Ellen Burmester werden jetzt erforscht.
Die berühmte Zeile „Hinter eines Baumes Rinde...“ des Dichters und Lästerlyrikers Heinz Erhardt nutzte Dagmar Linden für den Titel der neuen Ausstellung „Hinter eines Baumes Rinde... – Zum Schaffensprozess von Otto Flath“ in der Otto-Flath-Halle an der Bismarckstraße 5 in Bad Segeberg. In der Halle aus den 1960er-Jahren sind unveröffentlichte Fotos und Zeichnungen aus dem Otto-Flath-Archiv und eine wiederentdeckte Auswahl von Holzfiguren zu sehen.
Ausstellung: Unveröffentlichte Architekturzeichnungen
Dagmar Linden hat die neue Flath-Schau kuratiert. Sie ist Leiterin der Museumsberatung und -Zertifizierung für Schleswig-Holstein und führt mit Werner Schulze das Kulturforum Flath. „Seit der ersten Sichtung der Kunsthalle Otto Flath im vorigen Jahr entdecken wir immer neue Facetten des Flath-Gesamtwerks“, sagt Linden.
Neu zu sehen sind bisher unveröffentlichte Architekturzeichnungen Flaths zu seinen Altären und private Fotografien seines Ziehvaters Wilhelm Burmester, der jeden Arbeitsschritt des Holzbildhauers vom Transport der Baumstämme bis zur Aufstellung der fertigen Werke in Kirchen von Hamburg bis Jackson in den Vereinigten Staaten festgehalten hat.
Willy Burmester und seine Ehefrau Ellen Burmester waren es auch, die Otto Flath unterstützten und im Jahr 1939 für sich und ihn die Villa kauften, die von 1908 bis 1939 ein jüdisches Waisenheim war. Anfang 1939 schloss Segebergs Nazi-Verwaltung das Heim und deportierte die Heimleiterin Gertrud Katzenstein ins KZ Theresienstadt, wo sie 1942 umkam. Ihre Mitarbeiterin Frieda Epstein ermordeten die Nazis 1943 im Todeslager Auschwitz. Für beide verlegte die Liberale Jüdische Gemeinde Segeberg Stolpersteine vor der Villa.
Kulturforum will NS-Vergangenheit Flaths aufarbeiten
Die Nazis „arisierten“ die Villa, und der damalige NS-Bürgermeister Hans Koch bot sie Wilhelm Burmester für nur 14.000 Reichsmark zum Kauf an. Otto Flath indes schien die tragische, jüdische Vergangenheit des Hauses nie zu kümmern, und auch in der neuen Ausstellung wird die NS-Vergangenheit nicht thematisiert.
Doch das Kulturforum Flath will jetzt die NS-Vergangenheit Flaths und Burmesters aufarbeiten und im kommenden Jahr dazu ein Symposium veranstalten, dessen Ergebnisse wiederum in die jetzt neu konzipierte Ausstellung einfließen sollen.
„Uns als Förderkreis Kulturforum Flath ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und der transparente Umgang mit ihr sehr wichtig, und wir werden die Forschungsergebnisse offen kommunizieren, wenn sie uns vorliegen“, verspricht Dagmar Linden.
Mit der neuen Ausstellung wurde auch das inklusive Konzept der Kunsthalle realisiert. Die Texte sind in Brailleschrift für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglich. Nach der Umgestaltung der Kunsthalle mit Texten in Blindenschrift, taktilen Bodenstreifen und von Rollstuhlfahrern benutzbaren Informationstischen wurde auch ein Behinderten-WC eingebaut. Jetzt wird noch ein inklusiver Medienguide installiert, den das Kulturministerium Schleswig-Holstein mit 10.000 Euro finanziert.