Norderstedt. Kirchengemeinde hofft auf finanzielle Unterstützung der Bundesregierung. Wie das Projekt mit Fundraising realisiert werden soll.
Vor einem Jahr feierte die Vicelin-Schalom-Kirchengemeinde vor der Schalom-Kirche am Lütjenmoor in Norderstedt ein fröhliches Pfingstfest. Kinder pflanzten Blumen, man traf sich nach einem Gottesdienst zum Schwatzen und Schmausen an der „Himmlischen Wurstbude“ und schmiedete Pläne, um die Schalom-Kirche endlich wieder zum „Beten und Feten“ fit zu machen. Geschehen ist nichts. Der Grund: kein Geld. Bis zur endgültigen Wiederherstellung des Gotteshauses werden bis zu zwei Millionen Euro benötigt.
Jetzt aber ist Rettung ist Sicht. Gunnar Urbach, Pastor, Kommunikationswirt, Fundraising- und Fördermittel-Manager beim evangelischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, will 815.000 Euro beim Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes lockermachen.
Norderstedt: Schalom-Kirche braucht zwei Millionen Euro für die Sanierung
„Ich unterstütze die Kirchengemeinde Vicelin-Schalom bei der Erarbeitung des Fundraising-Konzepts“, sagt Urbach. Nachdem im Frühjahr 2022 die Außenmauern des Schalom fertiggestellt worden sind, soll nun der Innenraum saniert werden. Die architektonischen Planungen seien so weit fortgeschritten, dass der Antrag an den Bund via Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein mit der Bitte um positive Stellungnahme und Weiterleitung an die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) gestellt werden könne. Ein Ergebnis erwarten Urbach und die Kirchengemeinde aber erst im Sommer.
„Weitere Anträge und mögliche Fundraising-Aktionen sind zurzeit in Vorbereitung, können aber erst nach Eingang einer Zuwendungsmitteilung vom BKM gestartet werden“, sagt Urbach mit dem Blick auf weitere Geldquellen, die es zu erschließen gilt. „Damit wird der finanzielle Grundstein gelegt und somit die Sicherheit gegeben, dass die Fertigstellung des Innenraums begonnen und erfolgreich vollendet werden kann“, sagt Urbach. Wenn die Finanzierung steht, könnten die Bauarbeiten Anfang 2024 fortgesetzt werden.
Die Schalom-Kirche steht unter Denkmalschutz
Wegen der architektonischen Einmaligkeit der 1974 in Rotklinker gebauten Kirche und ihrer Innenraum-Gestaltung stellte das Landesamt für Denkmalpflege sie 2008 als wichtiges Zeitdokument unter Denkmalschutz. Kerngedanke dieses besonderen Baus ohne Kirchensymbole wie Orgel, Kanzel und Kirchturm mit Glocken und Wetterhahn war von Anbeginn an, der Gemeinde einen Treffpunkt zu bieten, in dem die Geistlichen eher in der Ecke denn im Mittelpunkt stehen.
Die Pläne für die Sanierung der heute fast 50 Jahre alten Schalom-Kirche entstanden schon 2009. Doch im November 2010 kritisierte Norderstedts Politik im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr die Kirchenpläne: zu groß, zu hoch, zu teuer. Der kirchliche Entwurf sah einen Bau mit teilweise bis zu sieben Stockwerken vor und einen alles überragenden Kirchturm, den die Schalom-Kirche, damals wegen ihrer engagierten Kirchen-Asylpolitik auch „Rote Kapelle“ genannt, noch nie hatte.
Erhebliche bauliche Mängel ließen die Kosten steigen
Um den Kirchenraum sollten Kindergarten, Büros, ein Café mit Terrasse zum Willy-Brandt-Park und Läden für Eine-Welt- und weitere Umweltprodukte arrangiert werden, dazu Sozialwohnungen für betreutes Wohnen und Menschen mit Handicap. Doch diese neue Kirchen-Wohnwelt sollte bis zu zwanzig Millionen Euro kosten. Nach dem städtischen Politik-Einspruch geschah bis zum November 2014 – nichts.
Dann stand ein Budget von 3,8 Millionen Euro zur Verfügung, und die Kirche plante wieder. Anfang 2016 rückten die ersten Handwerker an. Doch durch Wasserrohrbrüche, durchgerostete Heizungsrohre und Schimmelbefall stiegen die Kosten auf 6,5 Millionen Euro.
Die Gemeinden Vicelin und Schalom sind 2000 fusioniert
Vor einem Jahr kam dann beim Kirchenkreis Niendorf, zuständig für Norderstedts Kirchen, der Plan auf, die Vicelin-Schalom-Kirche am Lütjenmoor nach Fertigstellung zum Hauptzentrum der Gemeinde Vicelin-Schalom zu machen. Die Gemeinden Vicelin und Schalom fusionierten am Reformationstag 2000. Die Vicelin-Kirche am Immenhorst könne als Pflegeeinrichtung von der Diakonie genutzt werden, sagte Vicelin-Pastor Ingmar Krüger im Sommer 2022. Das sei aber alles erst 2025 planbar nach Fertigstellung des Schalom. „Der Plan ist auch weiterhin in der Schwebe“, so Krüger heute.
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Was indes mit den Kunstwerken in der Vicelin-Kirche geschehen könne, ist fraglich. Der 2017 verstorbene Bildhauer Jan Koblasa hatte beispielsweise das sehenswerte Altar-Ensemble mit dem Himmelstor-Bild und das Gehäuse der Hillebrandt-Orgel mit wertvollen Intarsien entworfen und umgesetzt.
Norderstedt: Schalom-Kirche – Kostbare Fenster sollen erhalten bleiben
Sehr kostbar sind die historischen Kirchenfenster, in denen die Künstlerin Anna Andersch-Marcus die biblische Geschichte der fünf törichten und fünf klugen Jungfrauen erzählt. Die Künstlerin, die am 29. Mai 1914 in Kiel geboren wurde, aufgrund eines jüdischen Großvaters vom NS-Regime Berufsverbot erhielt und 1969 nach Israel zog, wo sie am 11. April 2005 starb, verarbeitete die Buntglas-Elemente 1958 für die Paul-Gerhardt-Kirche. Als dort umgebaut wurde, zogen die Jungfrauen 1976 in die Vicelin-Kirche, allerdings nicht vollständig: Zwei Jungfrauen sind seitdem verschwunden.
„Diese Glaskunstfenster wollen wir natürlich erhalten“, verspricht Krüger, der in einem Jahr pensioniert wird. In einer eventuellen künftigen Pflegeeinrichtung der Diakonie solle es auch einen multifunktionalen Saal geben als Treffpunkt für die Bewohnerinnen und Bewohner und die Gemeindeglieder.
Spenden für die Renovierung der Innenräume der Vicelin Schalom Kirche am Lütjenmoor gehen an Vicelin Schalom Kirche, Norderstedter Bank, IBAN DE80 2006 9111 0000 602400.