Tangstedt. Bürgermeister warnt vor Reduzierungen und Schließungen von Gruppen. Ein Vater schlägt eine Spielgruppe in Rade als Notlösung vor.

Wenn es etwas gibt, dass Eltern auf keinen Fall von einer Gemeinde hören wollen, dann wohl das: Jürgen Lamp, Bürgermeister von Tangstedt, musste die Familien im Ort nun darüber informieren, dass sich die schlechte Betreuungssituation in den drei Kindertagesstätten vorerst nicht verbessern wird. Vielmehr könnte es sich um eine längere Phase handeln.

„Die Leitungskräfte und das pädagogische Fachpersonal setzen alles daran, fehlende Zeiten durch das Leisten von Mehrarbeitsstunden sowie Personalverschiebungen aufzufangen“, so Lamp. „Es ist jedoch nicht immer möglich, die vertraglichen Betreuungszeiten unter gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht aufrechtzuerhalten.“

Kita-Notstand: Schlechte Nachrichten für Eltern in Tangstedt

Daher könne es „spontan zu Reduzierungen der Gruppenstärken oder der gänzlichen Schließung von Gruppen kommen“. Der Bürgermeister weiter: „Mir ist bewusst, dass die prekäre Situation auch Sie als Eltern vor große Herausforderungen stellt und es insbesondere eine Schieflage in Ihrem Arbeitsalltag bedeuten kann.“ Seine Bitte: Eltern mögen „sich im Vorwege um alternative Betreuungsmöglichkeiten Gedanken machen“, um bei Bedarf schnell reagieren zu können.

„Die Kita-Leitungen hatten mich gebeten, das zu erklären“, so Lamp. „Letztendlich haben die Eltern ein Anrecht auf einen Kita-Platz. Aber wir können das nicht erfüllen. Wir haben Zigtausende Euro für Umbaumaßnahmen ausgegeben, wir versuchen fast alles, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu behalten. Aber wir können die Tarifverträge nicht ändern.“

Jürgen Lamp (CDU), Bürgermeister von Tangstedt, spricht von einer „prekären Situation“ für Eltern.
Jürgen Lamp (CDU), Bürgermeister von Tangstedt, spricht von einer „prekären Situation“ für Eltern. © Christopher Mey

Tangstedt: Fachkräfte entscheiden sich eher für eine neue Kita

In Hamburg ist es dortigen Trägern möglich, Stellen auszuschreiben und dabei eine höhere Gehaltsstufe anzubieten, was einen Unterschied von einigen Hundert Euro ausmachen kann. Diesen Wettbewerbsnachteil hat Tangstedt genauso wie Norderstedt oder Henstedt-Ulzburg, eine Änderung ist nicht in Sicht.

Auch unter den drei bestehenden Kitas gibt es Unterschiede. Im Ortsteil Tangstedt gibt es „Himmelszeit“ und „Junges Gemüse“, beide direkt an der Grundschule, und mit einem guten Ruf. Auch unter Fachkräften. Anders ist es offenbar bei der Kita Kunterbunt in Wilstedt. „Bei Bewerbungen ist uns aufgefallen, dass sich die Erzieherinnen und Erzieher die Kitas angeguckt haben, und die Wahl oft auf die anderen Kitas fiel.“

In Wilstedt soll eine neue Kita gebaut werden

Die Betreuungseinrichtung in Wilstedt gilt als veraltet, das Gebäude entspricht nicht den geforderten Standards. Deswegen soll es einen Neubau geben. Eine politische Mehrheit hatte sich für eine Fläche am Achtern Diek ausgesprochen. Allerdings droht hier Ärger, denn die Zufahrt soll direkt am Dorfteich vorbeiführen. Anwohner haben sich bereits zu einer Initiative zusammengeschlossen – die Debatte dürfte erst begonnen haben.

Es ist eben paradox. In neue Gebäude oder Erweiterungen – auch beim „Jungen Gemüse“ ist für 700.000 Euro ein Anbau vorgesehen – wird investiert, es fließen hohe Fördermittel. Doch ausreichend Erzieherinnen und Erzieher fehlen dann umso mehr. Was für seine Gemeinde spreche? Lamp: „Wir haben sehr wenige soziale Probleme in Tangstedt, das kann eine Motivation sein, um entspannter zu arbeiten als in Hamburg oder Norderstedt.“

Die Idee: Im Bürgerhaus Rade eine Spielgruppe eröffnen

Dennis Winter, ein Vater, hat in den letzten Wochen versucht, mit einer kreativen Lösung für die Misere Gehör zu finden beim Bürgermeister und beim Amt Itzstedt als zuständiger Verwaltung. „Bei uns in der Kita Junges Gemüse wird versucht, Personal hin- und herzuschieben.“ Das sei für die Kinder schwierig, „sie haben es mit wechselnden Erziehern zu tun.“ Er erlebte das im Januar und Februar bei der Bewegungsförderung seiner Tochter. Und ihm kam die Idee, eine Alternative zu schaffen – nämlich eine Spielgruppe im Bürgerhaus Rade.

„Das wird ja auch vom WSV für Sport genutzt.“ Winter sagt: „Wenn Kapazitätsmangel stattfindet, trifft es alle Eltern unisono. Warum dann nicht etwas für drei Stunden organisieren und die Räumlichkeiten in Rade temporär nutzen? Das wäre ideal, wir haben da einen Spielplatz, es gibt Sanitärmöglichkeiten.“

Eine Spielgruppe könnte bis zu zehn Elementarkinder gleichzeitig haben, möglicherweise in einem Zeitfenster von drei bis sechs Stunden. Winter selbst ist ausgebildeter Tagesvater. Und: Er ist Gründer einer Firma, die Dienstleistungen bei der Betreuung von Kindern anbietet und die für ein Bewegungsangebot mit der Kita „Junges Gemüse“ schon einmal testweise zwei Monate zusammengearbeitet hat. Er hat der Ortspolitik und der Amtsverwaltung ein ausgearbeitetes Konzept geschickt. „Auch die Haftungsfrage ist geklärt.“ Die Eltern müssten es schriftlich bestätigen, so Winter. Aus seiner Sicht sei die Spielgruppe keine Tageseinrichtung, die erlaubnispflichtig wäre – man sei wie ein privater Sportverein zu betrachten.

Tangstedt: Bürgermeister sieht keine Chance für Spielgruppe in Rade

Doch die Chance, dass der Vorschlag umgesetzt wird, scheint gering. „Er möchte ins Bürgerhaus Rade. Das geht nicht“, stellt Bürgermeister Lamp klar. „Die Heimaufsicht hatte uns eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die war befristet.“ Zur Erinnerung: Die „Rader Wühlmäuse“ waren eine Elementargruppe, eine Art Außenstelle der Kita Himmelszelt. Doch weil bei 20 verfügbaren Plätzen im Schnitt weniger als die Hälfte belegt waren, entschied sich die Politik 2019 aus Kostengründen, die Gruppe dichtzumachen.

Andernfalls, so hieß es damals vom Kreis Stormarn, wäre die Gemeinde gezwungen gewesen, das Bürgerhaus zu modernisieren. Winter hat von der Verwaltung die Rückmeldung erhalten: Es gibt keine Genehmigung für eine Nutzung des Bürgerhauses. Sofern er eine private Spielgruppe initiieren wolle, könne er das – aber die Frage der Räume wäre sein Problem.