Norderstedt. Stadt wollte in Not geratene Bürger und Unternehmen unterstützen. Doch das ist aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich.
Der von der Stadtvertretung Norderstedt im September aufgelegte „Härtefallfonds Energienotstand“ für durch hohe Energiepreise in finanzielle Schwierigkeiten geratene Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ist nicht mit geltendem Kommunalrecht vereinbar. In seiner jetzigen Form kann er deswegen nicht aufrecht erhalten bleiben.
Eine Million Euro stehen im aktuellen Haushalt für den Fonds bis Ende 2023 bereit. Die Stadtwerke Norderstedt und das Sozialamt der Stadt sollten in Einzelfallprüfungen Härtefälle ermitteln, diese entsprechend unterstützen und das Abklemmen von Gas- oder Stromanschlüssen verhindern.
Energiepreise: Norderstedts „Härtefallfonds Energienotstand“ ist geplatzt
Doch nach einem Runderlass des Innenministeriums in Kiel, der die rechtliche Situation beleuchtete, ist für die Stadtverwaltung nun klar, dass sie den Beschluss der Stadtvertretung aus dem September 2022 gar nicht umsetzen kann.
Der „Härtefallfonds“ soll nun aber nicht eingestampft werden und die eine Million Euro nicht einfach in den allgemeinen Haushalt zurückfließen. Auf Vorschlag der Stadtverwaltung beschloss der Hauptausschuss, dass von dem Geld nun Norderstedter Vereine, Verbände, Institutionen sowie soziale und gesellschaftliche Einrichtungen profitieren sollen.
Fonds soll jetzt Vereinen, Verbänden und Organisationen zugute kommen
Es sei rechtlich unbedenklich, diese unbürokratisch zu unterstützen, falls sie aufgrund der Energiepreise in eine finanzielle Schieflage geraten seien und nicht schon finanzielle Förderung über Bundes-, Landes- oder anderweitige Hilfsprogramme erhalten haben.
Von der ursprünglichen Idee des Fonds ist damit nicht mehr viel übrig. Miro Berbig und Norbert Pranzas von der Fraktion Die Linke hatten den Notfallfonds im Sommer 2022 für Norderstedt gefordert. „Es sollte ein Signal sein, dass wir die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen nicht allein lassen, falls Land und Bund nicht rechtzeitig in die Gänge kommen“, sagt Berbig. Schon damals merkte er an, dass er grundsätzlich Bund und Land in der Pflicht sehe. „Aber wenn da nichts passiert, können wir doch nicht mit den Achseln zucken.“
Linke, SPD, Grüne und die Freien Wähler hatten den Fonds 2022 durchgesetzt
Deswegen wurde mit Unterstützung durch die SPD, die Grünen und die Freien Wähler der Fonds in den Haushaltsberatungen gegen die Stimmen von CDU, FDP, Wir in Norderstedt und AfD mit Verweis auf die Dringlichkeit durchgedrückt. Das Geld sollte bereitstehen im Haushalt für den Tag X.
„Dass nun klar ist, dass es rechtlich unmöglich ist das umzusetzen, konnten wir damals noch nicht absehen. Wir sind in einer einmaligen, nie dagewesenen Situation. Da kann man als Kommunalpolitiker nicht jeden Antrag darauf prüfen, ob er der Verfassung entspricht“, sagt Berbig.
Die Suche nach förderungswürdigen Vereinen ist gar nicht so einfach
Dass die eine Million Euro nun Vereinen, Verbänden und Institutionen zugute kommen kann, findet Katrin Fedrowitz, Stadtvertreterin der SPD, eine gute Lösung. Auch wenn sie sich nicht sicher ist, wer überhaupt antragsberechtigt ist. Denn Sportvereine bekommen bereits über die Sportförderung Ausgleichszahlungen. Und Kulturvereine seien nahezu ausnahmslos in städtischen Räumen tätig und hätten keine Energiekosten zu tragen. „Ich bin mir sicher, dass die eine Million Euro bis zum Jahresende 2023 sicher nicht komplett abgerufen wird. Dann fließt das Geld eben wieder zurück in den Haushalt.“
Ingrid Betzner-Lunding, Stadtvertreterin der Grünen, ist es wichtig, dass gerade kleine Vereine jetzt nicht durchs Raster fallen. „Vielleicht kommen Einrichtungen wie das Mütterzentrum im Haus Kielort als Hilfsempfänger infrage.“ Auch das Norderstedter Frauenhaus oder das Albertinen Hospiz wurde im Ausschuss genannt. „Die Stadt wird uns Mitte des Jahres die Zahlen vorlegen. Dann werden wir sehen, ob wir eventuell nachsteuern müssen.“
Energiekosten: CDU fand den Härtefallfonds „handwerklich schlecht“
Für Peter Holle, Fraktionschef der CDU, ist die Wertung des Innenministeriums keine Überraschung. „Wir hatten unsere Zustimmung zu dem Härtefallfonds letztes Jahr unter anderem deswegen verweigert, weil wir den Antrag handwerklich schlecht fanden. Wir haben das vorausgesehen.“ Die jetzige Neuauflage des Fonds trage die CDU allerdings mit.
Das Innenministerium hatte in seinem Runderlass daran erinnert, dass Kommunen gehalten seien, sich auf Selbstverwaltungsaufgaben zu beschränken. Direkte Geldzahlungen an Einwohnerinnen und Einwohner sowie Unternehmen oder der Verzicht auf ebensolche zur Abfederung von Energiepreissteigerungen würde das nicht umfassen.
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Zudem entstünden durch den Notfallfonds erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Anrechenbarkeit solcher Zahlungen auf Leistungen nach dem SGB II, Wohngeld oder anderer Sozialleistungen. Und es könne sich um einen unechten Zuschuss im Sinne des Umsatzsteuergesetzes handeln, soweit die Einwohnerinnen und Einwohner Kundinnen und Kunden des jeweiligen kommunalen Stadt- oder Gemeindewerks sind – das würde Umsatzsteuer auslösen.