Norderstedt. Imperial Theater gastiert mit „Die fabelhafte Willy Wunder Wirtschaftswunder-Schau“ im Norderstedter Kulturwerk am See.

Da sitzt er schräg auf der Bühnenrampe, der Horst, und legt eine Platte auf. Eine Werbeplatte. Die gab’s im Schallplattenladen dazu. Umsonst. Dann kann man sie sich ja auch mal anhören. Muss man nicht. Aber kann. Horst kann. Davor plaudert er ziemlich belangloses Zeug aus. Bis die Werbeplatte zu dudeln beginnt und sich endlich der Vorhang zur großen Bühne im Norderstedter Kulturwerk öffnet.

Horst ist der Auftakt zu „Die fabelhafte Willy Wunder Wirtschaftswunder-Schau“, die das Hamburger Imperial Theater mit Iris Schumacher, Bianca Arndt, Marko Formanek und Frank Thannhäuser, der auch Regie führte, ins Kulturwerk brachte. Die musikalische Leitung hat Stefan Hiller. Bereits am 5. August 2021 hatte die 50er-Jahre-Revue Premiere im Haus auf der Reeperbahn, am 24. April ist die letzte Vorstellung.

Norderstedt: Überdrehte Zeitreise in die nicht nur goldenen 50er-Jahre

Nun also ein Gastspiel im Kulturwerk Norderstedt. Horsts Werbeplatte wird von real existierendem Gesang abgelöst, von einer Hymne auf Hamburg mit „Schiff ahoi“, das Bianca Arndt als Rita Wunder mit klarer Stimme zu Playback-Musik singt, während Marko Formanek als Willy Wunder, Iris Schumacher als Gisela Hossakowsky und Frank Thannhäuser als Horst die Backgroundsummer geben.

Das Quartett packt Hamburger Ohrwürmer aus, darunter „Auf der Reeperbahn bei Nacht“ bis zu „Unter der roten Laterne von St. Pauli“. Iris Schumacher und Bianca Arndt singen im breiten Hamburgisch, Horst ist eher zurückhaltend, während Marko Formanek als Wiener Import gern mal den Schmäh-Galan gibt.

Manches mutete platt an, wie etwa der Lale-Andersen-Schlager „Ein Schiff wird kommen“

Nun spulen die Vier die Hamburgensien nicht so einfach ab, sondern ziehen sie mit Gestik und Stimme ins Ironische, was manchmal aber gar nicht so liebevoll klingt. Vieles mutet überdreht und platt an, beispielsweise der Lale Andersen Schlager „Ein Schiff wird kommen“ oder „Cindy, o Cindy“. Mit raschem Kostümwechsel, Petticoat-Kleider für die Frauen, karierte Jacketts für die Männer, bieten die zwei Paare auch optische Reize.

Die Ulknudel und Wuchtbrumme à la Trude Herr gibt Iris Schumacher als Gisela Hossakowsky, Bianca Arndt ist ein bisschen feine Dame, Marko Formanek macht auf vornehm und Frank Thannhäuser ist – eben – der Horst.

Norderstedt: Mit „Tosca macht einsam“ zur 4711-Kölnisch-Wasser-Werbeshow

Die Vier singen und tanzen recht passabel und temporeich durch die Mambo-Bar, angeln etwas planlos mit ausgezogenen Zollstöcken ins Publikum und versuchen mit „Tosca macht einsam“ die Kurve zur 4711-Kölnisch-Wasser-Werbeshow zu finden.

Horst (Frank Thannhäuser, v.l.), Willy (Marko Formanek), Rita (Bianca Arndt) und Gisela Hossakowsky (Iris Schumacher) zaubern in prolligen Jacketts und fetzigen 50er-Jahre-Kleidern eine bunte Revue auf die Bühne des Kulturwerks.
Horst (Frank Thannhäuser, v.l.), Willy (Marko Formanek), Rita (Bianca Arndt) und Gisela Hossakowsky (Iris Schumacher) zaubern in prolligen Jacketts und fetzigen 50er-Jahre-Kleidern eine bunte Revue auf die Bühne des Kulturwerks. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Beim Frauengold-Spot gibt Bianca Arndt sich angeschickert – das Zeug hatte 16,5 Volumenprozent Alkohol, was das (Haus)Frauenleben in den 50er-Jahren durchaus zu erleichtern schien. Natürlich darf in einer 50er-Jahre-Wirtschaftswundershow auch die Reise nach Bella Italia nicht fehlen samt aller Klischees wie deutsche Machomänner in kurzen Hosen und karierten Hemden und Schlagern wie „Komm ein bisschen mit nach Italien“ oder Rudi Schurickes und Gerd Winklers Lied „Capri Fischer“.

Aber St. Pauli und Bella Italia zum Trotz: „Nichts ist so schön wie der Mond von Wanne-Eickel“.