Norderstedt. Detlef Wutschik und seine plappernde Puppe Werner Momsen begeisterten in Norderstedt. Wen und was sie auf die Schippe nahmen.
Man muss schon so ein breites Maul haben bei dem Mundwerk, das Werner Momsen mit seinem Klappmaul führt. Jetzt war Dauerdampfplauderer Detlef Wutschik mit seinem Alter Ego Werner Momsen zu Gast im Norderstedter Kulturwerk und begeisterte die Fans restlos.
Das kongeniale Duo aus Komiker und Puppe tanzte sogar zu italienischen Schlagern wie „Komm’ ein bisschen mit nach Italien“ von Conny Froboess und Caterina Valente, wälzte sich auf den Bühnenbrettern, als wolle es sich erst aus einem Schlafsack, dann aus einem Zelt winden, um dann im Kriechgang zum Klo auf lauter andere alte Männer mit dem gleichen Problem und Ziel zu treffen. Das Publikum jubelte vor Vergnügen und erkannte sich oft auch wieder.
Norderstedt: Muss das sein? Nach zwei Jahren Corona gemeinsam in den Urlaub
„Nach zweieinhalb Jahren Dauerkontakt zu Hause, jetzt auch noch gemeinsam in den Urlaub?“ Das ist Momsen suspekt, und er breitet vor dem Publikum im fast voll besetzten großen Saal des Kulturwerks genüsslich aus, was geschieht, wenn er mit seiner Lisbeth Urlaubspläne macht: „Sie will in den Süden, ich in den Norden.“ Und dann die vielen Fallstricke. In Marokko wird der Pass geklaut, in Bulgarien geht der Bus hoch.
Verzweifelt tigert Puppe Momsen in Cordhose Feinripp braun quer über die Bühne, dekoriert mit Cocktail-Sessel, 50er-Jahre-Zeitungsständer, Globus und Reisekatalogen, fasst sich an den Styropor-Kopf, reißt das Klappmaul auf, ruckelt an seiner Brille und sticht mit dickem Daumen in die Luft.
Wenn die Schicht Sonnenmilch im Alter immer dicker wird
Seine Lisbeth ist Stellvertreterin für alle reisewütigen Deutschen, die anderswo Land und Leute kennenlernen wollen, sich zu Hause aber nicht einmal mit den türkischen Nachbarn unterhalten. Sie weiß nicht, ob sie Aktiv-Urlaub möchte und am Strand eingepökelt in Sand und Sonnenmilch braten will. Wobei die Schicht Sonnenmilch mit zunehmenden Alter immer dicker wird.
„Die meisten hier im Saal haben die 50er ja auch schon hinter sich“, macht Wutschik-Momsen das Publikum an und erntet Applaus. Zu dessen Vergnügen lässt der Komiker kaum ein Klischee über die „schönste Jahreszeit“ aus und kalauert: „14 Tage mit dem Partner in Sommerurlaub, da kannst du auch arbeiten gehen.“ Er stichelt gegen das Internet als Reisebüro, beispielsweise, wenn man sich ein Hotelzimmer in der Mongolei anguckt: „Da bist du schon zu Hause mit den Kakerlaken auf du und du.“
Ist der Mensch wirklich dafür gemacht, Zeitzonen zu überfliegen?
Großen Spaß bereitete seine Rückschau ins deutsche Wirtschaftswunderland, als die Deutschen das Reisen nach Italien entdeckten, als es losging im Käfer, den nur Vaddi fuhr, weil Muddi ihren Führerschein erst seit fünf Jahren hatte, und der Käfer neu war, als die Kinder hinten saßen und ihre Spiele schon in Soltau durch hatten und ab den Kasseler Bergen nur noch eines fragten: „Wann sind wir da?“
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Einen kleinen Seitenhieb ließ Wutschik-Momsen Richtung Political Correctness ab: „Ein alter Indianer – ach, das heißt jetzt ja Indigene – sagte einmal, man muss hin und wieder eine Rast einlegen, damit die Seele uns wieder einholen kann.“ Außerdem: Ist der Mensch wirklich dafür gemacht, Zeitzonen zu überfliegen?
Norderstedt: Die Vor- und Nachteile des gemeinsamen Reisens
Detlef Wutschik beherrscht seine kleine Choreografie mit Werner Momsen perfekt. Mal sitzt er im Cocktail-Sessel und sinniert vor sich hin, dann wieder springt er auf und diskutiert erregt die Vor- und Nachteile des Reisens einst und heute, reckt abrupt den dicken Puppenkopf aus dem Hals, erinnert sich, wie er als Jugendlicher auf Tour durch Frankreich eine Dose Ravioli im Motorraum des Autos warmmachte, und dass zwei Sangria reichten, um jeden Abend eine neue Liebe seines Lebens zu treffen. Seitenhieb aufs Gendern: „Wir wollten auch mal Leutinnen kennenlernen.“