Henstedt-Ulzburg. Die Jazz Lips brachen beim 14. Jazzfest mit fast neuer Formation das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg zum Swingen.

Im Oktober konnten sie im Festsaal am Falkenberg in Norderstedt im 400-Personen-Saal nur 80 Gäste begrüßen – der lange Schatten von Corona. Jetzt, nur drei Monate später, gaben die Jazz Lips das 14. Jazzfest im Bürgerhaus am Beckersberg – und der Saal war mit mehr als 400 Jazz-Fans rappelvoll. Die tickten gleich bei den ersten Tönen aus, als einige der Band mit „Dreamboat Ab“ als Marching-Band quer durch den Saal zur Bühne schritten.

Die sieben Musiker leben ihr Motto „Ein Leben ohne Jazz ist möglich, aber sinnlos“ bei jedem Konzert voll aus – auch, wenn es wie in Norderstedt nur 80 Leute sind – und auch in nahezu neuer Formation. Denn diesmal war nur noch Pianist Wolf Delbrück als Gründungsmitglied des 1970 entstandenen Ensembles auf der Bühne.

Henstedt-Ulzburg: Good Old New Orleans Hot Jazz vom Feinsten

Der beliebte und auch bewunderte Günther Liebetruth mit seinem begnadeten Klarinetten-Spiel und seinem stets umjubelten Scat-Gesang war nicht mehr dabei. „Es geht ihm gut, und wir wollen ihn unbedingt zurückholen“, sagte Jazz-Lips-Moderator Hauke Strebel.

Als neuen Schlagzeuger stellte Strebel Thomas Planthaber vor, der sogleich an seiner „Schießbude“ zeigte, wozu er fähig ist. Tubaspieler Hendrik Jan Tjeerdsma bläst seit 1987 die Kellertöne.

Peter Banjo Meyer: „Eine der besten Bands des Kontinents“

Der ebenfalls schon legendäre Peter Banjo Meyer packte sein Banjo 2019 ein und damit ein Jahr vor dem Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der Jazz Lips. Er attestiert dem Ensemble, „eine der besten Bands des europäischen Kontinents“ zu sein. Jedenfalls lieferten sie im Bürgerhaus ein phänomenales Konzert ab. Seit 2007 feiern die Jazz Lips in Henstedt-Ulzburg den New Orleans Hot Jazz.

„Moin, Henstedt-Ulzburg, wir haben euch vermisst“, begrüßte Moderator Hauke Strebel die Fans und spielte auf die Corona-Zwangspause an. Begeisterter Beifall brandete der Band entgegen.

Alle Musiker lieferten hinreißende Soli ab

Jörn Zschimmer am Banjo.
Jörn Zschimmer am Banjo. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Alle, ob Strebel an der Posaune, Torsten Maaß an der Trompete, Wolf Delbrück am Piano, Thomas Planthaber am Schlagzeug, Jörn Zschimmer an Banjo und Gitarre oder Hendrik Jan Tjeerdsma an der Tuba lieferten hinreißende Soli ab, satt geprägt von ihrer Liebe zum New Orleans Jazz und der Bewunderung für Stars wie Louis Armstrong und Duke Ellington.

Ihr Spiel ist ehrlich, erdig, einfühlsam und extrafein, mal mischen sie einen derb dreckigen Sound drunter, mal zelebrieren sie jede Note, immer aber huldigen sie dem großen alten Stil aus New Orleans.

„Nur das Rauschen der alten Platten, das kriegen wir nicht hin“

Mit „Solitude“ und „East Saint Toodle-Oo“ kam die erste Hommage an Duke Ellington. „Wir wollen die Songs so original wie möglich spielen, das heißt, wir sitzen nächtelang beim Whisky und hören uns Schellackplatten an“, erzählte Strebel und witzelte: „Nur das Rauschen der alten Platten, das kriegen wir nicht hin.“

Genussvoll schrammelten sie die wundervollen alten Sounds in den Saal, Sounds, die man immer weniger hört, und die deshalb umso kostbarer werden.

Star des Abends war Helge Sachs an Klarinette und Saxofon

Helge Sachs.
Helge Sachs. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Torsten Maaß an der Trompete holt schon mal den Dämpfer raus und bläst dreckige Töne, Mit „All On A Mardi Gras Day“ frönen sie dem Karneval, geben dem Marsch-Rhythmus einen tänzelnden Touch, laden das Publikum zum Refrain-Singen ein.

Star des Abends aber war Helge Sachs an Klarinette und Saxofon. Strebel stellte ihn als Liebetruth-Nachfolger vor – was Besseres konnte den Jazz Lips nicht passieren. Sachs, seit April Inhaber des Hamburger Cotton-Clubs, bläst einen atemraubenden Sound.

Henstedt-Ulzburg: Die Jazz Lips zeigten, wie eine Band erfolgreich jung bleiben kann

Der Mann ist auch noch gut bei Stimme und ließ mit der Ballade „Sweet Lorraine“ von Louis Armstrong einen rauen Klang mit viel Groove hören. Mit der Hochzeitshymne „Dans le Rue d’Antibes“ von Sidney Bechet bewies er sein erzählerisches Talent. Die Jazz Lips zeigten wieder einmal, wie eine Band erfolgreich jung bleiben kann.