Kisdorf/Henstedt-Ulzburg. Netzbetreiber Tennet rodet Bäume und Knicks nahe Henstedt-Ulzburg. Klage der Gemeinde gegen Trasse scheint aussichtslos.

Während in Henstedt-Ulzburg die Gegner des Trassenverlaufes der Ostküstenleitung die Messer wetzen, schafft der Netzbetreiber Tennet Tatsachen für die Realisierung: Zum Jahresbeginn wurde mit den vorbereitenden Maßnahmen zum Bau der Leitung begonnen. Im Kreis Segeberg und im Raum Lübeck werden Knicks gestutzt und Bäume gefällt, damit 111 Strommasten aufgestellt werden können, über die von 2025 an der an der Ostseeküste produzierte Wind- und Solarstrom in Richtung Süden transportiert werden soll.

Im Jahre 2026 und 2027 folgen die nächsten Streckenabschnitte vom Raum Lübeck bis zur Gemeinde Göhl bei Oldenburg. 2027 soll die gesamte 380-KV-Ostküstenleitung in Betrieb genommen werden, die den Strom bis zum geplanten Umspannwerk Henstedt-Ulzburg transportiert.

Energiewende: Letzte Konsequenz Enteignung? Die Ostküstenleitung kommt

Lokaltermin am Wirtschaftsweg Gräbenhorst zwischen Götzberg und Kisdorf. Hier sind die Mitarbeiter eines vom Netzbetreiber Tennet beauftragten Unternehmens schon seit Tagen dabei, Gehölz zurückzuschneiden und Bäume zu fällen. Noch verläuft über ihnen nur eine 220-Kilovolt-Leitung, doch genau hier wird in ein oder zwei Jahren die Ostküstenleitung verlaufen. So ist es jedenfalls geplant.

Henstedt-Ulzburg will gegen den Baubeginn vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen, aber die Tennet lässt sich dadurch nicht beeindrucken: „Wir geben der Klage keine Chance“, sagt Sprecher Sören Wendt. „Wir sind überzeugt, dass das Planfeststellungsverfahren in unserem Sinne beendet wird.“ Im Sommer soll es einen Planfeststellungsbeschluss des Amtes für Planfeststellung Energie geben. Aber schon jetzt wird der Bau vorbereitet.

Die Masten werden bis zu 70 Meter hoch und reichen bis zu 38 Meter in die Erde

Paul Braun ist bei der Tennet Projektleiter für den Bau von Freileitungen. Unter seiner Führung haben die vorbereitenden Arbeiten für den Bau der Ostküstenleitung im Kreis Segeberg und im Raum Lübeck begonnen.
Paul Braun ist bei der Tennet Projektleiter für den Bau von Freileitungen. Unter seiner Führung haben die vorbereitenden Arbeiten für den Bau der Ostküstenleitung im Kreis Segeberg und im Raum Lübeck begonnen. © Frank Knittermeier

Im ländlichen Raum sollen Masten für die Starkstromleitung aufgestellt werden, die bis zu 70 Meter hoch in den Himmel reichen und bis zu 38 Meter tief in den Boden. Sie sollen im Abstand von 300 bis 450 Metern Entfernung zueinander gesetzt werden. Denn soweit muss ein Strommast im Erdreich mit Beton gegründet werden, um Haltung zu bewahren. Dafür werden später bis zu 200 Quadratmeter große Baugruben ausgehoben und temporär feste Zuwegungen für Baumaschinen über die Äcker und Wiesen gebaut. Das Erdreich wurde von Geologen untersucht.

Überall, wo jetzt schon gerodet wird, haben die Grundeigentümer ihre Zustimmung gegeben. Wo das noch nicht geschehen ist, wird verhandelt. Und wenn es keine Einigung gibt? „In letzter Konsequenz müssen wir bedauerlicherweise den Rechtsweg gehen“, sagt Projektleiter Paul Braun. Er ist für die Bauausführung der Freileitungen zuständig. „Aber unser Ziel ist es natürlich, ohne Rechtsverfahren voranzukommen. Das wollen wir aber durch Verhandlungen im Vorfeld vermeiden.“

Was aber bedeutet der "Rechtsweg" für Grundeigentümer, die sich verweigern? in letzter Konsequenz drohen ihnen Enteignungen.

Die Ostküstenleitung ist ein Kernprojekt der Energiewende in Deutschland

Die kleingehackten Überreste von Bäumen und Stauden liegen vor einem der 220-Kilovolt-Strommasten.
Die kleingehackten Überreste von Bäumen und Stauden liegen vor einem der 220-Kilovolt-Strommasten. © Frank Knittermeier

Die Gehölzschnitte erfolgen jetzt, um die vegetationsarme Zeit auszunutzen. Brüten im Frühjahr die Vögel, darf nicht gearbeitet werden. Das Amt für Planfeststellung hat diese Herangehensweise im Vorwege genehmigt.

Die 380-Kilovolt-Ostküstenleitung ist ein Kernprojekt der Energiewende in Deutschland. Im Netzentwicklungsplan wird für das Jahr 2035 eine Einspeisung von 1130 Megawatt Strom aus erneuerbaren Energien vorausgesagt – die bestehende Netzinfrastruktur reicht dafür bei weitem nicht aus.

Um Netzstabilität zu gewährleisten ist ein Netzausbau erforderlich. Deshalb soll die Ostküstenleitung entstehen. Nach dem Willen der Henstedter-Ulzburger Politik aber nicht entlang der vorhandenen 220-Kilovolt-Trasse, sondern an der Autobahn.

Energiewende: In Ellerau eröffnet ein Infozentrum der Tennet

Jetzt müssen die Kommunalpolitiker erst einmal zusehen, wie der Stromnetzbetreiber Tennet Tatsachen schafft. Und das auch auf Gemeindegebiet. Dort werden zwar noch keine Bäume gefällt, demnächst aber östlich der Hamburger Straße im Bereich der Pinnauwiesen eine Baugrube ausgehoben, um später Erdkabel mittel Rohrvortrieb in einem Düker verlegen zu können. Sind die Kabel eines Tages unter der Erde verlegt, wird die Grube wieder zugeschüttet. Auch in diesem Bereich haben Geologen Bodenproben entnommen.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht der Gemeinde Henstedt-Ulzburg recht geben, wären die vorbereitenden Maßnahmen umsonst gewesen. Davon aber geht Projektleiter Paul Braun nicht aus: „Ich bin überzeugt, wir haben alles professionell geplant. Wir sehen einer Gerichtsentscheidung gelassen entgegen.“

Interessierte Bürger können sich demnächst einen Einblick in die Planungen und die Bauarbeiten verschaffen. Im Ellerauer Gewerbegebiet wird von der Tennet am Butenring im Frühjahr ein Informationszentrum für die Öffentlichkeit eröffnet.