Bad Segeberg. In der Segeberger Open-Air-Arena traten über Jahrzehnte Weltstars auf. Warum das heute nicht mehr möglich ist.

Die Liste der Stars kann sich sehen lassen: Roland Kaiser, Sarah Connor, Santiano, Beatrice Egli, Mickie Krause, Boney-M feat. Liz Mitchell, Michael Holm und einige andere treten in diesem Jahr in der Freilichtarena am Kalkberg auf. Das ist gut. Aber es gab Zeiten, da kursierten in Bad Segeberg ganz andere Namen. Hier gastierten über Jahrzehnte echte Weltstars wie David Bowie, Elton John, Stevie Wonder und viele mehr. Die Konzerte waren so erfolgreich, dass sie beinahe sogar die Karl-May-Spiele verdrängt hätten. Die Geschichte der Kalkberg-Konzerte ist abwechslungsreich.

Alles beginnt am 30. August 1977. Der legendäre Gitarrist Carlos Santana reist an, um in Bad Segeberg ein Konzert zu geben. Als er sein erste Stück „El Morocco“ anstimmt, stehen die Fans schon Kopf. Bei seinem neunten Song, „Samba pa ti“ gibt es kein Halten mehr: Die Besucher jubeln. Vor ihm stehen die deutsche Band Lake und der vom Woodstock-Festival bekannte Country Joe McDonald mit seinem „I-Feel-Like-I’m-Fixin’-to-Die Rag“ auf der Bühne.

Kalkberg-Arena: Als Joe Cocker fast von der Bühne gefallen wäre

Der Auftakt war gemacht, alle waren zufrieden. Aber es dauert noch zwei Jahre, bis die nächsten Stars am Kalkberg auftauchen. Am 22. September 1979 heißt es „Woodstock in Europe ‘79 Bad Segeberg“. Wiederum steht Country Jo McDonald auf der Bühne, aber auch Arlo Guthrie, Richie Havens und Joe Cocker spielen ihre Songs, wobei vor allem Cocker nachhaltig in Erinnerung bleibt – und zwar nicht unbedingt wegen seiner Reibeisenstimme: Der Engländer ist sichtlich angetrunken und schaffte es gerade noch, seinen Kurzauftritt mit sechs Songs einigermaßen zu beenden. Schwankend zwar, aber immerhin...

Am 29. Mai 1985 gastiert er wieder in Bad Segeberg und absolviert einen bravourösen Auftritt ohne peinliche Zwischenfälle. Chris de Burgh und der Australier Rick Springfield sind an diesem Konzertabend ebenfalls dabei.

Die Zuschauer erlebten das Zusammentreffen zweier Jazzlegenden: Benny Goodman holte Ella Fitzgerald auf die Bühne. Gemeinsam spielten und sangen sie etwa 15 Minuten. Danach begann Ella mit ihrem eigentlichen Konzert.
Die Zuschauer erlebten das Zusammentreffen zweier Jazzlegenden: Benny Goodman holte Ella Fitzgerald auf die Bühne. Gemeinsam spielten und sangen sie etwa 15 Minuten. Danach begann Ella mit ihrem eigentlichen Konzert. © KNITTERMEIER

Kalkberg-Arena:Segebergs Politiker forderten Konzerte statt Karl May

Wie kam es überhaupt dazu, dass in Bad Segeberg neben den Karl-May-Spielen auch Konzerte veranstaltet wurden? Das ist die Geschichte: Winnetou und Co. stehen Ende der 1970er-Jahre im Abseits: Die Zuschauerzahlen gehen zurück, das Defizit wird Jahr für Jahr größer. „Die Konzerte sollten für die Stadt ein zweites finanzielles Standbein sein“, erinnert sich der Segeberger Geschichts- und Heimatforscher Hans-Werner Baurycza. „Und das hat ja auch gut funktioniert.“

Sogar so gut, dass die SPD-Fraktion in der Stadtvertretung die Abschaffung der Karl-May-Spiele fordert. Die Kalkberg-Arena solle nur noch für Großkonzerte freigegeben werden. Das hätte nach Ansicht der SPD einen doppelten Sinn gemacht: Das Risiko für die Konzerte tragen die jeweiligen Veranstalter, nicht aber die Stadt Bad Segeberg, die nur die Miete kassieren würde. In der damals noch zaghaft aufkeimenden Stadionkonzert-Euphorie soll Bad Segeberg ganz vorne mitmischen.

Es kommt aber anders: Am 13. November 1979 beschließt die Stadtvertretung Bad Segeberg, die Fortführung der Karl-May-Spiele der Kalkberg GmbH Bad Segeberg zu übertragen. Und Konzerte soll es auch weiterhin geben. Forthin wird zweigleisig gefahren.

Stevie Wonder wurde am 1. August 1984 samt Keyboard per Lift auf die Bühne gefahren. Sein Auftritt in der Kalkberg-Arena wurde umjubelt.
Stevie Wonder wurde am 1. August 1984 samt Keyboard per Lift auf die Bühne gefahren. Sein Auftritt in der Kalkberg-Arena wurde umjubelt. © ARCHIV

Mit Hilfe von Wolfgang Spahr kommen die Stars reichlich nach Bad Segeberg

Erleichtert wird der Stadtvertretung die Entscheidung durch das Wirken des Segebergers Wolfgang Spahr, damals Redakteur der „Kieler Nachrichten“ und Gesellschafter der Kalkberg GmbH, im deutschen Showgeschäft eine anerkannte Größe mit exzellenten Verbindungen. Er hatte für Udo Jürgens den Text des Liedes „Aber bitte mit Sahne“ geschrieben, kennt sich in der Branche bestens aus und knüpft die entscheidenden Verbindungen zu Veranstaltern und Stars.

Die kommen schließlich reichlich. Und weil die Karl-May-Spiele damals noch keine 72 Vorstellungen abliefern, können auch in den Sommermonaten noch Konzerte veranstaltet werden. Heute ist das nicht mehr möglich, weil die Festspiele mit Probenbeginn Ende Mai bis zum Vorstellungsende Anfang September die Arena fest im Griff haben. Danach kommen die Fledermäuse ins Winterquartier, sodass auch später nicht mehr gerockt werden darf. Genau daran scheitert auch ein geplanter Auftritt von Jennifer Lopez im September 2001 – die Fledermäuse...

Bob Dylan langweilt das Publikum mit einer Predigt und religiösen Liedern

Am 31. August 1980 kommt Joan Baez nach Bad Segeberg, und am 31. Mai 1981 startet Peter Maffay seine Konzertreihe in der Arena, die er später mit Begeisterung „sein Wohnzimmer“ nennt. Er kommt immer wieder und wird stets umjubelt. Auch 1990, als er um Pfingsten herum in Bad Segeberg gleich fünf (Konzerte mit insgesamt 60.000 Zuschauern gibt. Unvergessen, wie er zum Konzertbeginn mit seinem Motorrad den Abhang neben der Bühne herunterfährt und seine Fans von dort aus winkend begrüßt.

Denkwürdig das Jahr 1981: Bob Dylan tritt gleich an zwei Abenden hintereinander auf (14. und 15. Juli). Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Dylan langweilt die Zuschauer zumindest bei seinem ersten Konzert eher mit seinen überwiegend religiösen Songs und fordert sie auf, sich eine Predigt von ihm anzuhören. Am zweiten Abend reduziert er den religiösen Anteil in seinem Repertoire etwas und stellt seine bekannteren Songs in den Vordergrund. Als er als 27. und letzten Song „Knocking on heavens door“ anstimmt, sind schließlich alle begeistert. Zugaben? Selbstverständlich nicht.

David Bowie gab in Bad Segeberg zwei Konzerte. Es waren seine ersten Auftritte nach fünf Jahren Pause. Von seinen Konzerten ist ein Livemitschnitt im Handel.
David Bowie gab in Bad Segeberg zwei Konzerte. Es waren seine ersten Auftritte nach fünf Jahren Pause. Von seinen Konzerten ist ein Livemitschnitt im Handel. © imago stock&people

Kalkberg-Arena: Benny Goodman und Ella Fitzgerald schrieben in Bad Segeberg Jazzgeschichte

1982 dann erstmals Jazz im großen Stil. Bei den internationalen Jazztagen treten die Talking Heads, Jimmy Cliff, Benny Goodman und Ella Fitzgerald auf. Am 24. Juli kommt es zur denkwürdigen Begegnung der beiden Jazzgrößen Benny und Ella: Der grummelnde Goodman, vom Publikum mit Pfiffen bedacht, holt zur Versöhnung seine große Kollegin auf die Bühne, die in der Garderobe auf ihr anschließendes Konzert wartet. Der Klarinettist und die Sängern zelebrieren und improvisieren einige Stücke gemeinsam und schreiben so ein Stück Jazzgeschichte.

1983 kommt David Bowie zu zwei vielumjubelten Konzert nach Bad Segeberg. Er startet beide Abende mit dem Song „Star“ und endete mit „Modern Love“ als dritte Zugabe. Bedeutend ist das Konzert vor allem, weil es Bowies erster Live-Auftritt seit fünf Jahren ist. Die Segeberg-Konzerte wurden übrigens verewigt: Es gibt sie auf LP und CD. Zwar nur als Bootlegs, aber gehandelt – zum Beispiel bei Discogs – werden sie trotzdem. Auch Fats Domino und noch einmal Joan Baez haben in jenem Jahr Auftritte am Kalkberg.

Kalkberg-Arena: Beim Konzert der Beach Boys kommt es zum Eklat – alle Fluchtwege sind versperrt

Weitere Konzert-Highlights in Bad Segeberg im Jahre 1984: Udo Lindenberg und das Panikorchester (18. Mai), Elton John (20. Mai), Neil Diamond (17. Juli), Stevie Wonder (1. August). 12.000 Besucher sind jeweils zugelassen, aber so ganz genau guckt niemand hin, wie viele tatsächlich kommen

Erst 1987 kommt es zum Eklat: Als die Beach Boys am 22. Juli kurz nach 20 Uhr mit ihrem langgezogenen Intro von „California Girls“ das Konzert beginnen, strömen die Massen immer noch in die Arena. Schließlich sitzen, stehen und hocken 15.000 Zuschauer im weiten Rund – sämtliche Fluchtwege sind blockiert. Weil es das einzige Konzert der Band in Deutschland ist, sind die Fans von weither angereist. Alarm bei den Behörden: Fortan wird streng darauf geachtet, dass tatsächlich nicht mehr als 12.000 Karten verkauft werden.

Nicht alle Beach-Boys-Besucher sind übrigens begeistert. Denn auf den Plakaten war das Mitwirken von Brian Wilson angekündigt worden, stattdessen aber sitzt Billy Hinsche am Keyboard. Von Wilson, dem Kopf der Band, keine Spur.

Kalkberg-Arena: Wegen der Lärmschutzauflagen kommen die Rockgrößen heute nicht mehr

Weitere Großkonzerte: Fleetwood Mac (1988), Marius Müller-Westernhagen (zweimal 1990), das Bob Marley Tribute Festival (1995), Montserat Caballé (1996), Wolfgang Petry (dreimal 1998), Status Quo (2012), David Garrett (2011 und 2013).

Die Konzerte von Marius Müller-Westernhagen im Jahre 1990 bilden eine Zäsur: Drastisch verstärkte Lärmschutzauflagen von höchstens 55 Dezibel – gemessen an den Fenstern der Bewohner – bedeuten das Ende für das Rockmusik-Mekka des Nordens. Wegen der reduzierten Lautstärke kommen die internationalen Größen nicht mehr nach Bad Segeberg. Auf anderer Ebene aber gehen die Konzerte weiter und werden auch in den nächsten Jahren stets viele Tausend Besucher anlocken.