Kreis Segeberg. Für wen die Mini-Photovoltaik-Anlagen geeignet sind, was sie leisten können und was bei der Montage zu beachten ist.

Die Angst vor hohen Energiekosten veranlasst die Menschen, sich nach günstigen Alternativen umzusehen. Entsprechend groß ist nun die Nachfrage in Schleswig-Holstein für die sogenannten Balkonkraftwerke. Mit ihnen kann praktisch jeder zum Stromproduzent werden.

Nach Angaben der Schleswig-Holstein Netz AG sind rund 1400 dieser Mini-Photovoltaik-Systeme in Betrieb, wobei davon ausgegangen wird, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist. Viele private Anlagen-Betreiber melden ihre Anlage nämlich gar nicht an.

Energiepreise: Angst vor der Kostenexplosion – Balkonkraftwerke sind gefragt

Wenn Carsten Voß seine beiden Module des Balkonkraftwerks auf dem Garagendach in Henstedt-Ulzburg betrachtet, kommt er ins Grübeln: „Wenn sich jeder so eine Anlage auf das Garagendach stellen würde, wäre das eine kleine Revolution.“

Der Geschäftsführer eines IT-Unternehmens im Frederikspark in Norderstedt (VossIT) zeigt auf die Häuser in der Nachbarschaft: Jedes Haus am Immbarg in Henstedt-Ulzburg hat eine Garage – Solaranlagen aber sind auf den Flachdächern nirgends zu sehen. „Dabei ist es doch so einfach, die Module aufzustellen und anzuschließen.“

So wie die Energiekosten steigt auch die Nachfrage nach Balkonkraftwerken

Seit dem 19. Oktober stehen die beiden Module auf seinem Garagendach. Über eine Fritzbox-App kann er jederzeit auf seinem Handy verfolgen, wie viel Strom die Klein-Anlage liefert. Er hat sich vorher genau informiert, wie das alles funktioniert und wurde bei der Installation vor keine besonderen Probleme gestellt.

Natürlich ist ihm klar, das eine solche Anlage nicht annähernd so viel Strom produziert, dass es für den Eigenbedarf reicht: In Deutschland dürfen die Geräte eine maximale Leistung von 600 Watt erzeugen - etwa 600 Kilowattstunden pro Jahr, was einer Ersparnis von 180 bis 200 Euro gleich kommt. „Aber immerhin ist das Strom, den ich nicht kaufen muss“, sagt Carsten Voss, der diese hauseigene Stromproduktion als Unterstützung betrachtet. Mehr Strom werden bei ihm demnächst Photovoltaik-Module auf dem Hausdach liefern. Sie werden gerade installiert.

In Norderstedt wurden bisher 110 Mini-Photovoltaik-Anlagen registriert

Balkonkraftwerke erfreuen sich großer Beliebtheit – aber das Wort täuscht. Wie die Norderstedter Stadtwerke festgestellt haben, sind es weniger Mieter oder Wohnungsbesitzer, sondern Hauseigentümer, die sich für eine solche Anlage interessieren. In Norderstedt wurden von 2020 bis heute 110 Anlagen angemeldet. Eine erstaunlich geringe Zahl angesichts der aktuellen Nachfrage landesweit. Das könnte allerdings täuschen: „Es dürfte eine nicht unerhebliche Dunkelziffer geben“, sagt Oliver Weiß, Sprecher der Stadtwerke. 70 Prozent der Anlagen seien in diesem Jahr gemeldet worden.

In ganz Schleswig-Holstein sind in diesem Jahr 850 Balkonkraftwerke angemeldet und installiert worden. Das ist die offizielle Statistik. Inoffiziell aber weiß auch die Schleswig-Holstein Netz AG mit Sitz in Quickborn, dass weit mehr Anlagen installiert, aber nicht angemeldet worden sind. Dabei ist eine Registrierung beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eigentlich verpflichtend. Hintergrund: Der Stromzähler muss überprüft werden, um festzustellen, ob er mit oder ohne Rücklaufsperre verbaut ist. Denn der überschüssige Strom könnte den Zähler rückwärts laufen lassen.

Photovoltaik-Experte Martin Oster empfiehlt Balkonkraftwerke

Anne Pamperin und Martin Oster haben ein Ratgeber-Buch über Photovoltaik geschrieben: „Photovoltaik für Einsteiger – ohne Vorkenntnisse zur maßgeschneiderten Photovoltaikanlage
Anne Pamperin und Martin Oster haben ein Ratgeber-Buch über Photovoltaik geschrieben: „Photovoltaik für Einsteiger – ohne Vorkenntnisse zur maßgeschneiderten Photovoltaikanlage". Auf ihrem Bungalow in Quickborn-Heide haben sie heute 65 Module auf 170,5 Quadratmetern Dach- bzw. Carport-Fläche. Die Leistung: 20,5 Kilowattpeak. © Christopher Mey

Mieter müssen sich die Installation einer solchen Mini-Photovoltaikanlage von ihrem Vermieter genehmigen lassen. Vermieter sind bei derartigen baulichen Maßnahmen allerdings häufig skeptisch und versuchen die Installation von Photovoltaikanlagen zu verbieten. Mittlerweile haben sich auch Gerichte mit der Thematik befassen müssen und meist zugunsten der Mieter entschieden.

Für den Quickborner Photovoltaik-Experten Martin Oster, der zusammen mit seiner Frau Anne Pamperin den Bestseller „Photovoltaik für Einsteiger“ geschrieben hat, sind Balkonkraftwerke oder Mini-Photovoltaik-Anlagen „besser als nichts“. Er hält sie prinzipiell für gut, weist aber darauf hin, dass sie zum Beispiel für den Betrieb einer Waschmaschine nicht ausreichen. „Im Sommer“, so befürchtet er, „wird mit einem zweiten Modul zu viel Strom erzeugt, der dann ohne eine Vergütung ins Netz eingespeist wird,“ Im Winter sehe das jedoch anders aus.

Vom Land Schleswig-Holstein gibt es Geld zur Montage dazu

Tatsächlich werden meistens zwei Module montiert, die zusammen eine Leistung von 600 Watt erzeugen. Das reicht für etwa 600 Kilowattstunden pro Jahr. Balkonkraftwerke können vor allem die vielen Geräte, die dauerhaft Strom benötigen, versorgen. Dazu gehören Router, Ladegeräte, Festnetztelefon, Fernseher oder Computer.

Vom Land Schleswig-Holstein gibt es finanzielle Unterstützung: Steckerfertige PV-Balkonanlagen mit einer Mindestleistung der Solarmodule von 250 Watt und einer Höchstleistung von 600 Watt können mir 200 Euro gefördert werden. Für die Beantragung der Förderung stellt das Land einen Service per Internet zur Verfügung. Nähere Informationen gibt es auf der Website des Ministeriums für Energie­wende, Klimaschutz, Umwelt und Natur.

Darüber hinaus gibt es einige wenige Städte und Gemeinden die Balkonkraftwerke ebenfalls fördern - zum Beispiel die Stadt Kiel. Im Kreis Segeberg werden Balkonkraftwerke nicht gefördert. In Henstedt-Ulzburg lag vor einigen Jahren von politischer Seite ein Antrag auf Zahlung von Förderzuschüssen auf dem Tisch, abgestimmt aber wurde darüber nicht.

Energiepreise - Worauf bei Balkonkraftwerken geachtet werden sollte

Wer sich ein Balkonkraftwerk ins Haus liefern lässt, sollte sich vorher überlegen, wo es installiert werden kann und ob das mit eigener Kraft zu schaffen ist. Wer es zum Beispiel auf dem Dach anbringen will und dafür einen Dachdecker beauftragt, muss mit zusätzlichen Kosten von etwa 1500 Euro rechnen.

Wichtig: Kontrollieren, ob die Lieferung komplett ist. Fehlen die erforderlichen Halterungen, kann es zu Komplikationen führen, weil die Hersteller zurzeit dermaßen überlastet sind, sodass derartige „Kleinigkeiten“ nur nebenbei oder eben gar nicht erledigt werden.