Kreis Segeberg. Während Befürworter und Kritiker des Ausbaus der A20 im Clinch liegen, steht die Karl-May-Stadt vor dem Verkehrsinfarkt.

Geplant wird sie als eine durchgehende Ost-West-Verbindung zwischen Polen und den Niederlanden – die A 20. Doch seit 13 Jahren endet die Autobahn kurz vor Bad Segeberg und spuckt den überregionalen Verkehr auf die Bundes- und Landesstraßen im städtischen Verkehrsnetz wieder aus. Und in Bad Segeberg macht sich eine Befürchtung breit: Bleibt die Kreishauptstadt das ewige Ende der A 20?

Es sieht zumindest ganz danach aus. Gerichtsurteile infolge von Klagen gegen Planungen verhinderten den Weiterbau bisher. Kritiker und Befürworter stehen sich offenbar unversöhnlich gegenüber. Während die Wirtschaft die Verkehrsachse vehement und uneingeschränkt einfordert, sehen die Umweltverbände und die Grünen in Schleswig-Holstein in der Autobahn das „teuerste und klimaschädlichste Projekten im Bundesverkehrswegeplan“, wie es Grünen-Landtagsfraktionschef Lasse Petersdotter gerade gegenüber dem „Flensburger Tageblatt“ formulierte.

Autobahn: Bad Segeberg – das ewige Ende der A20?

Deswegen ist die A 20 in der schwarz-grünen Koalition in Kiel das Dauerstreitthema. Denn Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) will den Weiterbau der Autobahn vorantreiben, auch wenn sich die Grünen auf Bundesebene nicht für eine privilegierte Umsetzung der A20 einsetzen wollen. Madsen forderte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf, die Autobahn weiterzubauen und Projekte mit einem „fortgeschrittenen Fertigungsstand“ wie die A20 aus der geplanten Neubewertung von Verkehrsvorhaben auszunehmen.

„Die A20 sollte auch für die Bundesregierung und ihr Ministerium hohe Priorität haben“, heißt es in einem Brief an Wissing. „Ich würde mich freuen, wenn Sie sich zum Weiterbau der A20 bekennen sowie für eine Priorisierung des Vorhabens eintreten.“ Und zwar wie im aktuellen Bundesverkehrswegeplan vorgesehen, auf der geplanten Trasse.

„Traurigstes Beispiel für die Verhinderung von Infrastrukturausbau“

Bei den Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen im Land wird diese Haltung begrüßt. Sie diskutierten zuletzt über die A 20 bei einer Veranstaltung der sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern (IHK). Der Tenor: Bad Segeberg sei das traurigste Beispiel für die Verhinderung von Infrastrukturausbau und lange Planverfahren in Deutschland.

„Dass eine Autobahn seit so vielen Jahren am Rande einer Stadt endet, ist nicht länger zu vermitteln. Wenn die Umweltverbände in Schleswig-Holstein jetzt ein Moratorium für Planung und Bau der A 20 fordern, muss das für die Wirtschaft wie Hohn klingen. Denn wir haben doch seit vielen Jahren faktisch einen Ausbaustopp”, sagte Hagen Goldbeck, Präsident der IHK Schleswig-Holstein.

Leidensdruck von Bad Segeberg werde im Bund nicht erkannt

Es gebe Konsens von vielen Seiten, dass die Umfahrung Bad Segebergs dringend gebraucht werde und trotzdem gebe es kaum Fortschritte. „Wahrscheinlich wird der Leidensdruck von Bad Segeberg außerhalb Schleswig-Holsteins nicht erkannt”, sagte Toni Köppen, Bürgermeister von Bad Segeberg bei der IHK-Diskussion.

Er freue sich über jede Chance, das Problem deutlich zu benennen. „Gleichzeitig hoffen wir auf möglichst schnelle Lösungen, denn es ist nicht zu vermitteln, dass die Verkehrszahlen und damit auch die Belastungen in unserer Stadt seit Jahren steigen“, so Köppen. Den politischen Entscheidungsträgern in Land und Bund wart er vor, dass sie kein Problembewusstsein hätten.

Vielbefahrene Bundesstraße zerschneidet die Stadt

„Bereits seit 2009 endet die A 20 vor den Toren Bad Segebergs. Die Stadt muss somit überregionale Verkehre in ihrem städtischen Netz aufnehmen. Neben der Zerschneidung der Stadt durch die vielbefahrene Bundesstraße, gibt es vor allem große Belastungen durch die täglichen Staus in beiden Richtungen“, sagte Köppen.

„Die A 20-Frage geißelt uns seit vielen Jahren! Die Realität heißt: tägliche Stauzeiten”, wetterte der Holzhändler Bernd Jorkisch. „Jede Woche quälen sich mehr als 40 unserer Lkw-Touren durch die Stadt, hin und zurück – unseren Zulieferern ergeht es nicht anders. Ein unhaltbarer Zustand für uns, unsere Lieferanten und Kunden.” Ganz zu schweigen von den Bürgerinnen und Bürgern in Bad Segeberg, die unter Abgasen und Verkehrslärm leiden.

Unternehmer quälen sich mit Lastwagen durch tägliche Staus

Günter Loose, Geschäftsführer der Möbel-Kraft AG findet es zwar richtig, über Kosten und Nutzen eines Projektes zu sprechen. „Aber nach so vielen Jahren sollten wir dringend einmal über Staukosten sprechen. Wir haben diese seit 13 Jahren und ein Ende ist nicht in Sicht. Dieser Status Quo ist keine Option mehr und wir brauchen ein beschleunigtes Handeln.”

Die FDP in Kiel will das für die schwarz-grüne Koalition schwierige Konfliktthema im Landtag zur Sprache bringen. Die Liberalen brachten zur Sitzung in der nächsten Woche einen Antrag ein, mit dem sie von dem Regierungsbündnis ein klares Bekenntnis zum Weiterbau der A20 verlangen.

Autobahn: Ministerpräsident ohne Parlamentsmehrheit in Kiel?

Das gebe dem Ministerpräsidenten die Gelegenheit, eine eigene Parlamentsmehrheit für den Weiterbau der A20 zu dokumentieren, sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. „Wer soll Daniel Günther und seinen Verkehrsminister in Berlin eigentlich ernst nehmen, wenn sie in der eigenen Koalition keinen Rückhalt für das wichtigste Verkehrsprojekt in Schleswig-Holstein organisieren können?“

Das Projekt A20 stehe längst im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans; die verbindliche Umsetzung sei gesetzlich klar geregelt. „Es ist schon absurd, wenn die Grünen jetzt die hohen Kosten für die A20 beklagen, die sie durch ihre Blockaden wesentlich mit verursacht haben“, befand Vogt.