Norderstedt. Steigende Heizkosten, drohende Nachzahlungen: Wie der Mieterverein Mitgliedern hilft, was er von der Politik fordert.

Es sind besondere Zeiten – auch für den Mieterverein Norderstedt, der etwa 2600 Mitglieder hat. Im Büro in Garstedt an der Ochsenzoller Straße 117 gibt es derzeit einen besonders starken Zulauf bei den Beratungen.

Was umtreibt die Menschen, wie können die Berater helfen? Welche Forderungen hat der Verein an die Politik? Darüber sprach das Abendblatt mit Anette Schütz-Schreiber, die seit Anfang 2021 Geschäftsführerin des Vereins ist.

Hamburger Abendblatt: Was sind derzeit die größten Sorgen von Mietern in Norderstedt? Mit welchen Anliegen wenden sich Ihre Mitglieder an Sie?

Anette Schütz-Schreiber: Heizkosten sind im Moment das große Sorgenthema. Die allermeisten Wohnungen in Norderstedt werden zentral beheizt. Das läuft also alles über den Vermieter, beziehungsweise die Hausverwaltung. Manche Vermieter haben sich schon bei den Mietern gemeldet – und haben teilweise extreme Vorstellungen, sprechen von Heizkosten-Erhöhungen bis zu 500 Prozent. Andere haben sich noch gar nicht gemeldet. Beides sorgt für Angst bei den Mietern.

Wohnung mieten Norderstedt: „Bräuchten eine Mietpreisbremse für die Stadt“

Was raten Sie in solchen Fällen?

Wenn extreme Erhöhungen angekündigt werden, sollte die Rechtsgrundlage angefordert werden. Bei der Prüfung hilft der Mieterverein. Wir prüfen auch sämtliche Jahresabrechnungen, sobald sie vorliegen. Wenn der Vermieter sich nicht gemeldet hat, sollte der Mieter monatlich Geld zurücklegen In jedem Fall muss sich leider jeder auf Nachzahlungen einstellen.

Und was ist, wenn Mieter diese nicht bezahlen können?

Dann kann man Ratenzahlungen vereinbaren. In manchen Fällen sehen wir auch, ob das Sozialamt einspringt. In jedem Fall sollte niemand aus diesem Grund gekündigt werden. Wir haben ja eine gesamtgesellschaftliche Sondersituation. Deshalb fordern wir von der Politik auch ein Kündigungsmoratorium für Mieter, die aufgrund von Nebenkostennachzahlungen eine Kündigung erhalten. Wir haben übrigens mit dem Jobcenter und dem Sozialamt Norderstedt sowie dem Sozialamt in Quickborn eine Vereinbarung über die Kostenübernahme für eine Mitgliedschaft bei uns, wenn diese die Notwendigkeit dafür sehen. Das Landesparlament sowie die Stadt Norderstedt wollen einen Härtefallfonds für Mieter auflegen, die aufgrund gestiegener Energiepreise in Not geraten. Details sind uns noch nicht bekannt.

Schimmel, wenn weniger geheizt wird? Ein „absolut wichtiges Thema“

Mieter haben weniger Möglichkeiten, im Bereich des Gasverbrauchs tätig zu werden – sie können z.B. nichts am Heizsystem oder an der Dämmung ändern. Was sind Ihre Energiespartipps für Mieter?

An in der Regel 30 Prozent der Heizkosten können Mieter nichts ändern, die ergeben sich aus der Grundfläche der Wohnung. Aber die anderen 70 Prozent für ihren Verbrauch können die Mieter sehr wohl beeinflussen. Da sollten sie ansetzen, also das eigene Heizverhalten absolut beobachten. Wer die Wohnung z.B. auf weit über 20 Grad heizt, sollte ein paar Grad runterdrehen. Wichtig ist auch, wie die Wohnung möbliert ist. Heizkörper sollten nicht von Möbeln zu gestellt, Gardinen nicht vor der Heizung hängen. In solchen Fällen sollte dann zum Beispiel ein Sofa von der Wand abgerückt werden. Ganz wichtig ist auch das Lüftungsverhalten. Fenster sollten nie auf kipp stehen, da geht viel Energie verloren. Stattdessen sollte man mehrmals am Tag ein paar Minuten bei weit offenen Fenstern stoßlüften.

Es heißt allerdings auch, dass Mieter, die die Temperatur in ihrer Wohnung senken, unter Umständen haftbar gemacht werden können, wenn sich Schimmel bildet…

Das ist ein absolut wichtiges Thema. Wenn es ein Schimmelproblem gibt, heißt es tatsächlich oft von den Vermietern, es sei nicht richtig geheizt, nicht richtig gelüftet worden. Viele Gebäude in Norderstedt stammen aus den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren. Die sind nicht gut gedämmt. Da begünstigt es tatsächlich die Schimmelbildung, wenn die Raumtemperatur auf 19 Grad abgesenkt wird. Dem kann man aber wiederum durch häufiges Stoßlüften entgegenwirken. In jedem Fall sollte man das Thema Schimmelbildung bedenken, wenn man Heizkosten sparen will. Es ist zum Beispiel auch nicht sinnvoll, nur noch einen Raum zu heizen. Wer Fragen hat, kann zu uns kommen. Und wir bieten auch vor Ort Feuchtigkeitsmessungen an.

Dämmung und Modernisierung: Was im Interesse der Mieter liegt

Kann ein Mieter vom Vermieter verlangen, das Gebäude besser zu dämmen oder ähnliche Maßnahmen durchzuführen?

Einen Rechtsanspruch darauf gibt es nicht. Ansprüche hat ein Mieter nur dann, wenn es einen konkreten Mangel gibt. Energetische Modernisierungen sind auch ein zweischneidiges Schwert für Mieter. Die Modernisierungskosten werden nämlich im Rahmen von Modernisierungsmieterhöhungen im Moment über viele Jahre vollständig auf die Mieter umgelegt. Das bedeutet jährliche Mietsteigerungen von acht Prozent der auf die Wohnung entfallenden Modernisierungskosten. Da kommen pro Quadratmeter schnell monatlich zwei Euro und mehr zusammen – und das wird niemals an Heizkosten eingespart. Auf diese Weise zahlt der Mieter im Prinzip für die Wertsteigerung des Hauses. Das empfinden wir als ungerecht und fordern deshalb, dass solche Kosten gedrittelt werden. Ein Drittel trägt der Vermieter, eins der Mieter, eins der Staat - das wäre unser Modell für energetische Modernisierungen

Was ist eigentlich mit dem Thema Strom? Berät der Mieterverein da auch?

Nein, denn die meisten Mieter haben ja ganz individuelle Stromverträge, die sie direkt mit den Unternehmen abgeschlossen haben. In solchen Fällen verweisen wir auf die Verbraucherzentrale.

Wohnung mieten Norderstedt: Was das große Problem bei Indexmieten ist

Auch in anderen Bereichen steigen derzeit die Kosten. Wo sind Mieter besonders stark betroffen?

Etwas, was uns im Moment stark beschäftigt, sind die sogenannten Indexmieten. Diese können vom Vermieter einmal im Jahr erhöht werden, je nach Steigerung des Verbraucherpreisindexes des Statistischen Bundesamtes. Früher fanden viele Mieter Indexmieten gut, weil es lange Zeit keine besonderen Steigerungen bedeutete. Aber jetzt sind diese Mieten ein Riesenproblem, denn im Moment explodiert der Verbraucherpreisindex, Mieten steigen schnell mal um weit mehr als 15 Prozent. Und eine gesetzliche Grenze nach oben gibt es da nicht. Wir fordern auch hier eine Kappungsgrenze, die vom Gesetzgeber in Kiel in Zusammenarbeit mit der Stadt Norderstedt auf den Weg gebracht wird.

Viele Ihrer Forderungen betreffen die Landes- oder Bundespolitik. Gibt es auch Wünsche, die Sie an die Norderstedter Politik richten?

Absolut! Die Mietpreise sind hier sehr hoch, weil wir ja im Hamburger Speckgürtel liegen. Wir bräuchten eine Mietpreisbremse für die Stadt. Die müsste das Landesparlament in Kiel beschließen, aber der Impuls müsste natürlich aus Norderstedt kommen. Genau den würden wir uns in dieser schwierigen Lage wünschen. Außerdem haben wir viel zu wenige Wohnungen, besonders an Sozialwohnungen mangelt es. Auch da ist die Politik gefragt.